Читать книгу Wie Transfer gelingt (E-Book) - Andreas Schubiger - Страница 10

Louises Welten

Оглавление

«Verdammt!» Louise steht im Badezimmer vor dem Spiegel, die Türe hinter sich geschlossen und draussen herrscht unheimliche Stille. «Das bin doch nicht ich», sagt sie sich immer wieder und schaut in den Spiegel. Sie schämt sich.

Dabei hat der Abend wunderbar begonnen. Von der Arbeit heimgekommen findet sie ihre beiden Vorschulkinder in ihrem Spielzimmer vor und ihr Mann Charles überrascht sie mit einem vorbereiteten Nachtessen. Weil sie aber etwas später als vereinbart zuhause eintrifft, ist ihr Mann schon etwas nervös. Er sollte eigentlich schon weg sein! Er arbeitet im Gastroeventbereich und hat einen Abendtermin. Seine Angespanntheit und die Enttäuschung über die Unpünktlichkeit ist ihm im Gesicht abzulesen.

Und dann beginnen sich die Kinder zu zanken, Charles äussert dazu einen kleinen Vorwurf und die Situation nimmt ihren Lauf: Louise empört sich, wirft ihrem Mann fehlende Flexibilität und mangelndes Einfühlungsvermögen in das Leben einer arbeitenden Frau vor und schreit zuallerletzt ihre Kinder an, die erschrocken erstarren. Die Türe schlägt zu und Charles hat das Haus verlassen. Das Abendessen bleibt auf dem Tisch stehen und Louise verkriecht sich weinend ins Bad. «Das bin doch nicht ich!», sagt sie sich immer wieder.

Louise ist promovierte Sozialpädagogin und leitet ein Institut für Kommunikation und Konfliktmanagement an der Hochschule. Dabei gestaltet sie auch erfolgreich diverse Seminare zu oben genannte Themen für angehende Sozialpädagogen. Sie lehrt nicht nur gewaltfreie Kommunikation, sondern bearbeitet in den Seminaren auch schwelende Konflikte der aktuellen Kursgruppe, indem sie das vorlebt, was sie lehrt. Von den Studierenden wird diese Authentizität immer wieder gelobt. Im letzten Jahr hat sie für ihre Leistung den Lehrpreis der Hochschule gewonnen.

Und jetzt diese Situation. Hundertmal hat sie schon ähnliche Situationen in ihrer Arbeit bewältigt: achtsame Kommunikation, zuhören, statt vorwerfen, konfliktdeeskalierende Verhaltensweisen anwenden und beobachten, statt bewerten. Nichts von dem hat sie heute Abend – und die vielen Male in ihrem Privatleben zuvor – aus ihrem Repertoire hervorgeholt.

Wiederholt schaut sie in den Spiegel: «Ich bin doch nicht dieser Mensch?»

Wie Transfer gelingt (E-Book)

Подняться наверх