Читать книгу Rosenmedizin. So sanft heilt die Königin der Blumen - Angelika Gräfin von Wolffskeel von Reichenberg - Страница 12
Оглавление35 Millionen Jahre Rosen
Weltweit auf dem Siegeszug
Die Wälder wichen zurück, weite offene Graslandschaften breiteten sich aus. In der afrikanischen Savanne weidete vor rund 35 Millionen Jahren ein etwa 100 Kilo schwerer, pummeliger Grasfresser, groß wie ein Schaf – ein Vorfahre des heutigen Nilpferds. In Nordamerika galoppierte ein Pferd mit drei Hufzehen durch die Steppen, die Vorfahren von Wölfen, Bären und Menschenaffen streiften umher, auch frühe Nashörner, Hirsche, Kamele – und Säbelzahntiger. Und im tropisch-milden Erdzeitalter des Oligozän blühten auch die ersten Rosen und lockten mit ihrem betörenden Duft Insekten an.
»Wenn Zeus den Blumen eine Königin geben wollte, müsste die Rose diese Krone tragen.« Sappho, griechische Dichterin (etwa 600 v. Chr.)
Abdrücke ihrer Blätter und Blüten finden sich zum Beispiel im »Florissant Fossil Beds National Monument« des amerikanischen Bundesstaates Colorado – neben versteinerten Mammutbäumen und Libellen. Verschiedene Rosenfossilien sind aber auch in Deutschland entdeckt worden, das damals von weiten Sumpflandschaften bedeckt war. Ebenso finden wir sie auf dem Balkan, in Mexiko und Nordafrika. Südlich des Äquators sind dahingegen bisher noch keine Abdrücke der schönen Blumenkönigin ausgegraben worden.
Entstanden ist die Urform der Rose wahrscheinlich im Eozän vor 60 bis 70 Millionen Jahren, irgendwo in Zentralasien. Von dort aus breitete sie sich über die ganze nördliche Hemisphäre aus – und begann schon früh, die Menschen zu verzaubern. Aus der Ur-Rose entwickelten sich bis heute mehr als 200 verschiedene Arten mit mindestens 30 000 verschiedenen gezüchtete Sorten – wenn es nicht noch mehr Rosenköniginnen gibt.
Die Heckenrose war bei den Germanen der Fruchtbarkeitsgöttin Freya geweiht.
Bereits um 500 v. Chr. bewunderte der chinesische Philosoph Konfuzius (551–479 v. Chr.) die Rosen in den kaiserlichen Gärten der Verbotenen Stadt. Vor allem aber hob er hervor, dass die kaiserliche Bibliothek Hunderte Bücher und Schriftrollen über die prächtigste aller Pflanzen beherbergte. Die Gärtner der Han-Dynastie (207 v. Chr.–20 n. Chr.) waren – so berichten alte Chroniken – so besessen von der Schönheit der Blumen, dass ihre Rosengärten drohten, Ackerland zu verschlingen, das für den Anbau von Nahrungsmitteln dringend benötigt wurde. Der Kaiser persönlich musste eingreifen und anordnen, einen Teil der auswuchernden Gärten unterzupflügen. Archäologische Funde in keltischen und germanischen Dörfern beweisen, dass zumindest die Scheinfrüchte der Hundsrose, die Hagebutten, eine wichtige Rolle in der Ernährung spielten. Vermutlich wurden die Vitamin-C-reichen Früchte im Herbst gesammelt und für die langen, schweren Wintermonate getrocknet. Ähnlich wie wohl auch Schlehen und der Sanddorn garantierten sie so das Überleben in mageren Jahreszeiten. Waren ihre Kinder unruhig und schlaflos, legten die Germanen ihnen sogenannte Rosenäpfel unter das Kopfkissen. Das sind Äpfel mit Wucherungen, die durch die Gallwespe entstehen.
Die Blume der Liebe
Als Älteste aller Rosen gilt die Rosa gallica, deren Pracht iranische Dichter bereits im 12. Jahrhundert v. Chr. besangen. Dort gilt sie über 2000 Jahre auch als Blume der Liebe. Die Damaszener-Rose heißt »Gole Mohammadi«, weil ihr sanfter Duft an den Propheten Mohammed erinnern soll. Für den Islam ist die Rose ein heiliges Symbol, da sie aus einem Schweißtropfen Mohammeds entsprossen sein soll. Undenkbar also für Muslime, über Rosen zu gehen und ihre Blütenblätter beispielsweise bei einer Hochzeit zu zertreten. Der persischen Sprache verdankt die Rose auch ihren Familiennamen: Die Bezeichnung des edlen, dornigen Gewächses geht zurück auf das lateinische Wort rosa, das wiederum auf der griechischen Bezeichnung roson beruht. Roson aber leitet sich ab vom altiranischen Wurdi. Es bezeichnet nicht nur die Rose speziell, sondern bedeutet auch Blume im Allgemeinen. Die Rose als Mutter aller Blumen also.
Damaszener-Rose
Handelsware und Statussymbol
Rosen haben zwar einen hinreißenden Duft, aber nur wenig Öl. Aus drei Tonnen Blüten wird durch Dampfdestillation gerade mal ein Liter Rosenöl gewonnen. Für einen einzigen Tropfen müssen rund 500 Rosenblüten handgepflückt werden. Entsprechend teuer ist es auch. Heute kostet ein Kilo echtes bulgarisches Rosenöl im Großhandel über 5000 Euro. Früher wurde es buchstäblich mit Gold aufgewogen, der Handel mit dem Luxusartikel florierte.
Phönizier, Griechen und Römer begannen, Rosen zu züchten und mit dem flüssigen Gold zu handeln. Vom Zentrum der Rosenöl-Produktion im Iran verbreitete sich die Pflanze über den ganzen Mittelmeerraum. Der griechische Wissenschaftler und Schriftsteller Theophrastus von Eresos (372–288 v. Chr.) katalogisierte die Blumen als Erster, lieferte detaillierte botanische Beschreibungen und schwärmte von den Pflanzen, die mal fünf Blütenblätter, mal einige Hundert haben.
Alexander der Große (356–323 v. Chr.) züchtete Rosen und soll sie nach Ägypten gebracht haben. Als der berühmte britische Archäologe Sir Flinders Petrie (1853–1942) 1888 Gräber in Oberägypten aushob, fand er einen Begräbniskranz aus dem zweitem Jahrhundert v. Chr. – voller Rosen. Der asketische Exzentriker, der jeden Morgen bei Sonnenaufgang zu arbeiten begann und seine Grabungsmannschaft mit Trillerpfeifen-Lärm weckte, identifizierte sie als Rosa x richardii, eine Kreuzung aus der Rosa gallica und der Rosa phoenicia, die als »Heilige Rose Abessiniens« bekannt ist. Was Sir Flinders und seine Frau Herta verblüffte: Die Blütenblätter waren zwar verschrumpelt, hatten aber immer noch ihre zartrosa Farbe behalten. Und als der Wissenschaftler sie in Wasser legte, schienen sie wieder aufzuleben.
Archäologen entdeckten Zeichnungen von Rosen an den Wänden der Grabkammer von Pharao Thutmosis IV., der im 14. Jahrhundert v. Chr. starb. Rosenwellness und edle Deko
Auf der anderen Seite des Mittelmeers, im alten Rom, war es der Stolz eines jeden Patriziers, einen kostbaren Rosengarten zu besitzen. Für reiche Römerinnen und Römer gab es nichts Schöneres, als in einem dieser Gärten zu wandeln, die herrlichen Blumen zu betrachten und ihren Duft als Aphrodisiakum einzuatmen. Sogar das Wasser der öffentlichen Badeanstalten parfümierten sie mit Rosenwasser – der Beginn von Wellness und die Weiterführung der Aromatherapie. Denn allein schon der sanfte Geruch entspannt beim Einatmen.
Lieber Rosen als Obst oder Weizen
Beim römischen Festmahl schmückten Teppiche aus Rosen die Wege zu den reich gedeckten Tafeln, den Wein in den Kelchen verzierten schwimmende Rosenblütenblätter. Bei der legendären Festivität »Sub rosa«, die Kaiser Nero (37– 68 n. Chr.) im Goldenen Palast auf dem Palatin feierte, rieselten Hunderttausende Rosenblütenblätter und sogar Rosenöl herab. Es flossen Ströme von Wein, der nach Rosen duftete, alle Festgäste badeten in teurem Rosenwasser. Auch am Morgen nach dem großen Fest nutzten die praktisch denkenden Römer die Heilkraft der Rosen. Sie versuchten, den wegen des Katers dröhnenden Kopf mit einem Kranz aus gekühlten Rosen wieder klar zu bekommen. Mit diesem Ansatz waren sie durchaus auf der medizinisch richtigen Fährte. Rosen waren aber auch als Auszeichnung für militärische Großtaten begehrt – man denke an den Rosenkranz.
In modernen Wohlfühltempeln wird die wohltuende Wirkung der Rose auf das Nervensystem noch heute bei Massagen und Bädern eingesetzt. Rosenblätter sind ein beliebter Zusatz in Entspannungsbädern;
für die seelische Balance wird Rosenöl verräuchert.
Zurück über das Mare nostrum an die Küste Afrikas: Kleopatra (69–30 v. Chr.), die ägyptische Königin, badete nicht nur wohlig in Rosenmilch, sie nutzte die Rose vor allem als Zeichen der Liebe. Die schöne Frau auf dem Pharaonenthron begrüßte den römischen Feldherrn Marcus
Antonius (86–30 v. Chr.) in einem Zimmer, dessen Fußboden so hoch mit Rosenblütenblättern bedeckt war, dass er knietief darin versank.
Als Rom und das weströmische Reich im Jahr 476 untergingen, gab es in der Ewigen Stadt mehr als 2000 öffentliche Rosengärten, belegen historische Unterlagen. Der Dichter und Satiriker Horaz (65 v. Chr.–8 v. Chr.) hatte schon zuvor eindringlich darüber geklagt, dass überall dort Rosen wüchsen, wo eigentlich Obstgärten und Weizenfelder gedeihen sollten.
Eine Heilpflanze seit Anbeginn
Doch so wunderschön und faszinierend die Rose auch ist: Die Menschen interessierten sich schon früh nicht nur für ihre »äußeren Werte«, sondern auch für ihre medizinische Heilkraft. Der legendäre Yan-Kaiser Shen Nong (»Göttlicher Bauer«, um 2800 v. Chr.) beschrieb in seinem Arzneimittelbuch Shen Nong Ben Cao Jing 365 Pflanzen wie etwa chinesischen Zimt, Ingwer, Rhabarber oder Ginseng – aber auch die Früchte der Jin Ying Zi-Rose, die heute als Cherokee-Rose bekannt ist. Diese Wildrosenart aus Zentralchina (Rosae laevigatae fructus) gelangte bereits im 17. Jahrhundert nach Nordamerika. Dort breitete sie sich schnell aus.
Der französische Botaniker und Forschungsreisende André Michaux (1746–1802) verlieh ihr dann in seiner »Flora boreali americana« den indianischen Namen Cherokee-Rose: Er hielt sie irrtümlich für eine heimische amerikanische Pflanze.