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3. Öffentlichkeit und Kirche


Matthias Wörther, Leiter der Fachstelle „medien und kommunikation“

im Erzbistum München und Freising


„Darum müssen Katholiken sich völlig dessen bewusst sein, dass sie wirklich die Freiheit der Meinungsäußerung besitzen“ – dieser Satz aus der 1971 erschienenen Pastoralkonstitution „Communio et progressio“ (Artikel 116) bezieht sich auf die Notwendigkeit einer öffentlichen Meinung innerhalb und außerhalb der Kirche. Mit der Freiheit der Meinungsäußerung und mit den beiden Öffentlichkeiten, der inneren wie der äußeren, in denen sie gegeben sein soll, hat die Kirche jedoch zweifellos weiterhin Probleme.

Ihre institutionellen Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit gehen auf die hierarchische Verfassung und das Selbstverständnis einer Einrichtung zurück, die sich auf göttliche Offenbarung beruft. Sie will mit von daher begründeter Autorität sprechen und die im Auftrag Gottes zu verkündende Wahrheit weder einer öffentlichen Diskussion noch demokratischen Meinungsbildungsprozessen überantworten und darf es auch nicht. Ihre grundlegende Orientierung auf das „Wort“ und die damit oft verbundene (und mit dem alttestamentlichen Bilderverbot untermauerte) latente Bildfeindlichkeit erschwert zusätzlich das ange­messene Agieren in der Mediengesellschaft.


Die Probleme mit der äußeren Öffentlichkeit haben historische, institutionelle und aktuelle Ursachen. Seit der Entstehung der bürgerlich-säkularen Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert sieht sich die Kirche mit einer kritischen Instanz konfrontiert, die sich ihrem Einfluss entzieht. Bis heute schwankt sie deshalb zwischen offensiver Beteiligung am Meinungsstreit und einem vorwürflichen Ressentiment, sie werde im medialen Raum gezielt angefeindet, diffamiert und unsachlich dargestellt.

Ihre institutionellen Schwierigkeiten mit der Öffentlichkeit gehen auf die hierarchische Verfassung und das Selbstverständnis einer Einrichtung zurück, die sich auf göttliche Offenbarung beruft. Sie will mit von daher begründeter Autorität sprechen und die im Auftrag Gottes zu verkündende Wahrheit weder einer öffentlichen Diskussion noch demokratischen Meinungsbildungsprozessen überantworten und darf es auch nicht. Ihre grundlegende Orientierung auf das „Wort“ und die damit oft verbundene (und mit dem alttestamentlichen Bilderverbot untermauerte) latente Bildfeindlichkeit erschwert zusätzlich das angemessene Agieren in der Mediengesellschaft.

Aktuell wird das problematische Verhältnis der Kirche zur medialen Öffentlichkeit besonders deutlich am Kontrast zwischen Papst Johannes Paul II. und Papst Benedikt XVI. War Ersterer Liebling der Medien und ein begnadeter Selbstdarsteller und Event-Regisseur, der sich der medialen und massenmedialen Mittel für die Zwecke der Kirche gezielt bediente, glaubt Benedikt XVI. die Kirche und ihre Botschaft von der Öffentlichkeit nicht nur missverstanden, sondern in vielfacher Hinsicht angegriffen, in unfairer Weise kritisiert und immer wieder verleumdet. Stellt sich bei Johannes Paul II. die Frage, ob seine gekonnte PR-Arbeit der Öffentlichkeit in Bezug auf seine tatsächlichen Positionen nicht Sand in die Augen streute, wird bei Benedikt XVI. derselbe Effekt, nämlich ein schiefes Bild der Kirche, durch mangelhafte Kommunikationskompetenz und einen naiven Medienbegriff erzeugt. Eine Öffentlichkeit, die die Kirche von farbenfrohen und fernsehtauglichen Liturgie-Großspektakeln her beurteilt, wird ihr deshalb ebenso wenig gerecht werden wie diejenigen, die ihr Verhältnis zum Islam an einer aus dem Kontext gelösten Regensburger Äußerung des gegenwärtigen Papstes festmachen.

Die zunehmenden Probleme der Kirche mit ihrer inneren Öffentlichkeit sind nicht von denen mit der äußeren Öffentlichkeit zu trennen. Wer als gläubiger Zeitgenosse seine Freiheit der Meinungsäußerung in der äußeren Öffentlichkeit uneingeschränkt wahrnimmt, trägt dieses Selbstverständnis in die innere Öffentlichkeit der Kirche hinein. Wie nicht nur der Missbrauchsskandal zeigt, herrscht dort allerdings verbreitet noch die Auffassung, man könne und dürfe die interne Öffentlichkeit von der äußeren abschotten. Ebenso glaubt man, den Glauben in der Gegenwart dadurch sichern zu können, dass man die Konfrontation mit den Entwicklungen der Moderne verhindert oder als unnötig qualifiziert. Viele Gläubige retten sich aus dieser widersprüchlichen Situation entweder durch Flucht in die eine oder die andere Richtung (Säkularismus oder Fundamentalismus), durch Selbstspaltung (bewusst oder unbewusst) oder durch eine ironische Loyalität, die nur das ernst nimmt, was sie selbst für relevant hält.

Es ist offensichtlich, dass die angesprochenen Probleme mit beiden Öffentlichkeiten durch reine PR-Arbeit, so gekonnt sie auch sein mag, allenfalls zu kaschieren, nicht aber zu beheben sind. Nimmt man in der Kirche die im ersten Petrusbrief geforderte prinzipielle Bereitschaft des christlichen Glaubens zur öffentlichen Auseinandersetzung mit anderen Positionen ernst („Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“, 1 Petrus 3,15), dann kann die Lösung nur in der Ausarbeitung einer Theologie liegen, die sich der Aufklärung, den Positionen der Postmoderne, den Ansätzen der Naturwissenschaften und den Konsequenzen der digitalen Revolution tatsächlich gestellt hat. Ihre Aufgabe ist es, die christliche Botschaft für die unterschiedlichen Horizonte gegenwärtigen Lebens so umzusetzen und zu formulieren, dass sie dort jeweils auch verstanden werden können. Der Petrusbrief verlangt keine Öffentlichkeit, die der Glaubensbotschaft gegenüber besondere Nachsicht oder ein besonderes Wohlwollen walten lässt. Im Gegenteil: Er ist sich seiner Sache sicher und sucht im Vertrauen auf die eigenen Argumente die Konfrontation, ebenso wie Paulus auf dem Areopag in Athen den Einwänden der Bürger Athens nicht ausgewichen ist.

Deshalb ist die professionelle Nutzung vorhandener und neu sich entwickelnder Kommunikationsformen wie dem Internet und seinen Möglichkeiten eine notwendige, aber keine ausreichende Bedingung, um das Öffentlichkeitsdilemma der Kirche zu lösen. Selbst wenn alle Forderungen des „Pastoralplans für soziale Kommunikation“ im Anhang der Pastoralinstruktion Aetatis Novae (1992) tatsächlich bereits umgesetzt wären, bliebe die Frage offen, ob der christliche Glaube auf dem Markt der weltanschaulichen Möglichkeiten dann bereits als eine argumentative und lebenspraktische Alternative erscheint, die die Menschen der Gegenwart zu ihm bekehren kann.

Katholisches Medienhandbuch

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