Читать книгу Wie Transfer gelingt (E-Book) - Andreas Schubiger - Страница 7

Anitas Mathefrust

Оглавление

«Endlich verstehe auch ich die Mathematik», denkt sich Anita. Sie besucht eine höhere Fachschule für Technik und sitzt in der Mathematikstunde. Eigentlich mochte sie Mathematik. Aber irgendwie ist es ihr nie gelungen, den tieferen Sinn zu verstehen. Sekundarlehrer Hoffmann meinte jeweils etwas zynisch: «Ja, entweder man hat es oder man hat es nicht», wenn sie ratlos über Algebraaufgaben brütete.

Den tieferen Sinn hat sie noch immer nicht gefunden. Doch ihr aktueller Mathelehrer Müller zeigt der Klasse Schritt für Schritt, wie die Aufgaben zu lösen sind, und gibt ihr (der Klasse) eine Menge von Übungsmöglichkeiten gleichartiger Aufgaben. «Lineare Gleichungssysteme mit drei Unbekannten», hört sich ziemlich kompliziert an. Erstmals in ihrem Mathematikleben löst Anita selbständig und mit Sicherheit ihre Mathematikaufgaben. Sie hat von ihrer Lehrperson zwei Verfahren zur Auflösung des Gleichungssystems mit Musterbeispielen erhalten. Mit Leichtigkeit löst sie Aufgabe für Aufgabe, löst fleissig nach x, y und z auf, und die eine oder andere Aufgabe erklärt sie stolz anderen Mitstudierenden. Die Klassenarbeit schliesst sie fast mit einer Höchstnote ab.

Drei Monate später im Fach Elektrotechnik werden in der Gleichstromlehre Maschensatz und Knotenregel besprochen. Na ja, eigentlich hatte sie diese beiden Gesetze ja schon von der Elektroinstallationslehre gekannt. Die Fachlehrerin fordert die Klasse auf, mit Hilfe des Maschensatzes und Knotensatzes drei Gleichungen für die unbekannten Ströme aufzustellen – mit der Nebenbemerkung, dass sie ja schliesslich vor drei Monaten bei Kollege Müller die Gleichungssysteme mit drei Unbekannten bereits behandelt hätten. Was hat jetzt dies mit der Mathematikstunde von Müller zu tun, denkt sich Anita, sie ist nicht allein mit diesem Gedanken. Unruhe und Unverständnis breitet sich in der Klasse aus. Mutig meldet sich Horst und meint, dass sie dergleichen noch nie in der Mathematik behandelt hätten. Etwas genervt stellt die Fachlehrerin an der Wandtafel die drei Gleichungen auf. «Wenn doch innerhalb einer Masche die Summe der Spannungen Null ergeben soll, dann ergibt dies doch mit der Ohmschen Regel U = R * I und den zwei Maschen zwei Gleichungen. Und die dritte Gleichung? Ist doch auch logisch, dass wir hier die Knotenregel nehmen und die Summe der Ströme ebenfalls Null ergeben muss», führt die Fachlehrerin leicht genervt aus und schreibt auf der Wandtafel mit.

Da stehen sie da, die drei Gleichungen für die drei Ströme mit weiteren Formvariablen R und U. «Ist ja wohl nicht so schwierig», äussert sich die Lehrerin zunehmend erleichtert. Die Klasse schmunzelt. «So und jetzt lösen Sie das Gleichungssystem nach den drei unbekannten Stromstärken auf!», fordert die Fachlehrerin die Klasse auf.

Wieder geht ein Raunen der Ratlosigkeit durch die Klasse – und der Klassensprecher Horst meint auch diesmal, dass sie solche Gleichungssysteme noch nie aufgelöst hätten.

Endlich, die Stunde ist zu Ende. In letzter Minute werden noch die Hausaufgaben erteilt: zehn Gleichstromnetzwerkberechnungen bis zur nächsten Woche.

Anita hat keine Chance. Sie muss ihre Freundin zur Hilfe nehmen. Sie zeigt ihr, dass dies ja eigentlich die gleichen Aufgaben sind wie die Gleichungssysteme mit x, y und z und sie diese nur nach den drei Strömen auflösen muss. Jetzt ist alles klar.

Die Erleichterung ist von kurzer Dauer. Eine vergleichbare Tragödie ereignet sich ein halbes Jahr später im Fach Mechanik, wo die Klasse in der Mechanik ähnliche Gleichungen nach den fehlenden Kräften auflösen muss.

Wie Transfer gelingt (E-Book)

Подняться наверх