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Dank der Berufsmaturität wird das Bildungssystem durchlässiger.

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Die Berufsmaturität gilt als Paradepferd der neueren Schweizer Bildungslandschaft. Zuweilen erwartet man ungemein viel von ihr. Als eine Art eierlegende Wollmilchsau soll sie alles leisten, was an Forderungen an die Bildung herangetragen wird: vom Upskilling bis zur Integration. Man meint, sie ächzen zu hören unter diesem Erwartungsdruck. Dabei ist sie ein eher filigranes Konstrukt: Von Beginn weg musste sie die Doppelbelastung von Schule und Arbeit im Betrieb stemmen. Es gilt, von den Jugendlichen, die diesen Weg wählen, nicht Übermenschliches zu erwarten. Ist die Berufsmatura ein Murks? Ja und nein. Ja insofern, als sie eine Doppelbelastung darstellt. Man kann sich an die eigene Jugendzeit, die eigene Lehre erinnern, vermutlich hätten viele das nicht stemmen können. Nein insofern, als der duale Bildungsweg geschätzt wird. Viele Jugendliche nehmen lieber eine zusätzliche Belastung in Kauf, als länger die Schulbank zu drücken. Andere wissen schlicht nicht, was auf sie zukommt. Aber: Wenn der duale Weg eher akzeptiert wird als ein vollschulisches System, kann man die Beliebtheit dieses Bildungswegs nutzen.

Für sozial schwächere Familien beziehungsweise deren Kinder ist die Berufsmaturität ein Weg und Mittel zum Aufstieg. Doch was ist sie für Akademiker*innenfamilien? Wie wird sie zur echten Alternative? Was braucht es, dass auch sie diesen Weg für ihre Jugendlichen in Betracht ziehen? Man kann den Akademiker*inneneltern Vorurteile, Bildungsdünkel und Unkenntnis des Schweizer Bildungssystems vorwerfen. Das ist aber keine so gute Strategie. Ein besseres Argument ist die Durchlässigkeit. Die Architekt*innen des dualen Bildungswegs haben das früh erkannt. «Kein Abschluss ohne Anschluss» lautet die Formel. Die Möglichkeit, vom dualen jederzeit auf den akademischen Weg wechseln zu können, kann für Akademikerfamilien ein entscheidendes Argument sein. Nach der Berufsmatura kann man über die Passerelle an die Universität wechseln. Auch nach der Fachhochschule ist das möglich. Zwar sind diese Wechsel mit Aufwand verbunden und das Vertrösten, Bildung könne mit dreissig oder vierzig Jahren immer noch nachgeholt beziehungsweise ausgebaut werden,[29] ist nicht unproblematisch. Doch allein die Möglichkeit ist von zentraler Bedeutung. So können Richtungsentscheidungen später im Leben revidiert werden – und zwar auf beide Seiten. Profan ausgedrückt: Wenn Akademiker*inneneltern fürchten, ihre Kinder an die Welt der dualen Bildung zu verlieren, besteht doch die Hoffnung, dass sie später, falls sie möchten, zurückkehren können zur akademischen Bildung. Man mag lächeln über ein solches Argument. Doch es ist wichtig. Hinzu kommt: Nicht alle Jugendlichen schaffen den Sprung ins Gymnasium. Die Berufsmaturität bietet auch jenen echte Bildungskultur, die den dualen Weg nicht freiwillig antreten.

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