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5. Zum Verhältnis zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Seelsorge


Jürgen Holtkamp, bis 2012 Leiter der Fachstelle Kommunikation und Veranstaltungen, Leiter der Abteilung Beratung, Erziehung und Familie, Caritasverband für das Bistum Essen e. V.

Für all jene, die für kirchliche Öffentlichkeitsarbeit, Pressestellen oder Marketingabteilungen Verantwortung tragen, bietet das digitale Zeitalter vielfältige Möglichkeiten, kirchliche Inhalte ausgewählten Zielgruppen oder einem Massenpublikum mitzuteilen. Dabei werden selbst PR-Profis von der Vielzahl der Möglichkeiten überrollt und fragen sich, ob sie nicht mehrere Facebookseiten oder Twitteraccounts einrichten sollten. Problematisch erscheint, dass mediale Möglichkeiten und Kommunikationskanäle die zur Verfügung stehenden personellen Ressourcen übersteigen.

Das Tagesgeschäft in Pressestellen, Redaktionen und Medienabteilungen nimmt einen Großteil der Arbeitszeit in Anspruch. Aktiv ins digitale Zeitalter mittels Social Media einzusteigen, dürfte der Wunsch vieler sein, doch die Realität zeigt hier schnell die Grenzen auf.

Die kirchliche Medienarbeit steht hier in dem Dilemma, einerseits der „verlängerte Arm der Pastoral zu sein“ und andererseits dem eigenen professionellen, medialen und journalistischen Anspruch gerecht zu werden.


Obwohl das Internet in den meisten Bistumsleitungen als wichtiger Kommunikationsraum gesehen wird – viele (Erz-)Bistümer haben ihre Internetseiten überarbeitet und immer mehr setzen auch den „Gefällt mir“-Button auf ihre Seiten –, bestehen doch inhaltliche Vorbehalte, sich kommunikativ zu sehr zu öffnen. So werden die Bistumsseiten nicht selten als reine Verkündigungsseiten gesehen.

Die kirchliche Medienarbeit steht hier in dem Dilemma, einerseits der „verlängerte Arm der Pastoral zu sein“ und andererseits dem eigenen professionellen, medialen und journalistischen Anspruch gerecht zu werden. Hier wird die grundsätzliche Frage tangiert, in welcher Weise Presse- und Medienabteilungen überhaupt frei – im Sinne einer journalistischen Berichterstattung – sein können. Eine alte Redensart lautet: „Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing.“ Anders ausgedrückt: Wer mich bezahlt, dessen Meinung und dessen Interessen vertrete ich auch. Insofern besteht die Aufgabe von Presse- und Medienabteilungen eben nicht nur darin, objektiv zu berichten, sondern das (Erz-)Bistum in der Öffentlichkeit positiv darzustellen, es zu vermarkten.

Dementsprechend haben die Mitarbeiter/innen der Pastoral das Recht, ihre eigenen Themen, Projekte und Konzepte angemessen in die Öffentlichkeit zu kommunizieren. Hier stehen Presse- und Medienabteilungen in einem Spannungsverhältnis zwischen objektiver Berichterstattung einerseits und Marketing und Werbung für den Arbeitgeber Kirche andererseits. Dieses Spannungsverhältnis lässt sich auch nicht ganz auflösen, zumal Presse- und Medienabteilungen auf die Zuarbeit der Pastoral angewiesen sind.

Das Internet bietet viele kommunikative Anschlüsse, pastorale Themen in sozialen Netzwerken zu platzieren und so in die direkte Kommunikation mit den Zielgruppen einzutreten. Für seelsorgliche Themen klingt das faszinierend, führt andererseits aber auch zu nachhaltigen Veränderungen in der internen Kommunikationskultur der (Erz-)Bistümer.

Je besser die Abstimmungsprozesse sind und je intensiver der Dialog, desto leichter lassen sich Missverständnisse und Konflikte vermeiden. Ein Lernprozess, der beiden Seiten nützt. Kirchliche Presse- und Medienabteilungen sind Dienstleister – auch für die Pastoral. Im Umkehrschluss bedeutet dies nicht, nun unkritisch alle pastoralen Inhalte auf den diversen Medienkanälen zu verbreiten. Als „Medienprofis“ fällt es ihnen zu, Kriterien zu entwickeln, was wann und wie veröffentlicht wird. Ob und in welcher Weise etwas veröffentlicht wird, kann und darf nicht ausschließlich in der Entscheidung der Pastoral liegen.

Die (Erz-)Bistümer haben ein großes Interesse, negative Schlagzeilen zu vermeiden und eigene Themen in die Medien zu transportieren, was in einem zunehmend säkularen Umfeld schwieriger wird.

So überrascht es nicht, dass das Internet als herausragender Kommunikationskanal auch in den Fokus der Bistumsleitungen geraten ist. Das Internet als offenes und transparentes Medium ist nicht nur schnell, sondern auch gnadenlos in der Bewertung von Missständen – wie die abgeschriebene Doktorarbeit von Karl Theodor zu Guttenberg zeigt. Beim Hirtenbarometer (www.hirtenbarometer.de) werden Bischöfe mittels Schulnoten bewertet, die Aussage von Bischof Overbeck in der Sendung von Anne Will zur Homosexualität sorgt im Internet auch heute noch für viel Spott, Häme und Kritik. Auf der Videoplattform YouTube gibt es gleich mehrere Videos von dieser Sendung, Zehntausende haben das Video gesehen.

Das Internet bietet viele kommunikative Anschlüsse, pastorale Themen in sozialen Netzwerken zu platzieren und so in die direkte Kommunikation mit den Zielgruppen einzutreten. Für seelsorgliche Themen klingt das faszinierend, führt andererseits aber auch zu nachhaltigen Veränderungen in der internen Kommunikationskultur der (Erz-)Bistümer.

Nach welchen Regeln sollen hauptamtliche Mitarbeiter/innen während ihrer Dienstzeit in sozialen Medien aktiv sein, andere User „liken“? Wie sollen sie sich verhalten, wenn in Blogs, bei Twitter und Facebook Kirche massiv kritisiert wird? Es sind nur einige von vielen Fragen, die einer dringenden Klärung bedürfen. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die Deutsche Bischofskonferenz 2012 mit den „Social Media Guidelines“ für kirchliche Mitarbeiter getan.

Insofern kann und darf die kirchliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht der „verlängerte Arm“ pastoraler Entwicklungen und eben kein reiner „Verkündigungskanal“ sein, weil damit die Chancen der Medien nicht angemessen genutzt werden können.


Es ist dies der Versuch, die erlebten Unsicherheiten bei den kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zwischen dienstlichem Interesse und privater Nutzung abzufedern. Weil sich Kommunikation im Internet seitens der Bistumsleitungen nur bedingt steuern lässt, haben die Guidelines den Charakter von Empfehlungen.

Nicht nur die internen Ansprüche an die Kommunikationsarbeit steigen, auch seitens der säkularen Medien gibt es Erwartungen. Viele Journalisten verfügen über keinen kirchlichen Hintergrund, kennen weder kirchliche Feste noch Bräuche und Gepflogenheiten. Öffentlichkeitsarbeit ist dadurch aufwändiger geworden, scheinbare Selbstverständlichkeiten müssen erklärt werden.

Insofern kann und darf die kirchliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht der „verlängerte Arm“ pastoraler Entwicklungen und eben kein reiner „Verkündigungskanal“ sein, weil damit die Chancen der Medien nicht angemessen genutzt werden können.

Natürlich gibt es berechtigte Interessen seitens der Bistumsleitungen, eigene Themen und Inhalte in den Medien zu platzieren. Eben in diesem Spannungsverhältnis steht die kirchliche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie muss sich Tag für Tag dieser Anforderung stellen und sollte deshalb ihre Rollen und Aufgaben genauer definieren!

Neben der journalistischen Berichterstattung wird es künftig immer wichtiger, die Perspektiven der Öffentlichkeitsarbeit für pastorale Handlungsfelder auszuloten. Konkret meint dies eine intensive interne Abstimmung über seelsorgliche und pastorale Themen. Aufgabe der Presse- und Medienabteilungen wird es sein, den internen Prozess zu moderieren, über die medialen Möglichkeiten zu informieren, angemessene Medienkanäle auszuwählen und bei der Umsetzung die mediale Steuerung zu übernehmen. Dies setzt ein abgestimmtes Kommunikationskonzept zwischen den verschiedenen Organisationseinheiten in einem (Erz-)Bistum voraus.

Die Veränderungen in der Mediennutzung führen zu mehr direkter Kommunikation (beispielsweise in den sozialen Netzwerken). Zwei Wege bieten sich an, dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Einerseits können die Presse- und Medienstellen personell in der Weise aufgestockt werden, dass es neben der Internetredaktion eine Social-Media-Redaktion geben wird. Zu überlegen wäre aber auch, ob die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter qualifiziert werden, um in den sozialen Netzwerken als Fachleute für pastorale und seelsorgliche Fragen authentisch Auskunft geben zu können, zumal der Trend der Dezentralisierung im Internet weiter fortschreitet. Diese langfristig zu begleiten, wäre dann ebenfalls Aufgabe der Presse- und Medienstellen.

Literatur/Links

Pressemitteilung (109a und 109b) der Deutschen Bischofskonferenz, Überlegungen zu „Social Media Guidelines“ für kirchliche Mitarbeiter in sozialen Netzwerken und „Social Media Guidelines“ für kirchliche Mitarbeiter, Empfehlungen und Muster, 2012

www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse/2012-109b-Empfehlungen-Social-Media-Guidelines.pdf

miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-6130/10.Klaeden-Berndt.pdf

Katholisches Medienhandbuch

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