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Raphael Wolf starrte auf seine Krawatte. Er hasste es, wenn er dieses Kleidungsteil anlegen musste, weil es ihn seiner Meinung nach einengte, ihm einen Teil seiner persönlichen Freiheit nahm. Im Grunde hielt er es auch für einen Ausdruck der Zugehörigkeit zu einem verlogenen Bürgertum, einer Gesellschaftsschicht, die sich gegenseitig an Spießigkeit zu übertreffen versuchte. Doch letztlich unterwarf auch er sich diesen Zwängen, wenn er die Notwendigkeit darin sah. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Im Grunde verhielt er sich damit nicht anders, als die meisten Bürger dieser Stadt. Und wenn er ehrlich war, genoss er es auch, sich auf diese Art zu kleiden, da er nur dann einen Blick hinter der Maske aus Verlogenheit und Selbstgefälligkeit erhielt.

Mit einem leisen Seufzer der Ergebenheit schlug er den Hemdkragen hoch und band sich die Krawatte um. Zu seiner Überraschung gelang ihm der Knoten auf Anhieb und auch die Länge des breiteren Endes reichte präzise bis zu seinem Gürtel. Es verdeckte, wie vorgeschrieben, das schmale Ende, das er in eine kleine Schlaufe zog. Zufrieden betrachtete er das Ergebnis im Spiegel. Bis auf den Bund seiner Hose, der ein wenig zu eng um seine Hüften lag, da er in den vergangenen Monaten ungefähr zwei Kilos zugenommen hatte, saß der Rest des Anzuges perfekt und verlieh ihm eine seriöse Erscheinung. Vielleicht sollte er ihn doch häufiger tragen.

Raphael wandte sich vom Spiegel ab, betrachtete für einen Moment seine Dienstwaffe, ehe er sie vom Tisch nahm und in das dafür vorgesehene Holster schob. Eigentlich würde er sie nicht benötigen, da er auf einen Empfang des Ministerpräsidenten eingeladen war. Aber ohne die SIG Sauer fühlte er sich nackt. Das Sicherheitspersonal würde nicht begeistert sein, wenn er bewaffnet erschien, aber ein Mal in seinem Leben war er ohne Waffe zu einem harmlosen Treffen gegangen und in große Schwierigkeiten geraten. Einen derartigen Fehler würde er nicht wiederholen. Er fragte sich schon, seit er die Einladung erhalten hatte, warum ausgerechnet er zu diesem Empfang im Rathaus erscheinen sollte. Er verstand, dass Frank Sandmann in seiner Funktion als Polizeipräsident, Kriminaldirektor Ralf Schuster und Kriminalrat Albert Gehrmann geladen worden waren, aber Wolf war nur der Leiter des Kommissariats Elf und nach seiner Meinung weder gesellschaftlich noch politisch wichtig genug, um auf dieser Veranstaltung erscheinen zu müssen. Als Wolf zu Gehrmann geeilt war, um ihm mitzuteilen, dass er die Einladung dankend ablehnen würde, hatte Gehrmann ihn nur angeschaut und erklärt, dass Wolfs Erscheinen von ganz oben angeordnet worden sei.

Raphael fragte sich, warum Sandmann ihn unbedingt im Rathaus sehen wollte. Gehrmann hatte ihm keine Erklärung geben können, da auch er den Grund nicht kannte. Wolf biss sich auf die Unterlippe, schnappte sich den Autoschlüssel und eilte zu seinem Wagen. Es gab nur eine Möglichkeit seine Neugier zu stillen. Er musste auf den Empfang gehen.

Raphael stellte seinen Wagen in dem Parkhaus ab, das an das Rathaus angrenzte und schritt über den Hof zum Hintereingang des Gebäudes. Mühelos erreichte er den Sitzungssaal der Stadtverordneten, aus dem bereits ein beachtlicher Stimmenwirrwarr in den Gang hallte. Bevor er eintreten konnte, hielt ihn allerdings jemand am Arm fest.

„Gut, dass ich Sie hier schon antreffe“, erklang eine Stimme neben seinem Ohr. Überrascht sah sich Raphael dem Leiter der Kriminaldirektion von Nordhessen gegenüber, der ihn vertraulich ein Stück beiseitezog. Er war über diese Geste so verwundert, dass er Folge leistete.

„Sie müssen entschuldigen, dass ich Sie so überfallartig abfange, aber ehe der Ministerpräsident und der Oberbürgermeister ihre Ansprachen halten, würde ich gerne für einen Augenblick Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen“, fuhr Ralf Schuster fort. Er hatte die Nachfolge von Siegfried Weinrich angetreten, der vor drei Jahren in Pension gegangen war.

Raphael hob die Augenbrauen und musterte den Polizeipräsidenten. Im Gegensatz zu Weinrich besaß Schuster eine drahtige Gestalt, bei der sein Anzug beinahe eine Nummer zu groß wirkte. Die dunklen Haare waren kurz geschnitten und unter der Nase prangte ein breiter Schnurrbart, der nach Wolfs Ansicht seit Jahrzehnten aus der Mode gekommen war. Schuster war vor der Amtsübernahme Polizeipräsident von Magdeburg gewesen. Gerüchte, die nicht verstummen wollten, behaupteten, dass er den Posten in Kassel aufgrund seiner guten Beziehung zum hessischen Ministerpräsidenten und nicht wegen seiner Kompetenzen erhalten hatte. Sie sollten schon seit den Kindertagen enge Freunde sein. Letztendlich war es Wolf gleichgültig, ob die Gerüchte zutrafen. Er selbst strebte nicht nach diesem Amt und die berufliche Zusammenarbeit mit Schuster war bisher problemlos verlaufen. Persönlich trafen sie nur selten aufeinander, da Kriminalrat Albert Gehrmann Wolfs direkter Vorgesetzter war.

Mit einer Mischung aus Interesse und Verwunderung folgte er dem Kriminaldirektor den Gang hinab, der zum Ostflügel führte. Sie bogen um eine Ecke, ehe Schuster vor einer Tür stehen blieb. Er drückte die Klinke nach unten, drehte sich zu Wolf um und streckte den rechten Arm aus. „Bitte, treten Sie ein.“

Raphael schob sich an Schuster vorbei in den Raum. Irritiert blieb er vor einem wuchtigen Schreibtisch stehen. Am Fenster stand mit dem Rücken zu ihm ein hochgewachsener Mann, der auf die Wilhelmsstraße hinabsah. Er trug einen dunkelblauen, maßgeschneiderten Anzug. An seinem linken Handgelenk schimmerte eine goldene Armbanduhr. Seine silbernen Haare verstärkten im Licht der Sonne die elegante Erscheinung des Mannes.

Neben dem Schreibtisch stand ein weiterer, deutlich jüngerer Mann, dessen Anzug zwar nicht von einem Schneider stammte, aber eindeutig von hochwertiger Qualität war, die man in jedem gut sortierten Kaufhaus vorfinden konnte. Seine schwarzen Haare hatte er auf der rechten Seite mit einem Scheitel versehen, der ihn älter wirken ließ. In den Händen hielt er einen schlichten Ordner und ein Tablet.

Als Schuster die Tür schloss, drehte sich der Mann am Fenster um. Wolf zog die Augenbrauen hoch, obwohl er den Ministerpräsidenten von Hessen bereits an seiner außergewöhnlichen Haarpracht erkannt hatte. Matthias Richter übte seit vier Jahren das politische Amt des Regierungschefs aus. Und er besaß gute Chancen, bei der nächsten Landtagswahl, bei dem seine Partei die Mehrheit der Sitze erreichen würde, wiedergewählt zu werden.

In seinen blauen Augen blitzte Belustigung auf, als er um den Schreibtisch herumschritt und Wolf die Hand entgegenstreckte, die dieser mit einem begrüßenden Nicken ergriff. Ein breites Lächeln umspielte für einen Augenblick die Lippen des Ministerpräsidenten.

„Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Hauptkommissar Wolf“, erklärte Richter. „Sie fragen sich bestimmt, warum Sie zu mir gebracht wurden?“

„In der Tat“, erwiderte Raphael und musterte Richters Gesicht. Einen Herzschlag lang glaubte er, einen Hauch von Schmerz in der Miene des Ministerpräsidenten zu sehen.

Richter deutete auf den jungen Mann. „Darf ich Ihnen zuerst Thomas Cordes vorstellen, Herr Wolf. Er ist ein enger Mitarbeiter und Vertrauter. Ich würde ihn sogar als einen Freund bezeichnen, soweit man in der Politik Freunde haben kann. Wir kennen uns seit vielen Jahren kenne und im Gegensatz zu zahlreichen anderen Mitarbeitern ist er absolut loyal.“

Wolf sah interessiert zu Cordes. Offenbar musste er seine Einschätzung über ihn revidieren, da er aufgrund dessen jugendlichen Aussehens angenommen hatte, dass es sich um einen einfachen Sekretär der Partei handelte. Scheinbar war er doch weit mehr als ein schlichter Adjutant. Schließlich musste Wolf sich eingestehen, dass er keineswegs alle Minister, Staatssekretäre und hohe Beamte des Landes kannte. Cordes hob kurz den Kopf, nickte ihm zu, um sich sofort wieder seinem Tablet zu widmen.

Richter wandte sich erneut Raphael zu. „Ich habe meinen Studienfreund gebeten, während meines kurzen Aufenthaltes hier in Nordhessen ein privates Treffen zu arrangieren. Zuerst wollte ich mich an Sandmann wenden, aber im Gegensatz zu meinem Innenminister bin ich nicht gerade von seinen Fähigkeiten überzeugt. Außerdem soll dieses Treffen kein Aufsehen erregen. Und aus diesem Grund bat ich Ralf, Sie während dieses Empfanges einzubestellen. Es halten sich im Rathaus so viele hochrangige Persönlichkeiten der Stadt auf, dass wohl kaum einer der Presseleute Ihrer Anwesenheit eine größere Bedeutung zuordnen wird.“

Nach einer kurzen Pause fuhr der Ministerpräsident fort: „Es gibt ein Problem, bei dem ich die Hilfe eines Beamten benötige, der die Fähigkeit besitzt, unauffällig und effizient zu ermitteln. Und auf der Suche nach einem geeigneten Mann, bin ich auf Ihren Namen gestoßen, Herr Wolf. Nicht nur Kriminaldirektor Schuster, sondern auch Kriminalrat Gehrmann sind voll des Lobes über Ihre Arbeit in Kassel. Besonders Gehrmann hat Ihre erfolgreiche Jagd auf den ‚Propheten‘ hervorgehoben. Aber nicht nur diese Aussagen haben mich überzeugt“, deutete Richter an, ohne näher darauf einzugehen, worauf er sich bezog. „Bevor ich sie jedoch mit diesen Dingen zu langweilen beginne, will ich mit meinem eigentlichen Anliegen herausrücken.“

Matthias Richter drehte sich kurz zu Cordes um, der ihm die Akte reichte. Er holte ein Foto hervor, das er Wolf weitergab.

Raphael musterte ausgiebig den Abzug in DIN A4-Größe, auf dem eine junge Frau abgebildet war. Er neigte den Kopf. Die Ähnlichkeit mit dem Ministerpräsidenten war unverkennbar. Sie verfügte über sanfte Gesichtszüge und in ihren dunklen Augen lag ein melancholischer Ausdruck.

„Sie sehen darauf meine älteste Tochter Anja“, sagte Richter. Er machte eine Pause und holte tief Luft. „Sie ist in Gefahr, denn sie wird bedroht. Jedenfalls ist das meine persönliche Einschätzung.“

„Was bringt Sie dazu?“, hakte Raphael nach. „Sie haben meine ungeteilte Aufmerksamkeit.“

Richter griff erneut in die Akte und holte ein gefaltetes DIN-A4-Blatt hervor und streckte es wortlos Wolf entgegen.

Raphael griff zu und faltete es auseinander. Aufmerksam las er den einzigen Satz, der darauf stand:

Meiner einzigen Liebe ist großer Hass entsprungen.

Als er wieder aufsah, hatte sich über seiner Nase eine kleine Falte gebildet. „Ich kann auf den ersten Blick darin keine konkrete Bedrohung für Ihre Tochter erkennen. Jedenfalls wird sie mit keinem Wort erwähnt und der Satz ist recht diffus formuliert. Wirkt beinahe poetisch, etwas altertümlich.“

Richter nickte bestätigend. „Das habe ich auch gedacht. Bis ein weiterer Brief eintraf.“ Er griff ein drittes Mal zwischen die Aktendeckel und zog ein weiteres Blatt hervor.

Raphaels Stirnrunzeln vertiefte sich, als er den Satz las:

Einmal muss jeder sterben.

„Das ist eindeutig“, gab er zu.

„Dies war auch mein Gedanke“, stimmte Richter zu. „Und seitdem bin ich in großer Sorge. Diese Schreiben wurden nicht per Post zugestellt, sondern irgendwann in den Briefkasten meines Privathauses eingeworfen. Der Unbekannte weiß also, wo meine Familie wohnt. Und diese Briefe waren an Anja adressiert, an niemanden anderen aus meiner Familie.“

„Warum Ihre Tochter? Warum bedroht der Unbekannte nicht Sie?“, hakte Wolf nach.

Richter zuckte mit den Schultern. „Ich kann es mir nicht erklären. Es gibt nichts, was meine Tochter getan hat, was sie zur Zielscheibe machen würde.“

„Es wäre also auch nicht auszuschließen, dass sich jemand auf diesem Weg an Ihnen rächen will“, äußerte Wolf.

Der Ministerpräsident zögerte, ehe er antwortete: „Nein. Keineswegs, aber ... trotzdem erscheint es mir unwahrscheinlich. Ich habe mir mit Sicherheit während meiner politischen Karriere genügend Feinde gemacht, aber die würden sich nicht auf diese Weise an mir rächen.“

Wolf starrte auf die beiden Blätter. „Ich bin kein Psychologe, aber aus diesen Sätzen schimmert etwas Persönliches heraus. Liebe und Hass deuten schon auf starke Gefühle hin. Möglicherweise hat Ihre Tochter jemanden abgewiesen oder verletzt, der jetzt Vergeltung an ihr üben will. Sie haben die Briefe bestimmt untersuchen lassen?“

„Das ist richtig“, sagte Richter, „aber leider erfolglos. Auf den Briefen und den Umschlägen waren nur die Abdrücke meiner Familie und von mir vorhanden.“

Raphael fuhr sich über die Lippen. Dieses Ergebnis war kein gutes Zeichen. Es deutete darauf hin, dass der Unbekannte sehr genau zu wissen schien, wie er vorgehen musste, um unerkannt zu bleiben.

„Ich nehme an, dass an Ihrem Haus Sicherheitskameras angebracht sind?“, drückte Wolf eine schwache Hoffnung aus, die Richter sofort zerstörte.

„Es gibt zwar Kameras, aber die haben nichts aufgezeichnet, da die Übertragung gestört wurde.“ Richter breitete die Hände aus. „Ich habe natürlich sofort die Anlage überprüfen lassen, aber man konnte keine Manipulation feststellen. Jemand muss die Funkübertragung von außen gestört haben.“

„Dann haben wir es mit einen technisch versierten Mann zu tun“, mutmaßte Raphael, „wobei ich nicht ausschließen kann, dass auch eine Frau hinter diesen Briefen stecken könnte.“

Richter schüttelte langsam den Kopf. „Das glaube ich nicht. Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen. Es muss ein Mann sein.“

Raphael ahnte, dass er den Ministerpräsidenten von seiner Meinung nicht abringen konnte. „Es klingt, als hätten Sie jemanden in Verdacht?“

„Ich möchte niemanden beschuldigen, aber es kommt schon eine Person in Frage, aber es ist nur ein Gefühl. Verlangen Sie daher keine Erklärung von mir.“

„Wer ist es?“

Richter zögert kurz, ehe er sagte: „Ihr Freund. Christoph Kehl.“

Wolf verschränkte die Arme vor der Brust. „Warum sollte ausgerechnet ihr Freund sie bedrohen. Hat sie ihn verlassen?“

„Nein, das nicht“, erwiderte Richter. „Im Grunde sehen sie sich sogar sehr selten. Ich habe den Verdacht, er hätte gerne eine festere Beziehung, was sie wohl bisher immer abgelehnt hat. Und wer soll bei der jungen Generation hinsichtlich ihrer Einstellung zu Heirat und Ehe schon durchblicken. Bisher zeigt sich keines meiner Kinder dazu bereit. Aber ich schweife ab. Dieser Christoph hat in meinen Augen etwas an sich, das ich nicht einschätzen kann. Und glauben Sie mir, ich besitze eine gute Menschenkenntnis. Doch Christoph Kehl ist für mich zu undurchsichtig.“

Raphael unterdrückte ein Grinsen. Für ihn war das kein Grund, Kehl als Hauptverdächtigen zu betrachten. „Sie haben ihn bestimmt überprüfen lassen.“

„Das stimmt“, gab Matthias Richter unumwunden zu. „Es gibt aber keine Auffälligkeiten. Er trinkt nicht, er raucht nicht, er geht selten aus. Er ist ... einfach ein unauffälliger Typ. Und genau das macht ihn für mich verdächtig.“

Raphael schürzte die Lippen. „Schön, lassen wir das mal beiseite. Gibt es noch irgendetwas, was Sie veranlasst, die Bedrohung für Ihre Tochter ernst zu nehmen?“

Richter tauschte einen kurzen Blick mit Cordes aus, der Wolf keineswegs entging. Der Ministerpräsident klopfte mit der Akte gegen sein linkes Bein.

„Wir können es nicht beweisen, aber ich bin davon überzeugt, jemand ist in mein Büro zu Hause eingedrungen und hat meinen Computer benutzt. Es fehlt nichts und das Ereignisprotokoll weist keine Unregelmäßigkeit hinsichtlich eines Anmeldeversuchs auf.“ Er hob die rechte Hand. „Bevor Sie dies erneut als Nebensächlichkeit abtun, muss ich Ihnen erklären, dass mein Rechner für meine Familie tabu ist. Niemand darf ihn benutzen und auch das Arbeitszimmer während meiner Abwesenheit nur aus einem wichtigen Grund betreten. Es ist mein Heiligtum, mein Refugium, in das ich mich zurückziehe, wenn ich völlig ungestört sein will.“

„Was hat dann Ihren Verdacht geweckt, dass jemand Ihr Büro unerlaubt betreten haben könnte?“, fragte Wolf.

„Ich bin ein Pedant. Ein Ordnungsliebhaber, wenn man es nett formulieren will. Bei mir liegt alles an seinem Platz. Und als ich nach längerer Abwesenheit mein Büro betrat, habe ich sofort gesehen, dass jemand darin war. Ein Stift befand sich nicht mehr an der Stelle, an der ich ihn hingelegt hatte. Selbst meine Putzfrau würde es nicht wagen, die Sachen zu verrücken.“

Raphael verzog keine Miene. Er hatte schon von den seltsamsten Macken vernommen, die Menschen besaßen. Daher gab es keinen Grund, warum er im Augenblick an den Worten des Ministerpräsidenten zweifeln sollte.

Er holte tief Luft. „Sie haben mir zwar deutlich erklärt, warum Sie mit mir sprechen wollten, aber bisher ist mir noch nicht ganz klar, was Sie von mir wollen. Erwarten Sie, dass ich die Ermittlungen aufnehme? Ich glaube, dafür gibt es fähigere Kriminalbeamte.“

Matthias Richter beugte den Oberkörper vor. In seinen Augen lag ein stechender Blick.

„Hauptkommissar Wolf“, begann er. „Ich erwarte nicht, dass Sie in dieser Angelegenheit nur ermitteln. Jedenfalls nicht in erster Linie. Nein, ich erwarte, dass Sie meine Tochter beschützen.“

Rosenblut

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