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Kartas-System, IL HYPERION, 15. Januar 2266, 13:55 Uhr

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Noriko schloss die Augen, als der Torpedo explodierte. Bis zum letzten Moment hatte sie gehofft, dass sie eine Möglichkeit finden würden, das Geschoss aufzuhalten. Vergeblich.

»Der Sprengkopf ist soeben detoniert, Ma’am«, meldete Lieutenant Kensington. »Allerdings hat sich das Lasercluster-Modul nicht aktiviert. Die Explosion hat einen Teil der Antriebssektion vernichtet, die jedoch bereits zuvor größtenteils zerstört war. Ich glaube nicht, dass sich dort noch jemand aufgehalten hat.«

Noriko atmete erleichtert auf. Sie gönnte sich einen Moment der stillen Erholung, dann wandte sie sich an den Taktikoffizier. »Commander Akoskin, ich will, dass Sie eine volle Diagnose durchführen. Irgendwie hat jemand auf meinen persönlichen Speicher zugegriffen und von dort einen Torpedoschuss ausgelöst.« Sie sah das zweifelnde Gesicht von Akoskin. Der persönliche Speicher galt als sicher. Und wer sollte so etwas mitten in einer so gefährlichen Situation tun? Die Besatzung glaubte zweifellos, dass sie selbst es gewesen war, die den Torpedo ausgelöst hatte. Möglicherweise konnte eine Untersuchung beweisen, dass sie es nicht gewesen war, doch bis dahin würden die Gerüchte bereits die Runde gemacht haben. Und falls die Sensoren des Parlidenschiffes den Vorgang aufgezeichnet hatten… Sie mochte gar nicht daran denken.

»Ma’am, normalerweise kann ein Torpedo nicht einfach so ausgelöst werden. Es gibt Sicherungen. Sicherungen, die laut meines Logs von Ihrer Zugangsberechtigung und dem Protokoll ausgehebelt wurden, das Sie vor wenigen Tagen einspielten«, sagte Lieutenant Commander Akoskin. Er gab seiner Stimme einen neutralen Klang, doch das machte es nicht besser. »Damit will ich nichts unterstellen, ich lege nur die Fakten dar«, sagte er schnell, als er ihren wütenden Blick bemerkte.

Natürlich hatte sie keine derartige Überbrückung in das Protokoll eingebaut. Irgendjemand musste es aber getan haben. Nur so war es möglich gewesen, dass von ihrer Kommandokonsole aus dieser Torpedo abgefeuert wurde. Ihr kam ein schrecklicher Gedanke. Es stand völlig außer Frage, wer hierfür verantwortlich war – sein gehässiges Grinsen machte das deutlich. Lieutenant Bruce Walker war aktiv geworden, hatte jenen großen Schlag geführt, vor dem Giulia sie gewarnt hatte.

»Lieutenant McCall, informieren Sie Alpha 365 über den unerlaubten Abschuss. Er soll eine offizielle Untersuchung einleiten. Commander Akoskin, bereiten Sie sich auf einen Kampfeinsatz gegen die SE-RA vor. Lieutenant Task, wie lange noch bis zum Zusammentreffen mit dem Schiff der Rentalianer?«

»Waffenreichweite wird in zwei Stunden und dreißig Minuten erreicht«, sagte Peter Task.

Noriko konnte nur beten, dass dieses Mal genug Zeit blieb, eine Katastrophe zu verhindern. »Lieutenant Kensington, setzen Sie Sensorplattformen aus. Ich will wissen, was in unserem Rücken geschieht.« Sollten die Parliden doch denken, was sie wollten. Auf ein paar Sensorplattformen kam es auch nicht mehr an.

Sie blickte sich auf der Brücke um. Die Offiziere waren eifrig damit beschäftigt, Daten zu aktualisieren oder abzurufen. Doch ab und an huschte ein verstohlener Blick in ihre Richtung. Ein Blick voller Misstrauen. Nach außen hin bewahrte Noriko absolute Ruhe. Doch innerlich fühlte sie sich leer und ausgebrannt. Mit dieser Aktion hatte Walker ihr den Fangschuss verpasst. Sie war erledigt.

*

Als die HYPERION die SE-RA erreichte, befand sich der Interlink-Kreuzer bereits auf Gefechtsalarm. Die Zweitbrücke war besetzt und alle Offiziere saßen – von Gurten und Prallfeldern gehalten – in ihren Konturensesseln.

»Wir erreichen maximale Feuerdistanz in zwanzig Sekunden«, sagte Lieutenant Commander Akoskin. »Bitte um Erlaubnis, das rentalianische Schiff SE-RA als feindlich einzustufen und unter Beschuss zu nehmen.«

Der etwas lockerere Ton auf der Brücke war einem peinlich genauen Protokoll gewichen. Niemand wollte sich nachsagen lassen, einen Fehler begangen zu haben. Nicht nach dem, was geschehen war. Ein fehlerhaft abgefeuerter Torpedo war keine Kleinigkeit. Die offizielle Untersuchung würde erst enden, wenn ein Schuldiger gefunden war. Und hierfür würden Logbücher, Überwachungskameras und die Auswertung der Sicherheitsprogramme zurate gezogen werden.

»Erlaubnis erteilt, Commander.« Ishida hatte gelernt, sich nach außen hin nichts anmerken zu lassen. Sie hatte eine Aufgabe, und die würde sie erledigen.

Sie betrachtete den Holotank, in dem das Geschehen schematisch dargestellt wurde. Als sich nach einigen Sekunden noch immer kein Torpedo von der HYPERION gelöst hatte, blickte sie stirnrunzelnd zu Akoskin. »Commander, gibt es Probleme?«

»Ma’am.« Akoskin berührte sichtlich verzweifelt mehrere Icons auf seiner Konsole. »Ich kann keinen Torpedo abfeuern. Das Feuerleitsystem reagiert einfach nicht.«

»Brücke an Schadenskontrolle«, sagte Ishida.

Das Interkomsystem aktivierte sich und stellte eine Verbindung her.

»Commander Devgan hier. Was kann ich für Sie tun, Captain?«

»Wir haben hier ein Problem mit dem Waffensystem.«

»Laut meiner Anzeigen ist alles in Ordnung«, sagte Devgan. »Ich starte sofort entsprechende Diagnoseprogramme.«

»Das halte ich für eine gute Idee. Wir rechnen in Kürze mit feindlichem Feuer.« Sie hatte Devgan als kompetenten Mann kennengelernt. Mehr war nicht zu sagen. »Brücke Ende.«

Während Akoskin hektisch versuchte, von seiner Konsole aus etwas gegen das Problem zu unternehmen, überprüfte Noriko über ihre Kommandokonsole den Status der Waffen. In ihrem Log gab es keine Fehlermeldung. Was ging hier vor?

Ihr wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass man dieses Versagen ebenfalls ihr in die Schuhe schieben konnte. Aber warum sollten Walker oder Giulia die Torpedos deaktivieren? Das brachte die HYPERION und damit sie selbst in Gefahr.

»Ma’am«, meldete sich Lieutenant Kensington. Ihre Augen glichen schmalen Schlitzen, während sie auf ihre Ortungskonsole starrte. »Kurz vor dem Ausfall des Waffensystems hat uns ein Signal von der SE-RA erreicht.«

»Was für ein Signal?«

»Das kann ich nicht sagen.« Kensington warf frustriert die Hände in die Luft. »Ein kurzes, verschlüsseltes Signal.«

»Lieutenant McCall«, wandte Noriko sich an die Lieutenant. »Wieso ist Ihnen das nicht aufgefallen?«

McCalls Gesicht nahm die Farbe einer überreifen Feuerfrucht an. »Es tut mir leid, Ma’am, aber auf meiner Konsole wird das Signal nicht angezeigt.« Sie berührte ein Icon. »Und auch nicht in meinem Log.«

Noriko warf einen Blick auf den Holotank. Sie näherten sich der SE-RA weiterhin, während diese auf die Sonne des Systems zuhielt. »Commander Akoskin, können Sie die Laser schon einsetzen?«

»Wir erreichen soeben die Mindestdistanz«, erwiderte er.

»Zielen Sie auf den Antrieb.«

»Aye, Ma’am.«

Torpedos und Pulsersalven wurden durch verschiedene Icons in der Taktikanzeige sichtbar gemacht. Während die Torpedo-Icons als dichtgepackter Schwarm auf das feindliche Schiff zuflogen, war die Lasersalve nur für einige Sekunden sichtbar. Noriko wartete gespannt darauf, ob die Sensoren einen Treffer und Beschädigung vermeldeten.

»Die SE-RA wurde getroffen. Ihr Antrieb ist noch funktionstüchtig, sie verliert jedoch an Geschwindigkeit. Ihre Energieversorgung fluktuiert.« Akoskin klang außerordentlich zufrieden. »Ich setze den Beschuss fort.« Nach einigen Sekunden stieß er lauthals einen Fluch aus. »Unsere Laser haben soeben die Funktion eingestellt.«

»Lieutenant McCall, setzen Sie sich mit Commander Devgan in Verbindung. Ich will wissen, was da los ist. Lieutenant Kensington, übermitteln Sie ihm Ihren Protokollauszug. Vielleicht hilft das weiter.«

Noriko massierte sich die Schläfen. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Sehr begrenzt. Wer auch immer für das alles verantwortlich war: Er nahm ihnen jede Option, die SE-RA aufzuhalten. Doch hier ging es einfach um zu viel. Das Leben mehrerer Milliarden Parliden hing davon ab, dass sie dieses Schiff aufhielt. »Lieutenant Task, können wir die SE-RA einholen?«

»Das können wir, Ma’am.«

»Ausgezeichnet.« Noriko hielt kurz inne, dann sagte sie das Unvermeidliche: »Bringen Sie uns auf Kollisionskurs, Lieutenant.«

*

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