Читать книгу Love Crash - Der Traum vom Neubeginn - Andreas Suchanek - Страница 4
ОглавлениеDie Fliege war schuld.
Nur für eine Sekunde war Julie abgelenkt, folgte dem winzigen Tier mit ihrem Blick, obwohl sie auf einem Fahrrad saß, das zwischen Autos und Bordstein entlangraste.
Und da stand er.
Direkt vor dem Coffeeshop an der 129. Straße, einen Pappbecher in der Hand. Seine Augen schienen in der aufgehenden Sonne zu leuchten wie flüssiges Quecksilber, in das jemand goldene Sprenkel gegossen hatte. Das braune Haar war so zerzaust, als sei er direkt aus dem Bett gefallen, das Shirt spannte über seinen Schultern. Um die linke verlief ein hellbrauner Gurt, an dem eine Ledertasche auf Hüfthöhe hing.
Ihre Blicke trafen sich und die Welt stand still.
Das Sonnenlicht fiel auf die Ladenfront. Hinter den deckenhohen Fenstern unterhielten sich Studenten. Einige kannte sie aus gemeinsamen Vorlesungen, sie warteten in der Schlange, um ihren morgendlichen Kaffee abzuholen, und gähnten bei vorgehaltener Hand. Auf dem Gehsteig eilten Anzugträger an Mechanikern vorbei, schoben Nannys die Kinderwagen mit den ihnen anvertrauten Sprösslingen durch die dichte Menge.
Das typische alltägliche Treiben, wie Julie es seit gut drei Wochen kannte und auf dem Weg zum College erlebte.
Die Augen des unbekannten Mannes weiteten sich, eine Andeutung von Panik erschien auf seinem Gesicht. In Zeitlupe öffnete er die Hand, der Kaffeebecher fiel auf den Bordstein. Der Deckel löste sich, schwarzer Kaffee verteilte sich in Spritzern auf dem Boden. Ein Arm zuckte in die Höhe. Der Unbekannte rief etwas … wollte etwas rufen. In ihre Richtung?
Noch während sie darüber nachdachte, kehrte die Wirklichkeit abrupt zurück, die Magie des Augenblicks verschwand. Julie richtete den Blick wieder auf die Straße vor ihr, doch es war zu spät.
Lautes Hupen erklang, Bremsen quietschten, Menschen schrien. Oben wurde zu unten und der kalte Bordstein knallte gegen Julies Gesicht.
Wieso lag sie auf dem Boden?
Wo war ihr Fahrrad?
Schmerz raste durch ihren Körper, sie hustete und spuckte Blut.
Geweitete Augen, in denen das Entsetzen brannte wie glühende Lava, schauten auf sie herab. Er fiel förmlich auf die Knie, betastete sanft ihre Wange. »Bleib liegen. Nicht bewegen! Ruft einen Krankenwagen!«
Das war so süß von ihm. Aus der Nähe leuchteten die goldenen Sprenkel noch stärker. Sein Atem roch nach Minze, der arme Kerl hatte nicht einmal von seinem Kaffee trinken können, bevor dieser sich auf dem Boden verteilt hatte.
»Keine Angst, mir gehts gut.« Wieso machte er sich solche Sorgen? Seine Hände zitterten. »Ich bin Julie. Die Fliege war schuld.«
Lippen bewegten sich, doch die Worte ergaben keinerlei Sinn. Menschen kamen herbeigeeilt, Smartphonekameras wurden auf sie gerichtet. Irgendetwas war nicht in Ordnung, aber Julie wusste nicht was. Ihre Gedanken flossen zäh wie Ahornsirup durch ihren Schädel.
Dann wurde der Himmel über ihr weiß, als habe jemand ein Bild überbelichtet.
Ihr Bewusstsein erlosch.
I
Begegnungen