Читать книгу I Ging - Andrea Seidl - Страница 6

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Einführung

Vielleicht schauen Sie ja gerade zum ersten Mal in eine Ausgabe des I Ging, mit der stirnrunzelnden Frage:

Was ist das I Ging überhaupt?

Viele Menschen mit bester Schulbildung und Universitätsabschluss haben noch nie etwas davon gehört. Das ist auch gar nicht verwunderlich, denn es gehört ja in den höchst esoterischen Kontext des alten chinesischen Denkens. Kampfsportler und Feng-Shui-Anhänger mögen schon einmal darauf gestoßen sein, da die acht grundlegenden Bausteine des I Ging, die so genannten Trigramme, in der Philosophie dieser Disziplinen ebenfalls eine tragende Rolle spielen und immer wieder abgebildet werden – oft nur, weil das so hübsch chinesisch und bedeutsam aussieht.

Wenn Sie also noch nicht viel Ahnung vom I Ging haben, muss Ihnen das nichts ausmachen. Sie sind in guter Gesellschaft.

Dennoch möchte ich diesem „Defizit“ ein wenig abhelfen, ohne dabei zu akademisch zu werden. Ich erzähle Ihnen das, was mein eigenes Interesse erweckt hat, im vollen Bewusstsein, wie subjektiv das ist. Den Anspruch auf Objektivität habe ich längst aufgegeben, er ist für niemanden einlösbar. Ich stelle Ihnen hier vor, was ich für wichtig halte und was mich bewegt. Wenn Sie mehr wissen möchten, kann Ihnen die Literaturliste im Anhang gute Dienste leisten.

Also noch einmal: Was ist das I Ging?

Das I Ging (oder I Ching oder Yijing) ist ein Buch, ein uraltes Buch – eines der ältesten der Welt, ein Orakel- und Weisheitsbuch aus dem alten China, aufgeschrieben vor gut 3000 Jahren, doch mit noch viel älteren Ursprüngen. Das I Ging ist kein Buch, das zum Durchlesen gedacht ist – obwohl man natürlich auch das mit Gewinn tun kann. Im Grunde ist es ein Buch, das uns auf die Fragen unseres Lebens Antwort geben will, also ein Buch, das mit uns spricht.

Wortwörtlich bedeutet I Ging: „Buch (Ging) vom Werden und Vergehen (I)“ oder, so hat es sich eingebürgert: „Buch der Wandlungen“. In diesem kurzen Titel steckt schon die zentrale Idee der chinesischen Philosophie: dass alles in Bewegung und nichts von Dauer ist, oder wie es Heraklit formulierte: dass man nicht zweimal in denselben Fluss steigen kann, weil „alles fließt“.

Im I Ging verdichtet sich das Weltbild der alten Chinesen, ein Modell des Kosmos aus vorpatriarchaler Zeit, als die Menschen sich noch im Einklang mit dem Ganzen fühlten. Dieses spirituelle Meisterwerk mit universellem Gültigkeitsanspruch stammt nicht aus der Hand eines einzigen Autors, es wurde von Generationen von Schamanen und Weisen zusammengetragen, die im innigen Kontakt mit der kosmischen Wirklichkeit standen. In diesem Buch bilden die sichtbare Wirklichkeit und die unsichtbare, geistige Welt noch eine Einheit, ganz so wie es das esoterische Gesetz des Hermes Trismegistos ausdrückt: „Wie oben, so unten“ (oder auch: „Wie innen, so außen“ – und umgekehrt). Dieses Buch offenbart also ein durch und durch ganzheitliches Weltverständnis, in dem auch die Zeit symbolische Qualitäten aufweist.

Ja, und dieses steinalte Buch aus dem fernen Osten will auch für uns, hier und heute, gültig sein. Es hat den Anspruch, die Gesamtheit aller kosmischen Gesetzmäßigkeiten und ihrer Auswirkungen in einem Code von 64 Strichmustern zu umschreiben. Damit bietet es sich uns als wertvoller Ratgeber für die Entscheidungen unseres Alltags an.

Viele Menschen sind überrascht und betroffen, wenn sie sich zum ersten Mal an das I Ging wenden – denn es kommt ihnen entgegen wie ein lebendiges, bewusstes Wesen mit größter Einfühlungskraft. Es vermittelt uns das starke Gefühl, von einer unsichtbaren Präsenz gesehen zu werden, was sich zunächst geradezu unheimlich anfühlen kann. Doch mit der Zeit kann es zu einem intimen Freund werden, zu einem persönlichen Coach, ja, zu einem spirituellen Lehrer.

Mir hat das I Ging schon oft den Kopf gewaschen, wenn mein Ego sich aufgeplustert hatte, und mich in anderen Situationen wieder liebevoll aufgemuntert und an meine Ressourcen erinnert. Jenseits unserer alltäglichen Moralvorstellungen verfolgt es eine eigene Zielrichtung, die ausschließlich auf unser spirituelles Wachstum hinzielt. Nach vielen Jahren der Erfahrung mit dem I Ging kann ich sagen: Ich weiß, dass es funktioniert. Für das Warum fehlen mir beweiskräftige Erklärungen, auch wenn ich natürlich meine persönlichen Lieblingshypothesen habe.

Dieses merkwürdige alte Buch hat schon viele Menschen in seinen Bann gezogen, auch hier bei uns im Westen. Carl Gustav Jung, der über die Archetypen der Welt forschte, experimentierte damit und kam zu dem Ergebnis, es zeige einen Ausblick auf den unsichtbaren Plan des Lebens. Dieser ungewöhnliche Forscher besaß den Mut, seinen spottenden Zeitgenossen zum Trotz zu bekennen, dass er den Aussagen des I Ging vertraue. Und er versuchte, über die Dynamik des kollektiven Unbewussten aufzuzeigen, warum seine Antworten stimmen. Hermann Hesse war vom I Ging ebenso tief beeindruckt. Er verarbeitete seine Begegnung mit dem Orakel im komplexesten seiner Bücher, dem Spätwerk „Das Glasperlenspiel“. Darüber hinaus standen auch große Wissenschaftler wie Werner Heisenberg und Künstler wie Bob Dylan fasziniert vor jener Weisheit, die alle wissenschaftlichen Beweise transzendiert.

I Ging

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