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Raumstation SOL-22, Im Orbit um Neptun, 13. Januar 2266, 21:00 Uhr

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»Ich hoffe, es ist verdammt noch mal wichtig!«, fluchte Admiral Santana Pendergast, als sie den Raum betrat.

Seine Kollegin wirkte zerzaust, was Björn unweigerlich schmunzeln ließ, war sie doch sonst immer wie aus dem Ei gepellt. »Ich fürchte, das ist es«, sagte er. »Es gibt beunruhigende Neuigkeiten von Captain Cross.«

Pendergast nahm Platz und strich sich die Uniform glatt. »Das ist in letzter Zeit recht häufig der Fall, wie mir scheint.«

Björn verzichtete auf eine Antwort. Die Admiralin mochte sich nach außen hin ruppig und skeptisch geben, doch momentan unterstützte sie seinen Kurs und damit die aktuelle Crew der HYPERION, was von unschätzbarer Bedeutung war. Weitaus bedeutender, als sie bisher ahnte.

Die Plätze um den Tisch füllten sich nach und nach. Einige Admiräle traten ein, andere materialisierten sich als Holo-Projektionen. Als einer der Letzten erschien auch Michalew.

Der Führer der Hardliner, und damit Björns erbitterter Gegner, wirkte seltsam abwesend. Tiefe Falten durchzogen das Gesicht des 56-jährigen. Sein braunes Haar war licht; die eisgrauen Augen strahlten nicht so energiegeladen wie sonst, sondern blickten trüb in die Runde.

An der Stirnseite des ovalen Tisches erschien das Hologramm von Admiral Zhang. Als dienstältester Admiral war er der offizielle Leiter der Space Navy und konferierte täglich mit der Präsidentin. Obwohl die meisten Fachentscheidungen von den jeweils zuständigen Admirälen getroffen wurden, kam es auch immer wieder zu demokratischen Abstimmungen. Gerade politisch wichtige Entscheidungen wurden so getroffen, da niemand alleine verantwortlich sein wollte.

Die Space Navy wird immer mehr zu einem politischen Organ, stellte Björn einmal mehr abfällig fest. Es blieb zu hoffen, dass diese Zusammenkunft nicht in eine stundenlange Diskussion ausartete.

»Admiral Sjöberg, Sie haben dieses Treffen einberufen. Sie haben das Wort.«

Björn erhob sich. »Danke, Admiral. Ich fasse mich kurz, da die Zeit drängt. Um 22:15 Solarer Standardzeit erhielt ich eine Nachricht von Captain Cross. Er befindet sich aktuell auf Rental IV, in Gesellschaft des Obersten Rudelführers der Rentalianer. Es stellte sich heraus, dass es im dortigen System in der Tat ein weiteres Artefakt gibt. Es wirkt auf die Rentalianer jedoch anders als auf uns Menschen. Es beeinflusste die Crew eines Schiffes, worauf diese eine Antimateriebombe stahl und davonflog.«

»Damit können die einen Planeten ausradieren!«, sagte Isa Jansen entsetzt. »Gibt es Hinweise auf ihr Ziel? Besteht Gefahr für die Solare Union?«

Björn schüttelte den Kopf. »Zweifellos werden sie sie einsetzen, doch ihr Vektor deutet nicht in unsere Richtung. Captain Cross ist es gelungen, das wahrscheinliche Ziel ausfindig zu machen.«

»Das da wäre?«, wollte Zhang wissen.

»Das Schiff hat Kurs auf den Parlidenraum gesetzt. Es steuert auf ein System zu, über das wir bisher kaum Aufklärungsdaten besitzen. Die HYPERION hat unter dem Kommando von Commander Noriko Ishida die Verfolgung aufgenommen.«

Er hatte sie gesagt, die magischen Worte. Admiral Michalews Kopf fuhr in die Höhe, den Blick auf Björn gerichtet wie ein Raubtier, das seine Beute taxierte. Doch überraschend schnell glättete sich Michalews Stirn und er wandte den Blick ab.

»Aktuell befindet sich die HYPERION noch im Raum der Rentalianer und damit innerhalb der Phasenfunk-Relaiskette«, sprach Björn weiter. »Doch in einigen Stunden wird dies nicht mehr der Fall sein. Wir müssen uns für ein Vorgehen entscheiden. Kommandantin Ishida benötigt klare Befehle.«

»Ihre Empfehlung, Admiral Sjöberg?« Zhang wirkte nach außen hin gelassen, doch das tat er immer. Björn hatte ihn als einen Mann schneller Entscheidungen und klarer Worte kennengelernt.

»Sie soll das Schiff verfolgen und vernichten, bevor es die Bombe einsetzen kann. Andernfalls werden die Parliden umgehend einen Vergeltungsschlag gegen die Rentalianer führen. Unser Beistandsabkommen würde uns in diesem Fall dazu verpflichten, den Rentalianern zu helfen. Ich muss nicht sagen, worauf das hinauslaufen könnte.«

»Und was ist, wenn die Parliden unsere Intervention nicht als Hilfe ansehen, sondern als Angriff?«, fragte Admiral Pendergast. Wie immer suchte sie die Schwachstelle der Empfehlung und hinterfragte das Vorgehen – sie spielte den Advocatus Diaboli. »Die HYPERION hat im Elnath-System vor wenigen Wochen drei ihrer Schiffe zerstört. Und genau dieses Raumschiff – für die Parliden ein rotes Tuch – kommt nun herbeigeeilt, um angeblich das Schiff eines mit der Menschheit assoziierten Volkes zu vernichten? Das könnte genauso gut nach hinten losgehen.«

»Ein guter Einwand«, Zhang nickte Admiral Pendergast zu. »Aber es läuft darauf hinaus, dass wir uns zwischen diesen beiden Möglichkeiten entscheiden müssen. Und beide könnten unvorhersehbare Folgen nach sich ziehen. Halten wir uns heraus, greift bei einem Vergeltungsschlag durch die Parliden das Beistandsabkommen. Greifen wir ein, könnte es als feindlicher Akt betrachtet werden. Ich denke, jeder ist sich dessen bewusst. Da uns die Zeit davonläuft und ich die Präsidentin informieren muss, müssen wir uns jedoch entscheiden. Sie erwartet einen Plan, hinter dem eine geeinte Admiralität steht.«

Natürlich konnte die Präsidentin ihr Veto einlegen, doch das hatte sie bisher noch nie getan.

Björn schüttelte den Kopf – Politiker. Sollte der Space Navy diese Operation um die Ohren fliegen, würde die Präsidentin sich ganz einfach davon distanzieren.

Zhang bat um Handzeichen für und gegen eine Intervention der HYPERION. Zhang selbst, Santana, Isa und Björn stimmten mit zwei weiteren für einen Angriff. Fünf Admiräle stimmten dagegen.

»Juri, wie stimmen Sie?«, wollte Zhang wissen.

Alle Blicke richteten sich auf den Admiral.

Björn schloss die Augen. Er hatte vermutet, dass es so kommen würde. Bei den meisten seiner Kollegen war klar, in welches Lager sie gehörten. Und die Befürworter eines Krieges gegen die Parliden würden diese Möglichkeiten ausnutzen und gegen eine Intervention stimmen. Sie hofften, dass daraus auf jeden Fall ein Krieg entstand. Michalew wartete doch nur auf eine solche Gelegenheit.

»Lassen Sie die HYPERION das verdammte Ding abschießen«, sagte Michalew an Zhang gewandt. »Die Chancen, dass Ishida das hinbekommt, ohne einen interstellaren Zwischenfall zu provozieren, sind äußerst gering. Aber so besteht immerhin noch eine gewisse Chance auf Frieden.« Der Admiral räusperte sich. »Ich bin nicht sicher, ob ein Krieg zu diesem Zeitpunkt eine gute Idee ist.«

Wäre in diesem Augenblick ein Parlide unter ihnen materialisiert, Björn wäre nicht überraschter gewesen. Was war mit Michalew nur los? Björns Spione in den Reihen des Admirals sprachen schon die ganze Zeit davon, dass er seltsam in sich gekehrt wirkte und irgendetwas ausheckte. Was ging nur vor sich? Wenn die Versammlung vorbei war, würde er einige seiner Leute aktivieren, um das herauszubekommen.

»Damit steht es sieben zu fünf. Ich werde der Präsidentin empfehlen, dass wir das Schiff verfolgen und zerstören. Die Versammlung ist hiermit aufgelöst.«

Nach und nach verschwanden die einzelnen Admiräle.

»Sie haben eine Glückssträhne, Björn«, sagte Santana leise. »Ich hoffe, das war die richtige Entscheidung.«

Mit einem Nicken stand sie auf und ging.

*

Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus

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