Читать книгу Die Kunst Einwanderer zu sein - Andrzej Olkiewicz - Страница 14
ОглавлениеDie Wahrheit ist, dass Fremde nirgendwo beliebt sind, und wenn ein Einwanderer Zutritt zu den feinen Salons der Mehrheiten bekommen will, so muss er mit einer Menge Widerstand aus allen Ecken und Enden rechnen. Glaube nicht, dass er mit offenen Armen empfangen wird. Diese Wahrheit gilt weltweit. So ist das menschliche Geschlecht.
Ana Martinez19
ES IST ÜBERALL UNGEFÄHR GLEICH
Ist es leichter, Einwanderer in irgendeinem anderen Land zu sein?
Unter Einwanderern findet sich die verbreitete Vorstellung darüber, dass es Länder gäbe, wo es für Fremde viel leichter sei, sich zu akklimatisieren, als gerade in dem Land, wohin sie sich begeben haben. In jenen Ländern würden Zugezogene sofort wie seinesgleichen behandelt, seien dort willkommen und bräuchten sich nicht zu fühlen, als ob sie außerhalb der Gesellschaft stünden.
Untersuchungen, die parallel in Australien und Kalifornien gemacht wurden, haben gezeigt, dass Einwanderer in beiden Ländern die gleichen Konflikte erlebten und vor die gleichen Probleme gestellt waren. In beiden Fällen war die Ursache ein Mangel an Übereinstimmung zwischen den eigenen Werten und Normen der Einwanderer und den Normen, die im Zielland galten.20
Überall in der Welt sind Neuankömmlinge ungefähr den gleichen Anstrengungen ausgesetzt und bekommen dieselben Probleme mit der Anpassung und gehen durch dieselben Prüfungen.
Viele Bücher, geschrieben von Emigranten, sind eine reiche Quelle, um daraus zu schöpfen.
Julia Kristeva, herausragende Schriftstellerin, Professorin und Psychoanalytikerin bulgarischer Herkunft, die sich in Frankreich niedergelassen hat, schreibt:
Nirgendwo ist man fremder als in Frankreich. Die Franzosen […] setzen dem Fremden ein kompaktes soziales Gefüge entgegen und dies mit einem nicht zu überbietenden nationalen Hochmut […]. Selbst wenn der Fremde gesetzlich und administrativ akzeptiert ist, wird er deshalb noch nicht in den Familien aufgenommen. 21
Tauscht man „Frankreich“ gegen ein anders Land und „Franzosen“ gegen ein anderes Volk – wie viele Einwanderer erkennen sich da in dem oben stehenden Zitat nicht wieder? Wie viele haben nicht die gleichen Dinge festgestellt, fast überall, genau wie in Frankreich?
Viele Einwanderer glauben auch, dass es in ihren eigenen Heimatländern für Fremde bedeutend einfacher sei mit der Anpassung, als gerade dort, wo sie selbst hingeraten sind. Ein iranischer Sozialarbeiter sagte zu mir: „Wir sind nicht wie die Schweden. In meinem Land sehen wir alle Einwanderer als Gäste an und wir tun alles, ihnen zu helfen.“
Ein schöner Gedanke. Dennoch bezweifle ich, dass es auch nur ein einziges Land gibt, wo ein Fremder vor diesen Konflikten verschont bleibt. Weshalb auch, wenn doch noch nicht einmal zwei Eheleute ohne Streitigkeiten auskommen, obwohl sie zu Anfang eine enthusiastische Einstellung zueinander hatten. Die Anpassung, die für das Funktionieren von Familien notwendig ist, geschieht durch „trial und error“, durch Liebe und gegenseitige Unterstützung, durch Toleranz und Vernunft. Das Gleiche gilt für den Ausländer, wenn er „die Liebesbeziehung“ mit dem neuen Land eingeht.
Die Verfasserin Ana Martinez, die aus Argentinien nach Schweden kam, dachte darüber nach, ob es nicht doch für Fremde leichter wäre, in ihrem Heimatland integriert zu werden, kapitulierte jedoch und zitierte ihren italienischen Großvater, der einst nach Argentinien einwanderte: … dass man nie das Etikett „tano“ los wird, seufzte Großvater22 („tano“ ist der Spitzname für Einwanderer aus Italien). Sie stellte auch fest, dass kein lateinamerikanisches Land seinen Einwanderern solche Schimpfwörter erspart.
Ist es leichter, Einwanderer zu sein, wenn man reich und berühmt ist?
Viele mögen glauben, dass reichen und bekannten Personen die negativen Seiten des Einwanderns erspart bleiben, weil sie Geld und Kontakte haben. Natürlich müssen sie keine wirtschaftlichen Sorgen haben, aber sie kommen nicht um das Gefühl der Einsamkeit und des Ausgesetztseins herum, dass sie mit uns anderen „gewöhnlichen“ Einwanderern teilen.
P. G. Gyllenhammar, ein bekannter und erfolgreicher schwedischer Industrieller, beschreibt seinen London-Aufenthalt folgendermaßen:
„Menschen können neugierig sein, aber man ist und bleibt Ausländer. Man sagt, dass in Dänemark ein Ausländer niemals Däne werden kann. Ich glaube, das Gleiche gilt für England und ich befürchte dasselbe auch für Schweden.“ 23
Seine Ehefrau, Christina Gyllenhammar, sagte in einem Interview sechs Jahre zuvor:
Dennoch kann ich eine gewisse Isolierung erleben, da es sehr schwer ist, in das Leben gebürtiger Londoner hineinzukommen. Sie halten sich gerne unter ihresgleichen. 24
Es scheint mir, dass der Mensch gleichen Anstrengungen ausgesetzt ist und auf gleiche Weise reagiert, wo immer auf der Welt er Fremdling wird oder sich als Fremdling fühlt. Dieses geschieht unabhängig von Nationalität, Religion, gesellschaftlichem Stand, ob die fragliche Person hoch gebildet oder Analphabet ist, im diplomatischen Dienst, politischer Flüchtling oder sich illegal im Land aufhält. Der Grad der Frustration kann variieren, aber es scheint, als ob niemand der Eingewanderten davon frei bleibt.