Читать книгу Maimorde - Angelika Godau - Страница 6
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Der Architekt, der das Haus am Ende der langen Auffahrt geplant hatte, musste ein Liebhaber des „alten Südens“ gewesen sein. Es wirkte mit den vielen Säulen und Stuckverzierungen, als habe man es direkt aus Georgia in die Pfalz versetzt. Anstelle der Baumwolle war es allerdings von Wein umgeben.
Melanie rannte fast auf das Haus zu, betätigte energisch den schweren, bronzenen Türklopfer und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Es war unangenehm heiß in der Sonne, dabei war erst April und sie für die herrschenden Temperaturen zu warm angezogen.
Julia Brandt, die nach einer ganzen Weile die Tür öffnete, passte perfekt in das sie umgebene Ambiente. Eine Frau, nach der sich die Männer umdrehten, auch wenn der etwas zu häufige Einsatz von Botox ihr hübsches Gesicht bereits etwas maskenhaft wirken ließ. Auch die frisch aufgespritzten Lippen wirkten aus der Nähe eher wund und aufgedunsen, als besonders sexy. Das exklusive Outfit betonte ihre schlanke Figur und ihren üppigen, vermutlich Silikon-gefüllten Busen. Sie verzog den Mund zu einem Lächeln, das nicht bis zu den scharfen grauen Augen reichte.
„Melanie, was machst du hier? Die Party ist doch erst heute Abend.“
Sie machte keine Anstalten, den Türrahmen freizugeben und die Besucherin hereinzubitten.
Die schien die Ablehnung nicht wahrzunehmen, lächelte ihrerseits knapp und antwortete: „Lass mich rein, ich muss mit dir reden.“
Auch wenn im Umkreis von einigen hundert Metern kein Nachbarhaus stand, schaute sie sich misstrauisch um. Keine Menschenseele war zu sehen, die endlosen Wingerte der Pfalz lagen ruhig und friedlich in der Sonne.
„Ich muss mir dir reden“, wiederholte sie dringender, „außerdem ist mir heiß.“
Sie griff sich an die Stirn und stützte sich mit der anderen Hand an der Hauswand ab.
„Um Himmels Willen, du bist ja ganz rot im Gesicht, bestimmt zu hoher Blutdruck. Also, komm rein, ich hole dir ein Glas Wasser oder einen Schnaps, wenn dir das lieber ist. Wenn du willst, kann ich auch Andreas anrufen, damit er schnell kommt.“
„Nein, bloß das nicht, wehrte Melanie ab, „es geht gleich wieder.“
Sie ließ sich in einen der im Wohnzimmer verteilten, futuristisch aussehenden Sessel fallen und stützte den Kopf in die Hände.
„Ist dir übel oder was ist los? Musst du dich übergeben?“ Julia Brandt wirkte eher besorgt um ihren edlen Marmorboden als um ihren Gast.
„Hör auf so zu tun, als läge dir was an meiner Gesundheit, die ist dir völlig egal.“ Melanie richtete sich in ihrem Sessel auf und starrte Julia feindselig an. „Ich weiß, dass du mit Roger schläfst. Meine beste Freundin seit der Schulzeit, will mir meinen Mann ausspannen. Ich habe dir vertraut wie keinem anderen Menschen und du hattest nichts Besseres zu tun, als hinter meinem Rücken meinen Mann zu ficken.“
Julia wurde blass und für einen Augenblick geriet sie aus der Fassung, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle.
„Aha, dann weißt du es also. Woher? Hat Roger es dir gesagt oder hast du es selber rausgefunden? Ja, stimmt, ich schlafe mit deinem Mann, aber tu bitte nicht so, als sei das ein Verbrechen. Dazu gehören immer noch zwei, und ich habe deinen Roger ganz sicher nicht gezwungen, er tut das nur allzu gern und gänzlich freiwillig. Was soll´s? Du hattest deine Flaschen, deinen Mann brauchtest du doch gar nicht mehr. Andere Männer wären viel früher fremdgegangen, und Roger hat es an Gelegenheit wirklich nicht gemangelt. Eigentlich verdankst du es mir, dass er überhaupt noch mit dir verheiratet ist.“
„Aber natürlich“, der Hohn in Melanies Stimme war unüberhörbar. „Du fickst also aus reiner Freundschaft zu mir mit meinem Mann, nur um meine Ehe nicht zu gefährden? Na klar, was sonst? Erzähl mir keinen Scheiß, du bist eine verlogene Schlampe, und wenn du versuchen solltest, mir meinen Mann wegzunehmen, dann wirst du mich kennenlernen.“
Julia verdrehte die Augen und lachte laut auf.
„Ich will deinen Roger doch gar nicht, mir reicht ein Ehemann, der mich nervt. Aber glaub mir, wenn ich es drauf anlegen würde, du könntest überhaupt nichts dagegen tun.“
„Ach ja, könnte ich nicht? Nun, ich könnte zum Beispiel deinem Mann erzählen, was du so treibst. Ich glaube nicht, dass er begeistert wäre, zu erfahren, dass seine Frau ihm mit seinem besten Freund Hörner aufsetzt.“
„Erzähl es ihm ruhig, das ist mir völlig wurscht. Meinst du, ich weiß nicht, dass er seine Sprechstundenhilfen vögelt, wann immer er noch einen hochkriegt? Dieser Scheißkerl, zu Hause nur am Jammern über hundert Wehwehchen, aber draußen kann er seine Hose nicht zu lassen. Also bitte, erzähl´s ihm, bin gespannt, wie er reagiert.“
Julia lächelte amüsiert und strich sich mit einer Hand eine Strähne ihrer langen, schwarzen Haare hinter das Ohr, die sich aus der Spange gelöst hatte.
Unvermittelt sprang Melanie auf und packte ihre Freundin an beiden Oberarmen.
„Julia, ich warne dich! Lass deine Finger von meinem Mann oder du wirst es bereuen “
Julia lachte, befreite sich aus dem Griff und ging hinüber zur Bar.
„Du bist doch echt paranoid, ich mache dir mal einen Drink, vielleicht kannst du danach wieder klar denken. Du klingst wie in einem Kitschroman. „Lass die Finger von meinem Mann, oder du wirst es bereuen … wie albern ist das denn?“
„Dir wird das Lachen noch vergehen. Ich habe dich gewarnt, Roger ist mein Mann und das wird er auch bleiben.“
„Ach ja, wird er das? Dann will ich dir jetzt mal etwas sagen. Ich bin nicht Mutter Theresa, und nur weil du hier rumheulst oder mir drohst, werde ich mich nicht ändern. Bisher habe ich Rücksicht auf dich genommen, weil du meine Freundin bist und mir leidgetan hast, aber nach deinem heutigen Auftritt ist damit Schluss. Andreas ist ein beschissener Ehemann und ich habe es schon lange satt, mich von seinen weiblichen Angestellten von oben herab behandeln zu lassen, nur weil er mal wieder eine von ihnen gevögelt hat. Ich habe es satt, mit einem alternden Mann verheiratet zu sein. Nein, Melanie, ich werde bald vierzig und will noch etwas von meinem Leben haben. Ich werde es nicht mit einem Kerl verbringen, der mit immer jüngeren Frauen zu beweisen versucht, dass er die ewige Jugend gepachtet hat. Und dein Roger hat mir gerade erst gestern gesagt, wie sehr er die Schnauze von dir und deinen peinlichen Auftritten voll hat. Da ist es doch nicht so abwegig, wenn man sich irgendwann zusammentut, oder?“
Ein Glas in der Hand, drehte sie sich lächelnd zu ihrer Besucherin um. Der Schlag kam derart unerwartet, dass es ihr nicht gelang, die Hände schützend vor ihr Gesicht zu reißen. Melanie schlug mit der Faust zu und traf Julias Nase, aus der sofort ein Schwall Blut herausschoss.
„Bist du denn total irre?“, heulte sie auf, rannte Richtung Badezimmer, und hinterließ eine tropfende rote Spur auf dem edlen Marmorboden.
Als sie endlich die Blutung gestillt hatte und zurück ins Wohnzimmer kam, war Melanie weg. Sie ließ sich schwer in einen Sessel fallen und dachte darüber nach, was sie jetzt tun sollte.
Als sie vor acht Jahren den angesehenen Gynäkologen und Klinikchef Doktor Andreas Brandt geheiratet hatte, war sie mit Melanie schon seit einer Ewigkeit befreundet gewesen. Man sah sich weiterhin häufig, aber die ehemals fröhliche und unkomplizierte Freundin veränderte sich von Mal zu Mal und keineswegs zu ihrem Vorteil. Die alte Vertrautheit war längst verschwunden. Trotzdem hatte sie nie vorgehabt, etwas mit Roger anzufangen, das hatte sich einfach irgendwann ergeben. Sie war nicht verliebt in ihn, aber er war unterhaltsam, attraktiv und befriedigte zumindest ihr körperliches Verlangen, was Andreas schon lange nicht mehr tat.
Früher, als sie noch die Geliebte gewesen war, hatte er sich Mühe gegeben, war aufmerksam und großzügig. Fünf Jahre hatte sie da bereits als Sprechstundenhilfe bei ihm gearbeitet. Hatte miterlebt, wie seine zweite Ehe den Bach runterging und ihn getröstet. Dabei war er wahrlich nicht ihr Traummann, kleiner und über 20 Jahre älter als sie. Außerdem waren da die Verpflichtungen gegenüber zwei Exfrauen und drei Kindern, die sie alle deutlich spüren ließen, dass man keine Freunde werden würde.
Nun war er also erneut dabei, sie gegen eine Jüngere auszutauschen. Männer waren so einfach gestrickt, so leicht zu durchschauen. Sie wusste es schon lange, kannte alle seine lächerlichen Ausreden schließlich aus eigener Erfahrung. Er lief wie ein verliebter Gockel herum und bildete sich ein, sie würde es nicht merken. Seine neueste Eroberung war gerade Mitte zwanzig und hatte mit Sicherheit keine Ahnung, was auf sie zukam. Pah, im Grunde genommen tat sie der Frau einen Gefallen, wenn sie dafür sorgte, dass die sich nicht diesen alternden Typen ans Bein band.
Sie erhob sich und machte sich an die Arbeit, den verschmutzten Boden zu reinigen.