Читать книгу Blutrausch - Andreas M. Sturm - Страница 11
Dienstag, 17.10 Uhr
ОглавлениеGlücklich kniff Patricia die Augen zusammen und lächelte. Der Abend versprach wunderschön zu werden. Eigentlich schade, dachte sie ein wenig wehmütig, dass ich mich nicht auf meinen kleinen Balkon setzen und bei einem Glas Roten die Dämmerung genießen kann. Verdient hätte ich es, nach der Schinderei im Fitnesscenter. Doch sie tröstete sich schnell, die Nacht würde auch so lustig werden.
Mit der Sonne um die Wette strahlend, bückte sie sich zu ihrem Fahrrad, öffnete das Schloss und radelte los. Vor zwei Tagen hatte sie die Annonce im Supermarkt entdeckt, kurzerhand die angegebene Nummer gewählt und war nur wenige Stunden später stolze Besitzerin eines flotten Drahtesels geworden. Patricia lächelte stolz. Drahtesel, was für tolle Vokabeln sie inzwischen beherrschte. Ihr Deutsch wurde von Tag zu Tag besser.
Sie konnte sich nicht beschweren. Alle Projekte, die sie in den letzten sechs Monaten angepackt hatte, haben sich zu Senkrechtstartern gemausert.
Vor drei Jahren war Patricia von Brighton nach Dresden gezogen. Hatte ihr Architekturstudium begonnen und es vor einem halben Jahr abgebrochen. Sie weinte dem Campus keine Träne nach. Das Entwerfen von Gebäuden hatte ihr nicht wirklich Spaß gemacht, ihr zu Beginn als Nebenerwerb geplantes Kellnern dagegen schon. Jeden Abend lernte sie in der Bar neue Leute kennen, jeden Abend neues Leben, neue Geschichten. Patricia fühlte sich wie geschaffen für diese bunte Welt. Die Trinkgelder, die sie allabendlich einstrich, waren okay und von der Aushilfe war sie zur fest angestellten Kellnerin aufgestiegen. Sie konnte sich eine eigene Wohnung leisten, der WG den Rücken kehren und obwohl ihr Nest noch nicht fertig eingerichtet war, fühlte sie sich pudelwohl.
Ein ihr mit Blaulicht entgegenkommender Wagen ließ sie am Straßenrand anhalten. Sie blickte verwundert hinterher. Tatsächlich, die Polizei bog in ihre Straße ein. Was können die in dem friedlichen Viertel nur wollen? Am liebsten hätte sie kehrtgemacht und nachgesehen. Aber das konnte sie vergessen, sie war ohnehin viel zu spät.
Den Muskelkater ignorierend, trat sie kräftig in die Pedale, rief einer Nachbarin ein fröhliches »Hallo« zu und vergaß den Streifenwagen. Es gab wichtigere Dinge, bekam sie doch heute endlich die Gelegenheit, der Welt ihren neuen Sommeroverall zu präsentieren. Auch gab ihr die lange Fahrt zur Arbeit die Möglichkeit, ein wenig ihren Träumen nachzuhängen. Und davon hatte Patricia jede Menge. Sobald sie genügend Geld auf die hohe Kante gelegt hatte, wollte sie eine Ausbildung zum Sommelière beginnen. Patricia schmunzelte vergnügt. Später war vielleicht, mit einem Spritzer Glück, ein eigenes feines Weinrestaurant für sie drin.
Ja, das Leben meinte es gut mit ihr und Patricia war sich sicher, sollte eine Wahrsagerin zu ihrer Zukunft eine Kristallkugel befragen, würde diese rosarot aufglühen.