Читать книгу Rosenmedizin. So sanft heilt die Königin der Blumen - Angelika Gräfin von Wolffskeel von Reichenberg - Страница 6

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Die schöne Mutter und ihre 30 000 Töchter

Die Rosa gallica macht den Anfang

Verfeinern, neu erfinden, aufhübschen, völlig umformen – in keine Pflanze der Welt haben Mensch und Natur so viel Kreativität, handwerkliche Züchterkunst, Geduld und Raffinesse investiert wie in die einfache Rosa gallica, die Mutter aller Rosen. Das muss wohl Liebe sein, eine andere Erklärung fällt schwer.

»Schönheit ohne Anmut gleicht einer Rose ohne Duft.« Sprichwort aus Jamaica

Bereits im Jahr 90 v. Chr. begeisterten sich römische Soldaten in Nordafrika für eine Rose, die zweimal im Jahr blühte. Das war bis dahin völlig unbekannt. Zweimal im Jahr, welch ein Wunder! Diese Tochter aus einer Ehe der Rosa gallica mit der Rosa moschata, der chinesischen Moschus-Rose, war die Rosa damascena semperflorens, die Herbstdamaszener-Rose. Wo genau die Hochzeit stattfand, ist unklar. Viele Experten tippen aber auf das persische Großreich. Entstanden jedoch ist die Damaszener-Rose dort nicht erst kurz vor der Zeitenwende. In Kleinasien und auf der Insel Samos war ihr betörender Duft schon 1000 v. Chr. bekannt und wurde in den Märchenerzählungen aus 1001 Nacht beschrieben.

Eine andere historische Rose ist die Rosa alba, die Weiße Rose, die im 15. Jahrhundert in den Rosenkriegen in England und Wales berühmt wurde. Die Wurzeln der fünfblättrigen Rose reichen aber viel weiter zurück in die Pflanzengeschichte. Sie wird im 2. Jahrhundert n. Chr. erstmals erwähnt und entstand vermutlich noch früher an den Hängen des Kaukasus. Von dort wanderte sie westwärts, eroberte schnell Griechenland und Rom.

Die im Englischen »Wars of the Roses« genannten Rosenkriege waren eine Reihe von blutigen Schlachten zwischen den eng miteinander verwandten Adelshäusern York und Lancaster. York führte die weiße Rose im Wappen, vermutlich eine Rosa arvensis (Ackerrose, Große Hundsrose), eine weiße Heckenrose, die im Norden Englands in riesigen Hecken wächst.

Die Alba-Rosen haben viele Vorfahren. Die Rosa gallica, die Rosa damascena, die weiße Hundsrose Rosa canina und die zartrosa Heckenrose Rosa corymbifera gehören dazu. Jenseits des Atlantiks hatten sich aus der Vielfalt der einheimischen Formen Nordamerikas zahlreiche Rosenarten entwickelt. Von den etwa 200 Sorten, die heute bekannt sind, stammen rund 35 von dort. Als Erste erwähnt wurde die hellrote, leicht duftende Rosa virginiana, die bereits vor 1807 die Gärten Europas verzauberte. Auch die Rosa woodsii, die bis in 3400 Meter Höhe wächst, die Sumpfrose Rosa palustris und – natürlich – die rosafarbene Rosa california kommen aus den USA oder Kanada.

Asien grüßt mit neuer Farbe

In Europa fand man Mitte des 13. Jahrhunderts hauptsächlich drei Rosengruppen: die Gallica-, die Damaszener- und die Alba-Rosen. Alle zeichneten sich durch einen strauchigen Wuchs, mattes Laub und volle Blüten aus. Der deutsche Gelehrte und Bischof Albertus Magnus (1200–1280) lobte in seinen Schriften die weiße Rose (Rosa alba), die Wein-Rose (Rosa rubiginosa), die Feld-Rose (Rosa arvensis) und verschiedene Hundsrosen (Rosa canina). Er vertrat die Auffassung, dass alle Rosen vor dem Tode Jesu weiß gewesen seien. Erst das Blut Christi habe sie rot gefärbt. Als Seefahrer dann im 16. Jahrhundert die gelbe Rose Rosa foetida aus China importierten, war die Farbe Gelb eine ungeheure Sensation. Bislang hatte es ja nur weiße oder rote bis rosafarbene Rosen gegeben. Leider durfte das gelbe Wunder nicht aus der Nähe bestaunt werden. Sie stank – was ja auch ihr lateinischer Beiname (foetida = die Stinkende) verrät.

Züchter in allen Ländern versuchten, die Eigenschaften der China-Rosen mit den heimischen Pflanzen zu vereinen. Sie sind so gesehen die genetischen Mütter aller modernen Rosen. Leider ist in ihrem Erbgut auch eine gewisse Kälteempfindlichkeit angelegt, die die alten historischen Rosen nicht hatten.

Im 18. und 19. Jahrhundert intensivierte sich der Handel mit Asien, die chinesische Rose Rosa chinensis eroberte die Märkte. Eine von ihnen war die Old Blush, auch als Parsons’ Pink bekannt, die 1752 erstmals in Dänemark erwähnt wird. Um 1808 wird die Rosa x odorata, die zierliche Tee-Rose beliebt, die zart nach Tee duftet. Die neuen China-Rosen hinterließen europaweit einen gewaltigen Eindruck. Sie blühten zweimal im Jahr, und das über eine längere Periode, waren ziemlich zäh und nahezu immergrün und ziemlich resistent gegen Schimmelpilze.

Ein Händchen für Rosen

Heute sind die Niederländer vor allem für ihre Tulpen und Blumen-Massenware bekannt. Doch schon Ende des 16. Jahrhunderts entwickelten sie ein feines Gespür für Rosen. Sie züchteten die Rosa centifolia, die Hundertblättrige Rose. Die komplexe Kreuzung aus Rosa gallica, Rosa moschata, Rosa canina und Rosa damascena stammt also nicht von den alten Griechen und Römern, wie viele glauben. Die üppigen, prallen Blumen, auch Kohl- oder Provence-Rosen genannt, begeisterten und fanden sich auf vielen Gemälden der großen flämischen Meister wie Ambrosius Bosschaert (1573–1621), Jan Brueghel der Ältere (1568–1625, »Blumen-Brueghel«) oder Gerrit van Spaendonck (1746–1822). Eine Mutation der Zentifolien ließ Blütenstiele und Kelche aussehen wie von zartem Moos bewachsen – die Moos-Rose (Rosa muscosa) war geboren.


Die Hundertblättrige Rose Rosa centifolia – Züchtung der Holländer.

Der größte Rosenfan um 1800

Die Rose hatte um 1800 viele Verehrer und unzählige Herzen im Sturm erobert. Doch der wohl größte Rosenfan war die französische Kaiserin Josephine (1763–1814), Gattin Napoleons. In ihrem Palastgarten in Malmaison bei Paris sammelte sie in 16 Jahren bis kurz vor ihrem Tod rund 250 Rosensorten. Ihr Mann und Eroberer Napoleon befahl seinen Generälen, bei ihren Feldzügen auf neue, unbekannte Rosen zu achten und sie heim nach Frankreich zu bringen. Ihr Rosengarten war so berühmt und geachtet, dass die Briten sogar die Seeblockaden gegen Frankreich lockerten, damit Josephines Chefgärtner den Kanal überqueren konnte.


Rosen sind seit Jahrhunderten Schmuckelemente in Gärten.

Ihre Leidenschaft ließ in ganz Europa, vor allem aber in ihrer Heimat, ein mächtiges Feuer der Begeisterung für Rosen aufflammen. Frankreich wurde zur Rosennation. Schon 1815 waren bei den dortigen Züchtern über 2000 Rosenvarianten im Handel, zehn Jahre später schon unglaubliche 5000. Am populärsten war damals die Rosa x borboniana, die Bourbon-Rose, die 1817 von der Insel Réunion (damals Île de Bourbon genannt) bei Madagaskar im Indischen Ozean stammte. Sie war ursprünglich zwar knallig pink, ist aber verantwortlich für den satten Rotton vieler heutiger Rosen.

Um 1837 wurden die ersten Hybrid-Rosen vorgestellt, eine Züchtung aus der Bourbon-, Damaszener-, China-, Portland-, Kohl-, Tee- und der Noisette-Rose aus Süd-Carolina, die der amerikanische Reispflanzer John Champney entwickelt hatte. Die Hybride waren kompakt, blühten zuverlässig und stellten sich als recht unempfindlich gegen kaltes Wetter heraus. Die erste hieß »la France« und wurde 1867 vorgestellt.

»Um der Schönheit willen heiraten, ist ebenso viel, als um der Rose willen ein Landgut kaufen. Ja, das letztere wäre noch vernünftiger; denn die Rosenzeit kommt doch jährlich wieder.« August von Kotzebue (1761–1819)

Rotkäppchen erblickt das Licht der Welt

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts züchtete der Däne Svend Poulsen eine Rose, die sogar den eisigen Wintern Skandinaviens trotzen sollte. Er hatte Erfolg. 1911 erblickte seine Züchtung »Rødhætte« (Rotkäppchen) das Licht der Welt. Die neue Rosenklasse Polyantha ist heute als Floribunda-Rose bekannt. Die kleinwüchsigen Rosen haben viele Blüten, die an Edelrosen erinnern. Manchmal stehen sie so dicht an dicht, dass sie wie eine Dolde wirken.

Auch Kletterrosen wurden immer beliebter. Ihre Vererbungslinie ist allerdings oft unklar und schwer zu fassen. Viele dürften aber von der karmesinroten Japan-Rose, Crimson Rambler genannt, abstammen, die im Jahre 1893 nach Europa kam.

Mit dem Zweiten Weltkrieg verlangsamte sich der Boom der Hybrid-Rosen. Doch danach lebte er schnell wieder auf. Die erste orange-rote Hybrid-Rose war 1960 zu bewundern, als der deutsche Rosenzuchtbetrieb »Rosen Tantau« in Uetersen bei Hamburg seine »Tropicana« vorstellte. Heute gibt es weltweit mehr als 11000 Hybridrosen – und mindestens 19000 andere Rosenzüchtungen. Und ein Ende der Rosenvielfalt ist nicht einmal ansatzweise abzusehen.

Rosenmedizin. So sanft heilt die Königin der Blumen

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