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Modell
ОглавлениеModelle sind immer Vereinfachungen der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist beliebig komplex und kann nicht direkt oder gar vollständig erfasst werden. Ein Modell konzentriert sich je nach Bedarf auf bestimmte Einzelaspekte und lässt andere weg. Der Verzicht auf Komplexität ermöglicht einen besseren Überblick, es kommt Information zum Vorschein, die zuvor durch die Menge anderer Informationen verdeckt war. Ein nichtmedizinisches Beispiel ist der Vergleich einer Stadt mit verschiedenen Arten von Stadtplänen, z. B. einem Straßenplan oder einem Netzplan des öffentlichen Nahverkehrs. Jeder Plan ist unter bestimmten Gesichtspunkten zweckmäßig oder nicht, es gibt aber kein Globalkriterium, um gute von schlechten Plänen zu unterscheiden. Eine Kritzelei auf einem Bierdeckel kann manchmal genügen. Ein Modell kann niemals genau zutreffen, aber es kann falsch sein. Meistens ist es mehr oder weniger zweckmäßig.
Abb. 4: Biomedizinisches Krankheitsmodell
Das biomedizinische Krankheitsmodell ( Abb. 4) konzentriert sich auf den Zustand des Organismus. Es rechnet mit einer relativ klaren Erkennbarkeit und Klassifizierbarkeit von Krankheiten. Unterschiedliche Krankheiten lassen sich demnach klar voneinander abgrenzen und anhand spezifischer Symptome bzw. Symptomkombinationen definieren und erkennen. Ein zentrales Instrument der modernen Biomedizin ist das ICD der WHO, ein umfassender Katalog der offiziell anerkannten Krankheiten ( Kap. 3.4). Krankheit ist ein Defekt des Organismus und beeinträchtigt dessen Funktion. Im Idealfall wird ein biologisch-physiologischer Krankheitsmechanismus entdeckt, der dann als Ansatz für eine Therapie dient – eine Infektion mit einem speziellen Krankheitserreger, der Verschleiß von Organen oder Gewebe, eine Fehlfunktion im Wachstum von Zellen u. v. a. Eine medizinische Intervention erfolgt, wenn die Selbstregeneration des Organismus überfordert ist oder das Subjekt, die soziale Umwelt oder das medizinische Personal nicht warten wollen.36 Ziel ist primär die Heilung im Sinne einer Beseitigung des Defekts und einer Wiederherstellung der vollen Funktion des Organismus. Wenn das nicht möglich ist, steht die Lebensqualität des Patienten bzw. der Patientin im Vordergrund. Heilung ist dann die Reparatur des Defekts oder dessen Umgehung, Überbrückung, Verschiebung (räumlich oder zeitlich).
Eine typische Symptomkombination, für die (noch) kein Krankheitsmechanismus erkannt ist, wird als Syndrom bezeichnet. Es kann vorkommen, dass einem Syndrom verschiedene Krankheiten zugrunde liegen, die sich oberflächlich ähneln. Diese werden getrennt, sobald die Krankheitsmechanismen unterschieden werden können.