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5. Hochsaison

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Die Fahrzeuge, die nun von der Bahn kamen, waren voll besetzt. Zwischen Kolberg und Berlin fuhren die Bäderzüge durchgehend, ohne anzuhalten, die Fahrgäste hatten es bequem. Die zu uns wollten, brauchten nur in Kolberg umzusteigen und einige Minuten später stiegen sie in Henkenhagen aus. Ein richtiger Strom von Menschen kam mit jedem Zug hier an.

Viele hatten noch keine Quartiere. Sie gingen zur Bäderverwaltung und ließen sich welche zuweisen. Sogar die Bauern schickten Fahrzeuge zur Bahn und nahmen Gäste mit ins Dorf, denn sie wollten sich auch ein paar Mark verdienen. Die Saison war für alle da.

Die meisten Gäste fuhren immer in denselben Ort und sogar in dasselbe Quartier. Nach Henkenhagen kamen in jedem Jahr mehr Gäste. Es sprach sich herum, dass gerade unser Ort für eine intensive Erholung besonders geeignet war. Hier war der Strand noch frei und sauber und die Natur noch ursprünglich und es wurde alles getan, um die Gäste zufrieden zu stellen.

Der Meister hatte auch zwei Verkäuferinnen eingestellt, die aus Berlin kamen. Sie konnten am besten mit den Berliner Badegästen umgehen, denn den Berliner Dialekt erkannte man sofort. Die Berliner fühlten sich bei uns wie zu Hause. Unsere Arbeit begann früh um vier oder auch früher, das befahl der Meister. Ein jeder stand an seinem Arbeitsplatz und es wurde viel geschafft. Wir hatten einen neuen Dampfofen und es arbeiteten sechs Mann und sorgten für das leibliche Wohl der Gäste. Wir konnten herstellen, was wir wollten, nichts war zu viel. Des Morgens war der Laden wie leergefegt. Als erstes machten wir sofort 80 Pressen Brötchen und die reichten gerade bis Mittag. Ich fuhr sogar schon um sechs Uhr los und belieferte zuerst die Hotels und Gaststätten. Erst danach kamen die privaten Kunden dran. Emil fuhr jeden Morgen mit dem Pferdewagen nach Ziegenberg. Oft warteten meine Kunden schon auf die Brötchen, denn sie wollten an den Strand gehen. Die Kunden in der Nähe wurden von Marie bedient, die auch austragen musste. Ich wunderte mich eigentlich, warum sich die Badegäste die Brötchen ins Haus bringen ließen. Hatten sie nicht genug Zeit zu einem Morgenspaziergang zur Bäckerei? Aber sie liebten die Bequemlichkeit. Wenn alle drei Bäcker gesagt hätten, wir bringen keine Brötchen mehr ins Haus, dann hätte man nur die Hotels und Gaststätten beliefern müssen. So gab es jeden Morgen eine Aufregung und ein Durcheinander. Jeder musste aufpassen, damit nichts vergessen wurde. Bereits um sechs wurde der Laden aufgemacht. Die Verkäuferinnen und Luzie hatten zu tun, denn schon warteten die Frühaufsteher vor dem Laden. Andere lagen in den Federn bis sie der Bäckerjunge weckte. Manche gingen schon vor dem Frühstück an den Strand und betätigten sich zuerst sportlich.

Wann wird es einmal so ein Leben für mich geben? fragte ich mich. Vielleicht, wenn ich Geselle bin? Aber nein, dann muss ich doch wieder für andere arbeiten. Viel

leicht überhaupt nicht! stellte ich melancholisch fest und machte meine Arbeit.

Als ich dann gegen 10 Uhr zurück kam, war der größte Teil des Kuchens schon fertig; ich hatte nichts davon gesehen. Wann sollte ich es denn lernen? Ich hatte doch keine Gelegenheit dazu. Eine Menge Nebenarbeit wartete bereits auf mich, es war jeden Tag dasselbe. Allmählich wurde ich stur. Als ich das jedoch bemerkte, nahm ich mich zusammen, um es niemand merken zu lassen. Mit dem Meister sprach ich kaum ein Wort. Er kümmerte sich überhaupt nicht um mich und meine Arbeit. Ich hatte zu tun, was mir Arno und die übrigen Gesellen sagten. Ob und wie ich meine Arbeit schaffte, war ihm scheinbar egal. Wie lang meine Arbeitszeit war, kümmerte ihn auch nicht. Er hatte den Kopf voll, wenn die Geschäfte laufen sollten.

Wann beginnt eigentlich meine richtige Lehrzeit? Wann weiht man mich endlich in die Geheimnisse des Bäckerhandwerks ein? fragte ich mich. Vielleicht in der Nachsaison oder im Winter? Aber dann gibt es keinen Kuchen, sondern nur Brötchen und Brot. Die Gesellen hatten ebenfalls keine Zeit. Während der Arbeit sprach man nur das, was unbedingt gesprochen werden musste. Jeder dachte nur an sich und an seine Arbeit. Nach Feierabend verschwand jeder auf seine Weise. Mir allein blieb die Arbeit des Aufräumens. Manchmal kam Emil dann in die Backstube. Bist du noch nicht fertig? fragte er. Die Gesellen haben schon ausgeschlafen und gehen jetzt zum Strand. Ja, die Gesellen, sagte ich dann, die haben es sicherlich nötig. Hast du schon Kohlen geholt? fragte er dann. Emil half mir öfters, er war nicht der Schlechteste.

Manchmal kam ich erst abends um 10 Uhr aus der Backstube. Ich musste nach dem Abendessen nochmals hinein, denn den Sauer machen hatte Arno auf mich abgewälzt. Ich müsse es ja schließlich lernen, sagte er. Ich kam gar nicht mehr dazu, mich umzuziehen; wozu denn auch, ich war ja zu müde, um noch etwas zu unternehmen. An den Strand kam ich kaum einmal sonntags und zu Hause warteten sie auch vergeblich auf mich. Ja, die Hauptsaison hatte einen ganz anderen Menschen aus mir gemacht. Ich hatte den Ernst des Lebens kennengelernt. Jetzt kannte ich die drei wichtigsten Dinge, die es für mich gab: Arbeiten, schlafen und essen. Alles andere war Luxus!

An den Sonntagen schlief ich lange und am Nachmittag lohnte es sich nicht mehr, meine Eltern zu besuchen. Außerdem war es zu heiß, den langen Weg nach Lindenhof zu laufen. Außerdem wollte ich mir auch den Betrieb auf der Straße und am Strand ansehen.

Am Badestrand wurde jeden Tag die Temperatur des Wassers und der Luft gemessen und auf eine Tafel geschrieben. Hier lagen auch Rettungsboote und an diesem Strand gab es verschiedene Rettungsringe. Verschiedene gute Schwimmer stellten sich dem Bademeister ehrenamtlich zur Verfügung. Sie durften die Boote benutzen und fuhren außerhalb der Abgrenzung auf dem Wasser hin und her. Sie hatten ebenfalls Rettungsringe dabei. Trotzdem gab es in jedem Jahr Badeunfälle. Das war dann eine Aufregung, die wie ein Lauffeuer durch das ganze Dorf lief. Die einen bedauerten die Opfer, die anderen schimpften über ihre Leichtsinnigkeit.

Für Theodor Schönberg war dies die beste Zeit. Seine beiden Boote waren immer unterwegs. Einer der Jungen war immer am Strand und der andere im Geschäft, sie wechselten sich ab. Oft setzten sie die Segel und sahen sehr flott aus. Manchmal entfernten sie sich soweit vom Strand, dass der Vater mit dem Feldstecher nach ihnen Ausschau hielt. Verschiedene Fischer benutzen ihre Boote an den Sonntagen auch zu Rundfahrten. Auch sie wollten durch die Badegäste verdienen. Das Risiko war groß, wenn die Gäste ein Boot mieteten; sie waren mit den Verhältnissen der See nicht vertraut und konnten abgetrieben werden. Weit draußen waren die Wellen haushoch, während es am Strand fast windstill war. Mit der See war nicht zu spaßen.

In der Woche hatte ich keine Zeit, an den Strand zu gehen, denn da wurde nur gearbeitet. Da reichte die Zeit kaum zu einem Sprung auf die Düne hinter der Waschküche. Aber an den Sonntagen, wenn keiner hinter mir stand, da konnte ich mir das Strandleben ansehen.

Das war ein Leben am Strand! Ein Strandkorb stand neben dem anderen. Ringsherum hatten Kinder Burgen gebaut und Fähnchen flatterten im Wind. Der ganze Strand war wie umgewandelt. Man lebte hier wie im Paradies, so kam es mir vor. Man faulenzte, ließ sich von der Sonne bescheinen oder tummelte sich im Wasser. Der Bademeister ging ruhigen Schrittes am Strand entlang. Sein geübtes Auge tastete das Wasser ab. Er blies ins Horn, wenn jemand zu weit ins Wasser vorgedrungen war. Er hatte die Verantwortung für die Badegäste. Besonders bei den weiblichen Badegästen war er sehr beliebt. Er war braun gebrannt und stets guter Laune. Er konnte aber nicht überall sein, denn der Strand war lang. Schon oft wurde die Frage gestellt, warum die Kurverwaltung keinen zweiten Bademeister einstellte, denn in jedem Jahr mussten einige ihre Urlaubsfreude mit dem Leben bezahlen. Aber es gab genug Hinweistafeln. Wenn man sich danach gerichtet hätte, brauchte es keine Badeunfälle zu geben.

Ein Teil des Strandes wurde als Badestrand gekennzeichnet und wurde bewacht und der andere Teil war der Freibadestrand. Dort standen große Tafeln, auf denen „Baden auf eigene Gefahr“ stand. Hier badete ein großer Teil der Badegäste, besonders die, die da glaubten, sie brauchten keine Aufsicht. Die Bootseigentümer taten am besten, wenn sie den Gästen ans Herz legten, nicht weiter als 100 Meter hinauszufahren und dann immer parallel zum Strand zu fahren. Aber auch der Bademeister wachte darüber. Er hatte ein Sprachrohr und einen Feldstecher. Die Kinder hatten das größte Vergnügen, sie bauten Burgen, spielten Ball oder tummelten sich im Wasser.

Ich dachte an die Zeit, als ich noch in Lindenhof war. Da hatte ich keine Ahnung vom bunten Strandleben. Damals war mir der Weg hierher zu weit. Nun war mir der Weg nach Lindenhof zu weit.

Wenn es mir am Strand langweilig wurde, ging ich die Fischerstraße entlang. Hier traf ich manchmal Jungen in meinem Alter, die wie ich Lehrling waren. Heute traf ich Helmut, den ich schon in den ersten Tagen kennengelernt hatte. Wir schlenderten gemeinsam weiter bis zum Kurhaus und sahen in den Garten. Hier stand schon eine Menge Schaulustiger. Die Musik spielte, einige tanzten auf der Tanzfläche, während die meisten an den Tischen saßen und bei einem Glas Bier oder einem Eis Erfrischung suchten. Möchtest Du gern hineingehen? fragte ich Helmut, als wir eine Weile zugeschaut hatten. Er hatte genau so wenig Lust wie ich. Wir kauften uns eine Eiswaffel für 10 Pfennig und das genügte uns. Als wir hier nichts Neues mehr entdecken konnten, gingen wir in die Afrika Diele. Hier war es weniger vornehm als im Kurhaus, man fühlte sich schon heimischer, zumal es hier sehr gepflegt zuging. Hier spielte die Kapelle heitere Weisen und man konnte auch hier das Tanzbein schwingen. Doch für Lehrlinge war auch hier kein Platz, denn wir hatten zu wenig Geld in der Tasche.

Von hier gingen wir auf die Düne und setzten uns auf eine Bank unter schattigen Bäumen. Wir fanden gerade noch zwei Plätze nebeneinander. Nun weiß ich, was es bedeutet, sagte ich zu Helmut, in der Hochsaison hier Urlaub zu machen. Als ich das erste Mal hörte, dass man schon am Nachmittag hier im Freien tanzen könne, fragte ich noch ganz naiv: Ja, müssen denn die Leute nicht arbeiten? Helmut lachte und sagte: Nicht so laut, sonst drehen sich die Leute nach uns um.

Schon am frühen Nachmittag begann der Tanz in den Freilichtanlagen. Nicht nur in diesen beiden, die wir gerade gesehen hatten. Im Strandschloss tanzte man in der Glasveranda. Es waren eben die „goldenen Zwanziger Jahre“ und da wollte man sich vergnügen. Es wurde viel getrunken und Eis gegessen. Alles war ja so billig und das Geld war nicht gerade knapp. Nur bei mir wollte kein Geld fließen; ich musste noch warten. Getanzt wurde bis zum Einbruch der Dämmerung. Nun ging es weiter unter bunten Lampions und wenn es draußen zu kühl wurde, zog man sich in die inneren Räume zurück. Meist gab es zwei Kapellen oder man sandte Radiomusik auf die Tanzfläche. Oft gab es auch eine Stimmungskanone, die die Musik untermauerte und für Stimmung sorgte. Die Kapellen kamen aus Berlin, damit machte man Reklame. Sie allein zogen die Gäste an und es sprach sich sehr bald herum. Man ging nur wegen der Kapelle zum Tanzen. Die Afrika Diele hatte in diesem Jahr eine tolle Stimmungskanone. Der Mann verstand es, die Leute mit sich zu reißen. Die Kapelle spielte und er sang ins Mikrofon. Besonders sein Nischnij Nowgorod hatte es ihnen angetan. Damit schlug er jeden Rekord. Die Melodie und der Text waren hinreißend und noch vielmehr der Tanz, den der Mann aufführte.

Hast du schon den Komiker in der Afrika Diele mit seinem Nischnij Nowgorod gehört? fragte ich Helmut. Nein, sagte Helmut, was ist denn das? Komm, dann gehen wir hin. Vielleicht haben wir Glück. Leider hatten wir kein Glück. Wir warteten bis es dunkel wurde, dann musste ich nach Hause, denn es war Abendbrotzeit und ich musste ja den Sauer machen, sonst hätten wir morgen kein Brot backen können. Ja, als Lehrling hatte ich eben doch Verantwortung. Helmut wollte unbedingt noch dableiben.

Der Garten war voll besetzt, auch auf der Straße standen die Menschen in Mengen. Alle warteten auf die große Schau, auf sein Nischni Nowgorod und auf seinen Kosakentanz. Ich musste gehen, wenn ich nicht Ärger bekommen wollte. Arno wird

sicherlich schon auf mich warten.

Als ich auf den Hof kam, sah ich schon die erleuchtete Backstube. Arno ging auf und ab, Herr Piltz war bei ihm. Ich ging sofort hinein und begrüßte sie. Na, wo warst du denn so lange? fragte Arno. Ich dachte: wenn er weiter nichts sagt, dann geht es ja noch. Ein wenig schuldbewusst fühlte ich mich schon, aber sonst musste ich fast immer auf Arno warten. Ich zog sofort mein Jackett aus und krempelte die Ärmel hoch. Dann band ich meine weiße Schürze um und setzte die Mütze auf. Nun konnte es losgehen. Zuerst machte ich den Grundsauer für das Brot. Arno und Herr Piltz waren sonntäglich gekleidet, sie besprachen den morgigen Ablauf der Arbeit. Schließlich band Arno sich auch eine weiße Schürze um und wog für den Brötchenteig ab. Auch der Schneckenteig wurde vorbereitet und der Teig für den Blechkuchen. Meine Arbeit ging mir flott von der Hand. Anschließend machte ich die Hefestücke für das Weißgebäck. Herr Piltz sah mir zu und machte einige zufriedenstellende Bemerkungen. Er selbst legte nicht Hand an. Der Meister kam, als bereits alles fertig war. Während ich mir die Hände wusch, besprachen sie nun zu dritt die Arbeit des nächsten Tages. Ich ging anschließend in die Küche und aß mein Abendbrot. Marie hatte es bereits vorbereitet. Wo warst du denn den ganzen Nachmittag? fragte sie, als ich aß. Wo man so als Stift hingeht, sagte ich und grinste. Zuerst war ich am Strand und nachher war ich mit Helmut in der Fischerstraße vor dem Kurhaus und der Afrika Diele. Na ja und nun will ich noch ein wenig auf die Straße gehen. Sie gehen sicher noch ins Jamundhaus, fragte ich und sie antwortete lachend: Warum eigentlich nicht? Sehen Sie, sagte ich, das habe ich schon erraten.

Ich ging also auf die Straße. Emil war nicht mehr da. So sah ich mir zuerst das Leben im Strandschloss an. Hinein wagte ich mich jedoch nicht, denn es hätte ja jemand von unserem Betrieb da sein können. Das Risiko wollte ich nicht auf mich nehmen. Ich schaute nur von der Straße durchs Fenster hinein. Langsam ging ich die Dorfstraße entlang; es waren um diese Zeit noch viele Menschen unterwegs. Alle wollten die herrliche Luft genießen. Ich kam an der Bäckerei meines Kollegen Willi Freitag vorbei, sah ihn aber nicht. So stand ich plötzlich vor dem Kurhotel. Dieses Haus lag nicht direkt am See, sondern an der Dorfstraße im Ostteil des Ortes. Zu diesem Hotel gehörte ebenfalls ein großer Garten. Auch hier fanden täglich Konzerte statt und an den Abenden war auch hier Tanz. Viele Menschen standen an den geöffneten Fenstern und hörten zu. Ich stellte mich ebenfalls dazu, um ein wenig zuzuhören. Man konnte sogar sehen, wie sich Paare im Tanzschritt bewegten. Wie groß sind doch die Unterschiede im Leben, stellte ich fest. Die einen konnten sich vergnügen solange sie wollten und den anderen saß das harte Muss im Nacken.

Nun wollte ich noch zum Jamundhaus gehen, um zu sehen, ob Marie wirklich da war. Ich ging also bis ans Ende des Dorfes, bis zum Sportplatz, denn hier stand das Jamundhaus. Hier saß ein Spielmann auf einem Schemel und spielte Harmonika. Der Saal war nicht groß, aber dafür gerammelt voll. Der Gesang der angetrunkenen Burschen und Mädchen war manchmal lauter, als der Klang der Harmonika. Sie sangen sogar noch weiter, als die Musik längst verklungen war. Es war ein lauter Betrieb und die Jugend des Dorfes amüsierte sich auf ihre Art. An einem Tisch in

der Ecke entdeckte ich Marie mit ihrer Schwester, die ich auch schon kannte. Die Schwester war verlobt und der eine Herr schien ihr Verlobter zu sein. Aber der andere, das war doch Ernst Holz, hatte der sich in die Marie verliebt? Na, ich werde sie morgen einmal fragen. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht wissen und so begab ich mich wieder auf den Heimweg, denn es war bereits neun Uhr vorbei. Ich musste in die Falle, denn um vier war für mich die Nacht vorbei. Leider verlangte es der Ernst des Lebens von mir.

Die neue Woche begann, wie nicht anders zu erwarten, mit einem guten Start. Die Arbeit nahm mich voll und ganz in Anspruch, der Laden war wie leergefegt und so mussten fast alle Backwaren neu hergestellt werden. Vorläufig gab es keine Pause. Die Brötchen waren noch längst nicht fertig, da rief die Frau Meisterin nach mir. Wieder brachte ich zuerst die Brötchen zu den Hotels, erst dann ging ich auf die erste Tour. Ich hatte sogar noch neue Kunden dazu bekommen. Ich fühlte mich wirklich frei, als ich aufs Fahrrad stieg. Nutze die Gelegenheit, dachte ich, denn sie ist besser als man denkt. In den kleinen Pausen aß ich schnell einen Happen, dass tat ich jetzt ausgiebiger als in den ersten Tagen. Sogar Kaffee ließ ich mir von Marie geben. Die Frau Meisterin oder Luzie zählten inzwischen ein. Ich kannte meine Tour und wusste, wer dazu gehörte. Inzwischen machte mir die viele Arbeit kaum noch etwas aus. Ich dachte: Man kann immer nur eine Arbeit machen und erst hinterher die andere. Man durfte sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Gerhard Peters, der junge Geselle, konnte ja auch mal zupacken, wenn Not am Mann war. Ja, es warte-te allerhand Arbeit auf mich, als ich dann zurück war. Hatte ich wirklich mal eine kleine Pause, dann huschte ich schnell auf die Düne und pumpte meine Lungen voll mit der reinen Meeresluft. Ich musste aber hierbei auf der Hut sein, denn auf einmal konnte Arno neben mir stehen oder ein anderer Geselle, der mich sanft aufforderte, wieder in die Backstube zu kommen. Ich entschuldigte mich dann sofort und verschwand von der Düne. Jeder von uns nutzte die Gelegenheit zu einem Sprung auf die Düne und einen Blick auf den Strand.

Wenn man das Leben am Strand sah, konnte man für einen Augenblick die Arbeit vergessen. Oft gab es solche Augenblicke nicht, denn es gab immer Arbeit in der Backstube. Im Grunde war ich jetzt immer froh, wenn etwas wegzubringen oder zu holen war, denn dann war ich an der frischen Luft. Das Radfahren war für mich zur Routine geworden, es gefiel mir besser als das Arbeiten. Natürlich wusste ich, dass ich nur in der Backstube etwas lernen konnte. Oft musste ich nach Ziegenberg fahren oder zur Molkerei, trotzdem war ich nicht böse darum. Meist dauerte solche Fahrt eine Stunde und die Arbeit ging ohne mich weiter.

Jetzt im Sommer wollte ich dem Konditor helfen, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Das konnte ich allerdings nur, wenn für mich die Arbeit in der Bäckerei beendet war. Es gehörte schon ein wenig Idealismus dazu, wenn man neben der Arbeit in der Bäckerei noch zusätzlich in der Konditorei helfen wollte, anstatt sich auszuruhen.

Die Arbeit in der Bäckerei glaubte ich zu beherrschen, wenn Arno das auch nicht zugeben wollte. Eigentlich durfte ich das selbst noch nicht glauben, denn ich war ja

noch kein halbes Jahr hier. An der Beute konnte ich arbeiten, das bildete ich mir jedenfalls ein. Sicherlich gab es in der Bäckerei mehr zu lernen, als ich glaubte, sonst würde man doch nicht drei Jahre lernen müssen. Also hatte ich Zeit genug und brauchte nicht zu denken, ich versäume etwas durch die vielen Brötchen Touren. Drei Jahre, das war noch eine lange Zeit.

An manchen Sonntagen ging ich auch vormittags an den Strand. Ich fühlte mich dann ebenfalls als Badegast, ich lag im Sand und ließ mich von der Sonne bescheinen und genoss das Gefühl der Freiheit und Frische des Meeres. Gewiss, das Wasser kam mir ein wenig kalt vor, aber es erfrischte und tat gut. Die warme Luft der Backstube, der Schweiß, der den Körper bedeckte, war auf einmal wie weggespült.

Mein Weg ins Leben

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