Читать книгу PENNYFLAX und die Rache des Hexenmeisters - Andreas Bulgaropulos - Страница 7
Olf
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Wie gelähmt vor Angst starrten die Kobolde auf den Goblin, der mit seiner Halskette aus Rattenschädeln, den rot glühenden Augen und den Krallenhänden wie ein Albtraum wirkte. Gerade weil die Garstinger nur halb so groß wie der Grünhäuter waren, flüchteten viele vom Dorfplatz in den Wald oder warfen sich in den nächstbesten Blätterhaufen. Andere waren mutiger und griffen nach Stöcken oder zückten ihre Messer. Die alte Booja war jedoch die Furchtloseste von allen. Für eine Koboldfrau besaß sie enorme Muskeln, deshalb ging das Gerücht, dass sie in ihrer Jugend einen Grünhäuter umgehauen hatte, weil der ihr ein Glas Marmelade stehlen wollte. Und an dem Gerücht schien etwas dran zu sein, denn Booja näherte sich dem Goblin von hinten mit einer Bratpfanne in der Hand.
Inzwischen hatte Pennyflax seinen Schock überwunden und ermahnte Fauch, der in Angriffsstellung gegangen war, keinesfalls Feuer zu spucken. Ihm fiel nämlich an dem Goblin etwas auf, das ihm bekannt vorkam: Ein beachtliches Bäuchlein wölbte sich über dessen Lendenschurz. Auch die Fliegen, die dem Grünhäuter um die Käsefüße schwirrten, waren ein untrügliches Erkennungsmerkmal. Da dämmerte es Pennyflax endlich. »Ol… Olf?«, stotterte er. »Das ist ja ’ne rauschige Überraschung!« Er kletterte vom Redner-Baumstumpf, lief auf den Goblin zu und schüttelte ihm die Pranke.
Erleichtert erkannte Shirah jetzt ebenfalls ihren gemeinsamen Freund wieder. Olf hatte ihnen letzten Sommer geholfen, aus dem Feuerberg zu flüchten, weil er nicht länger ein Diener des Hexers sein wollte. Die Koboldin umarmte den dicken Goblin herzlich und lachte: »Hast uns aber ganz schön erschreckt! Biste extra gekommen, um uns vor Sulferion zu warnen?«
Olf grinste über beide Ohren, tätschelte Fauchs Kopf und setzte gerade zu einer Erklärung an, als ihm die alte Booja von hinten eins mit der Bratpfanne überzog. Goblinkopf und Pfanne produzierten ein »Klong«, und während Pennyflax und Shirah die Kinnladen runter klappten, verdrehte Olf die Augen und sackte zusammen.
Gerade so konnten die beiden Kobolde Booja davon abhalten, den vermeintlichen Bösewicht nach Strich und Faden zu vermöbeln. Pennyflax nahm ihr die Pfanne ab, was Booja gar nicht passte: Sie zeterte wütend vor sich hin und ließ Schimpfworte vom Stapel, die noch nicht einmal Pennyflax kannte. Nachdem er Olf auf die Beine geholfen hatte und Shirah die verängstigten Garstinger von der Harmlosigkeit des Goblins überzeugt hatte, führten die beiden ihren Freund zum Baumstumpf, wo er sich hinsetzte.
Schließlich war Olf wieder klar im Kopf und blickte ernst in die Runde, zu der sich soeben Meister Snagglemint und Minky dazugesellten. »Es geben Krieg!«, grunzte er seine Warnung erneut heraus. »Sulferion haben tausende Goblins für Kampf gerüstet und Feuerkatapulte aufgefahren, die mit Glutrubinen funktionieren und von alleine rollen können. Außerdem Hexenmeister beschwören Dämonen von Seufzer-Schlucht herauf. Er wollen Richtung Viancáru ziehen und auf seinem Weg ganz Eraluvia verbrennen!«
Die Garstinger, die sich herangetraut hatten und Olf lauschten, rissen vor Entsetzen die Augen und Münder auf – selbst diejenigen, die vorher Minkys Bericht wegen der Seufzer-Schlucht für blanken Unfug gehalten hatten. Manche steckten ihren Koboldkindern sogar die Finger in die Ohren, damit sie keine Angst bekamen.
»Und das noch nicht das Schlimmste sein«, brummte der Grünhäuter, zog eine grimmige Miene und deutete auf Fauch. »Sulferion wollen Drachling wiederhaben! Deshalb er lassen Pyros aus Feuerberg raus, damit sein Atem euer Dorf zu Asche macht!«
Erneut stöhnten die umstehenden Kobolde vor Schreck. Denn mit Pyros, dem riesigen Drachen, der Fauchs Vater war und in den Tiefen des Vulkans lebte, war gewiss nicht zu spaßen. Vor allem aber wusste jedermann seit Pennyflax’ und Shirahs Reise zum Feuerberg, dass man Olf vertrauen konnte und er die Wahrheit sprach, weil er seit vergangenem Sommer kein Fiesling mehr war.
»Aber wie ist denn das alles möglich?«, hauchte Shirah und blinzelte Meister Snagglemint mit furchtsamem Blick an. »Wir haben dem Hexer doch sein Zauberbuch stibitzt … wieso kann der immer noch so gemein sein?«
Der Magiker strich durch seinen langen grauen Bart und krächzte: »Das Böse braucht keine Bücher, um böse zu sein. Sulferion kann vielleicht durch den Verlust seines Zauberbuchs ein paar Formeln nicht sprechen, aber das ändert nix an seiner Boshaftigkeit und dem Verlangen, Rache an seinem Volk, den Elfen zu üben. Denn wie ihr wisst, wurde er vor tausend Jahren aus dem Elfenreich Viancáru verbannt, weil er die Schwarze Magie studierte und Prinzessin Candela Lavendel entführte.« Snagglemint holte Luft und streckte entschlossen seinen Rücken durch. »Kann uns aber Wurst und Käse sein. Die Oberwichtigkeit ist nämlich, dass der Hexenmeister mit seinen Goblintruppen, Feuerkatapulten, Dämonen und seinem Drachen Pyros das Land überrennen und uns unterjochen will!«
Pennyflax hob die Hand. »Ist dieser Unter-Jochen auch so’n Fiesling? Oder wohnt der einfach nur unter Jochen?«
»Kamerrrad!«, schnarrte Minky streng und zog seinen Rotzfaden hoch. »Unterjochen heißt so was wie ›versklaven‹ oder ›zu Dienern machen‹, klarrr?«
»Klarifari«, gluckste Pennyflax, »wusste ich.« Dann wurde er wieder ernst und wandte sich an die Garstinger. »Wenn ihr bleiben wollt, müssen wir unser Dorf vor Sulferions Krieg schützen und zugleich die anderen Völker vor ihm warnen, besonders die Elfen. Würde also vorschlagen, ihr kümmert euch darum, Garstingen zu … dings, äh … zu befestigen und Fallen und Zäune aufzubauen. Und ich latsche mit Fauch zur Oststraße, wo wir bestimmt ’ne Elfenpatrouille aufgabeln, die mich nach Viancáru bringt. Werde dort König Lampion Lavendel mal in die langen Lauscher lispeln, was hier im Westen Eraluvias so abgeht! Abgedingst?«
Während ein Kobold nach dem anderen seine Zustimmung murmelte, tippte Shirah ihrem Freund auf die Schulter. »Brauchst mal nicht zu glauben, dass du dich ohne mich verkrümeln kannst. Ich komme mit dir, weil du unterwegs jemanden brauchst, der Rätsel lösen kann, sich mit Heilkräutern auskennt und flotti jeden Knochenbruch verarzten kann, stimmt’s?!« Sie grinste und machte ihm einen Kussmund.
Pennyflax versuchte gar nicht erst, ihr die Idee auszureden, denn er kannte ihren Dickkopf. Zweitens war er froh, die Reise in das weit entfernte Elfenreich nicht alleine antreten zu müssen, weil dies bestimmt kein Zuckerwatteschlecken werden würde. Da nahm man jede Hilfe an, vor allem die seiner Freundin.
»Aber wie sollen wir das mit der Dorfbefestigung hinkriegen?«, rief ein Garstinger aus der Menge. »Können doch niemals Zäune bauen, die Dämonen, eine Goblinarmee und Drachenfeuer aufhalten!«
Meister Snagglemint schnippte mit den Fingern. »Ha! Mich hat ein Geistesblitz getroffen! Wir brauchen vielleicht gar keinen Zaun … muss aber meine Idee erst noch überprüfen. Doch bis dahin könnt ihr alle was anderes tun!« Flugs beendete er die Versammlung und wies den Garstingern Aufgaben zu. Diese reichten von Vorräte anlegen über Steine sammeln und Holzschaufeln herstellen, bis hin zum Pflücken von Herbstzeitlosen, einer giftigen Blumenart, aus der er ein Zauberelixier brauen wollte. Selbst die Koboldkinder wurden mit dem Basteln von Stinkbomben beauftragt. Danach begleiteten Pennyflax, Shirah, Fauch, Minky und Olf den Alten zurück zu sich nach Hause, wo er ihnen seine Idee erklären wollte.
In seiner Wohnstube stellte sich der Magiker vor eines der Bücherregale, öffnete ein Geheimfach und wedelte mit der Hand darüber. Sekunden später schimmerte die Luft in dem Fach, und aus den Lichtschleiern formte sich ein großes, schwarzes Buch, auf dessen Einband magische Zeichen glühten.
»Verzwurbeldingst, Sulferions Zauberbuch!«, rief Pennyflax. »Hier ist es also!«
Snagglemint nickte. »Hab es versteckt und unsichtbar gezaubert, damit es niemand findet … und damit es nicht abhaut. Es hat nämlich seinen eigenen Willen, müsst ihr wissen. Möchte nur mal rasch reinglubschen, ob meine Idee machbar ist.« Er beugte sich über das Buch, murmelte hin und wieder ein »Aha« oder »So so« oder »Formel-für-famose-Faltenfüße« und ließ irgendwann triumphierend den Zeigefinger auf eine Seite niedersausen. »Heiliger Kugelblitz … das isses! Hab mich richtig erinnert. Es handelt sich um eine Formel, mit der man einen Energieschild beschwören kann, der sich wie eine große Käseglocke über unser Dorf ausbreiten würde. Damit könnten wir Garstingen schützen!«
»Aber ist das nicht gefährlich?«, gab Shirah zu bedenken und rieb sich ihre Stupsnase, weil sie kitzelte. »Ich rieche die Schwarze Magie bis hier. Könnte vielleicht das ganze Dorf zerstören!«
Meister Snagglemint grübelte und krächzte: »Hast natürlich recht. Dürfen beim Beschwören nicht aus dem Buch lesen, sondern müssen die Formel etwas abwandeln, damit sie nicht aus Schwarzmagie entsteht. Das patzige Problem ist aber: Wo kriegen wir stattdessen die Energie für einen so starken Zauber her?«
Keinem fiel etwas ein. Schließlich schwiegen alle bedrückt, denn niemand wollte sich ausmalen, was mit einem ungeschützten Garstingen geschah, wenn tausende Goblins und Dämonen darüber hinwegfegten oder Drachenfeuer darauf niederregnete.
Doch plötzlich grunzte Olf und schlug sich vor die Stirn. »Olf ja blöd wie Strohbohnen! Olf haben super Energiequelle für Zauber dabei, nämlich Glutrubin aus dem Feuerberg!« Der Goblin zog einen hellrot leuchtenden Edelstein von der Größe eines Hühnereis aus seiner Gürteltasche und überreichte ihn Snagglemint.
Pennyflax und Shirah staunten, denn sie wussten, dass Sulferion die Steine in einer Mine des Feuerbergs abbauen ließ, um seine Kriegsmaschinen damit zu betreiben. Keiner der beiden hatte aber damit gerechnet, einen Glutrubin außerhalb der Brennenden Lande zu sehen. Sein Glitzern erhellte den ganzen Raum.
Der alte Magiker murmelte vor sich hin, prüfte den Rubin von allen Seiten und hielt ihn an die Spitze seines Zauberstabes, in die ein grüner Smaragd ins Holz eingelassen war. Als die beiden Steine sich berührten, knallte es plötzlich und ein rotgrüner Lichtblitz flammte zur Decke hoch, wo er ein Loch ins Dach brannte. Die Anwesenden zuckten zusammen, doch Snagglemint verkündete lächelnd: »Perfekt! Sollte mir nun möglich sein, die Formel für unsere Zwecke anzuwenden.«
Pennyflax atmete auf – er konnte beruhigt Vorbereitungen für seinen Aufbruch treffen. »Ich gehe dann mal meinen Rucksack packen«, teilte er Shirah mit, »denn das Elfenreich ist mindestens zwei oder zwölfundachtzig Tagesreisen von hier entfernt. Wir dürfen demnach keine Zeit vertrödeln!«
»Klarifari«, stimmte Shirah zu. »Wir treffen uns in zwanzig Riesenschnaufern bei mir am Gartentor. Und vergiss deine Glühwürmchen-Laterne nicht!«
Er nickte und wollte schon hinaus wetzen, da hielt Minky ihn an der Schulter fest und schnarrte: »Warte, Kamerrrad. Ich würde gerne etwas zur Rettung meiner neun Brüder beitragen, die von den Goblins verrrschleppt wurden. Was hälste davon, wenn ich mitkomme? Falls die Elfen nämlich auf stur schalten, kann ich ein Wörrrtchen in ihrer Muttersprache mit ihnen schwatzen … mein Elfisch ist legendär!«
»Abgedingst!«, jubelte Pennyflax. »Und wenn die Muttersprache nix hilft, probierst du’s mit der Vatersprache.« Sogleich flitzte der Kobold nach draußen auf den Waldweg, kletterte die Leiter seines Wohnbaums hinauf und packte seinen Rucksack. Natürlich dachte er neben seiner Laterne auch an Fauchs Feuersteine, damit der Drachling unterwegs keinen Kohldampf schieben musste. Zuletzt hängte er sich seine Zwille an den Gürtel, die durch eine Verzauberung Meister Snagglemints jeden Stein, den sie verschoss, in eine Hornisse verwandelte. Anschließend eilte er zurück.
Am Mittag trafen sich die drei an der Rauschebachbrücke, um den Garstingern Lebewohl zu sagen. Olf hatte sich bereit erklärt, dazubleiben und bei der Befestigung des Dorfs zu helfen. Er besaß als Goblin nicht nur Erfahrung im Waffen- und Rüstungsschmieden, sondern kannte sich natürlich mit der Kampfstrategie der Grünhäuter aus, weshalb seine Hilfe doppelt so wertvoll war.
Zum Abschied bekam Pennyflax von Meister Snagglemint zwei Dinge geschenkt: Ein Säckchen mit Engelsstaub gegen Schwarze Magie und einen Zauberschlüssel in Form einer Stimmgabel, der zwar nur ein Mal benutzbar war, aber garantiert jede Tür öffnete. Murksipfusch übergab dem Kobold einen Laib selbstgebackenes Steinbrot, das man sogar zur Verteidigung nutzen konnte. Und Schlonzo schenkte Shirah ein Töpfchen mit einem Superkleber namens Buhu, den man sich auf die Fuß- oder Schuhsohlen schmierte und damit selbst auf Glatteis nicht ausrutschte.
Als sich Pennyflax, Shirah und Minky von allen verabschiedet hatten und gerade losmarschieren wollten, hörte die versammelte Mannschaft ein Donnergrollen in der Ferne. Dieses konnte jedoch kaum mit dem Wetter zusammenhängen, da der Himmel nicht nach Gewitter aussah. Vielmehr rumorte der Donner aus dem Nordwesten herüber und klang nach einer Explosion.
Olf deutete zum Horizont, wo ein rotes Leuchten im Herbstnebel aufflackerte, und grunzte: »Vulkan!«
Auch Fauch stieß sein bedrohlichstes Fauchen aus, und da klackerten bei Pennyflax die Münzen: Der Feuerberg war ausgebrochen und schleuderte seine Lava in den Himmel. Verzwurbeldingst, dachte er. Sulferion macht Ernst und lässt Pyros den Drachen aus seinem Thronsaal unterm Berg frei!
Mit einem unheilvollen Gefühl im Nacken verließen die Freunde Garstingen und traten eine Reise an, wie sie noch nie zuvor zwei Kobolde und ein Rotzling angetreten hatten.