Читать книгу Flüsterwald - Das Abenteuer beginnt (Flüsterwald, Bd. 1) - Andreas Suchanek - Страница 14

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Das geheime Studierzimmer

Lukas erreichte das obere Ende der Treppe.

Vorsichtig lugte er in den Raum. Auch hier ragten Halterungen mit Lampen aus der Wand hervor und erschufen mit ihrem warmen Schein Licht und Schatten.

Das Zimmer war mit einem flauschigen Teppich ausgelegt, der jeden seiner Schritte dämpfte. Er verlief über die gesamte Breite des Stockwerks. Gegenüber des Treppenaufgangs, der hier oben nicht mehr als ein quadratisches Loch im Boden war, stand ein wuchtiger Schreibtisch. An den Wänden zogen sich Regale in die Höhe. Jenes zu Lukas’ Rechter war angefüllt mit Folianten, Papyri, modernen und uralten Büchern. Auf dem gegenüber lagen und standen Flakons und Tiegel unterschiedlicher Größe.

Einige der Fläschchen leuchteten.

Staunend strich Lukas mit der Hand über die Einbände der Bücher. Auf vielen erkannte er Worte in fremder Sprache, die er nicht lesen konnte.

Der Schreibtisch definierte das Wort ›Chaos‹ neu. Ein Wust aus Papieren lag dort verstreut und die Tinte in dem kleinen Fässchen war zu einer krümeligen Schicht vertrocknet, eine Schreibfeder steckte darin. An der Seite lag ein aufgeschlagenes Buch, in dem lateinische Sätze geschrieben standen.

Auf der anderen Seite des Treppenaufgangs gab es eine Sitzecke. Dort stand ein abgewetztes, aber gemütlich erscheinendes Sofa. Daneben drei Stühle.

Und noch etwas fiel Lukas auf. Etwas ganz und gar Unmögliches.

Die Wände des Raums wuchsen gerade in die Höhe, obwohl er eindeutig direkt unter dem Dach lag. Ein Giebeldach. Eigentlich hätten die Wände schräg sein müssen.

Und nicht nur das.

Verblüfft ging er auf das kreisrunde Fenster zu. Es war zwischen zwei Regalen in die Wand eingelassen und führte zum Garten hinaus. Lukas konnte das Schwimmbecken sehen. Das Mondlicht spiegelte sich im matschigen Wasser. Er wusste von seiner Expedition am Mittag jedoch, dass von außen auf dieser Höhe kein Fenster eingelassen war.

Wie konnte das sein?

Lukas sank in den Schreibtischsessel.

Hier also hatte Professor von Thun gearbeitet. Was hatte er wohl getrieben? Ein Füllfederhalter lag neben einem Blatt Papier. Wenn seine Mutter das nächste Mal wieder von Lukas’ Sauklaue sprach, würde er ihr einfach dieses Papier unter die Nase halten. Man konnte kaum ein Wort lesen.

Mit ein wenig Mühe gelang es ihm aber doch.

Er kommt.

Ich muss fliehen.

Das Siegel ist in Gefahr.

Die Sache wurde immer mysteriöser. Lukas erhob sich und ging zu den Regalen mit den Flakons und Tiegeln. Glücklicherweise waren sie beschriftet.

»Flugtrank«, las er. »Wirkdauer: 3 Stunden.«

Er schüttelte den Kopf. Der Professor musste völlig verwirrt gewesen sein. Möglicherweise war er im Glauben, einen Zaubertrank getrunken zu haben, von einem Abhang gehüpft.

»Verschwindepulver«, stand auf einem Tiegel.

Lukas wandte sich ab.

Und schrie auf.

Hinter ihm ragte zwischen den Regalen eine Standuhr empor. Sie war gerade eben noch nicht da gewesen. Es schlug zur vollen Stunde. Erschrocken taumelte er zurück …

… und krachte gegen das Regal.

Einer der Tiegel rutschte vom Brett und knallte an Lukas’ Stirn. Blaues Pulver bestäubte ihn von oben bis unten. Er musste niesen.

»So ein Mist!«

Er hustete.

Glücklicherweise war der Tiegel nicht zerbrochen. Lukas schob den Rest des Pulvers mit der Hand wieder hinein und stellte ihn ins Regal zurück. Auf dem kleinen Zettel stand: »Flüsterpulver.«

»Toll, morgen früh kann ich nur noch flüstern. Das wäre doch was für Lisa.«

Er kicherte.

Neugierig ging Lukas auf die Standuhr zu. Sie war etwas größer als er selbst. Ein Pendel schwang gemächlich von links nach rechts, umrahmt von verziertem Holz. Das untere Ende des Pendels hatte die Form eines Wasserspeiers. Der Professor musste einen Hang zu Fantasygeschichten haben. Das erklärte wohl auch seine Versuche, Zaubertränke herzustellen. Anstelle der Zahlen waren seltsam anmutende Zeichen auf dem Ziffernblatt angebracht. Im Zentrum wölbte sich eine Halbkugel aus Glas hervor.

»Vielleicht habe ich die Standuhr zuerst übersehen?«, überlegte Lukas. So musste es gewesen sein.

Er strubbelte sich das Haar. Blaue Wolken bildeten sich in der Luft, Pulver rieselte zu Boden. Er würde sich morgen früh gleich duschen müssen, um das Zeug wieder loszuwerden.

Sein Blick wanderte über die Buchrücken auf dem anderen Regal. Es gab dicke und dünne, solche ohne Titel und welche mit. Dazwischen zusammengeheftete Bündel oder eingerollte Papyri.

»Die Kreaturen des Flüsterwalds«, las er.

Es war einer der dicken Wälzer. Gebunden in rotes Leder, versehen mit goldener illuminierter Schrift. Auf gelbstichigen Seiten gab es Abbildungen von fantastischen Wesen, darunter standen in schnörkeliger Handschrift Informationen.

Lukas gähnte.

Seine Aufregung ließ langsam nach. Er wollte zurück ins Bett. Das Buch würde er mitnehmen. Und morgen konnte er sich das Ganze hier genauer anschauen. Er musste unbedingt mehr über Professor von Thun herausfinden.

Anscheinend war der Mann nicht nur verschwunden, er hatte auch von einer Gefahr für ein ominöses Siegel geschrieben. Was immer das bedeuten mochte. Es musste doch jemand nach ihm gesucht haben, nachdem sein Verschwinden aufgefallen war. Irgendwo ließen sich Informationen finden, da war Lukas sicher.

Er stieg die Treppen hinab.

Die geheime Tür war noch immer geöffnet. Zukünftig würde er darauf achten müssen, sie hinter sich zu schließen. Nicht auszudenken, wenn Lisa sie fand. Oder seine Eltern. Die würden den Raum doch sofort zum Sperrgebiet erklären und die Tiegel und Flakons aus dem Haus schaffen. Immerhin konnte es sich dabei um explosive Stoffe handeln.

Lukas betrat sein Zimmer und zog an dem Buch im Regal. Es klackte, Zahnräder ratterten. Leise schabend schloss sich die geheime Tür.

Zufrieden kickte Lukas die Schuhe zur Seite und kroch ins Bett. Das Buch schob er darunter. Morgen erwartete ihn ein spannender Tag.

Mit diesem Gedanken schlief er ein.

Nicht ahnend, dass er einen furchtbaren Fehler begangen hatte.

Flüsterwald - Das Abenteuer beginnt (Flüsterwald, Bd. 1)

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