Читать книгу 7 Jahre Schneeregen - Anke-Larissa Ahlgrimm - Страница 7

IV

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[5. Januar, 2008]

„Cherry, ich hab da etwas in der Zeitung entdeckt“, hörte ich Havens Stimme, bevor ich ihn überhaupt sehen konnte. Momentan eilte er die Treppen zu meinem Zimmer hoch, bevor er keuchend herein gestürzt kam. In der Hand hielt er einen Zeitungsausschnitt, den er wahrscheinlich aus der Tageszeitung seiner Mutter geschnitten hatte. Ich schnappte ihm den Zettel aus der Hand und studierte ihn gründlich. Es handelte sich um eine Anzeige, die ankündigte, dass sich das jährliche Volksfest gerade wieder in der Nähe von London befand.

Ich stieß ein tiefes Seufzen aus. „Und jetzt zeigst du es mir, um mir wieder unter die Nase zu reiben, dass ich dort nicht hin kann? Merci beaucoup.“ Havens genervtes Stöhnen ignorierte ich gekonnt und fuhr fort meine frisch gebügelte Wäsche auf meinem Bett zu falten.

„Nein, natürlich nicht. Du wirst mitkommen“, sagte Haven und erntete bloß eine gehobene Augenbraue meinerseits. „Wir haben schon ein Gruppenticket für die Zugfahrt gekauft und für dich ist noch ein Platz frei. Bitte, Cherry.“

Ich verkniff mir ein weiteres Seufzen. „Haven, du weißt, dass meine Mutter das nicht so lustig fände. Ich muss auf meine Brüder aufpassen“, erklärte ich sachlich und räumte einen Stapel Shirts in meine Kleiderkommode. Haven beobachtete mich nachdenklich.

„Und warum ist dann Bethany unten und sorgt dafür, dass deine Brüder beschäftigt sind?“

Weil Bethany doof ist und meine Mutter ihr mehr zutraut als mir. „Weil sie nun mal unser Babysitter ist. Sie würde mich auch nicht gehen lassen.“

„Falsch“, kam es von Haven, wie aus der Pistole geschossen und als hätte er bereits erwartet, dass ich dies sagte. „Ich habe aus ihr bereits eine Erlaubnis gekitzelt. Außerdem wird sie deiner Mutter nichts verraten.“ Während Haven mich nun mit einem triumphierenden Blick bedachte, erlaubte ich mir zum ersten Mal auszumalen, wie es wäre, wenn ich mit Haven nach London fahren würde. Ich war schon ewig nicht mehr auf diesem Volksfest gewesen. Nicht mehr, seit mein Vater uns im Stich gelassen hatte. Und mit dem ganzen Stress von der Schule und meiner Mutter, hatte ich einen lustigen Tag wirklich verdient.

Haven schien bereits zu wissen, dass er mich weich gemacht hatte. „Los, zieh dich an und pack etwas Geld ein. Ich werde dir nicht alles bezahlen.“ Grinsend griff ich nach meinem Geldbeutel, der auf meinem Nachttisch lag. Das hieß zumindest, er würde etwas für mich bezahlen. Im Eiltempo zog ich mir meinen dicken Mantel an und schlüpfte in meine Winterstiefel. Es war schließlich immer noch Januar.

„Wer kommt jetzt noch mit?“, fragte ich, als wir bereits beinahe am Bahnhof angekommen waren. Ich hatte das Haus ohne ein Wort verlassen, da ich nicht wollte, dass meine Brüder mitbekamen, wohin wir fahren würden.

„Alicia, Julie und Scott.“ Die vier waren beste Freunde und gingen auf die gleiche Schule. Nächstes Jahr würden sie gemeinsam ihren Abschluss machen und dann würde Haven vermutlich Fotografie studieren. Ich vermied es, an diese Zeit zu denken, da Haven vermutlich wegziehen würde und ich ihn so selten sehen würde. „Oh, da sind sie ja schon.“ Mein Blick, der bis gerade eben noch auf den dreckigen Spitzen meiner Schuhe gehaftet hatte, richtete sich nun auf die drei Jugendlichen. Auch aus der Ferne konnte ich entdecken, wer von den Personen wer war, da Julie und Scott seit einigen Monaten nun schon ein Paar waren. Deswegen war es nur logisch, dass es sich bei den beiden Figuren, die an der Wand lehnten und sich küssten, um die beiden handelte. Ich war zwar aus dem Alter raus, indem ich küssen absolut ekelhaft fand, allerdings wollte ich mir diesen Anblick, der mir gerade geboten wurde, auch nicht wirklich antun. Haven ging es wohl ähnlich, da er leicht sein Gesicht verzog und dann ein lautes Pfeifen ausstieß, kaum waren wir in Hörweite. Julie erschreckte sich fürchterlich und stieß Scott von sich. Lachend beobachtete ich, wie Julie sich eine Hand auf ihr Herz legte und Scott sie irritiert anblickte, bevor er zu Haven sah.

„Jo, Haven, man kann auch sanfter auf sich aufmerksam machen“, sagte Scott genervt. „Mein Mädchen hat fast einen Herzinfarkt bekommen.“

„Man kann es auch lassen, seiner Freundin in der Öffentlichkeit die Zunge in den Hals zu stecken“, erwiderte Haven belustigt und umarmte Alicia zur Begrüßung. Das blonde Mädchen küsste meinen besten Freund auf die Wange, bevor sie auch mich in eine feste Umarmung zog.

„Hey, kleine Maus. Schön dich wiederzusehen“, sagte sie lächelnd. Von allen Freunden von Haven hatte ich sie am liebsten. Oft hatte ich gedacht, dass Haven vielleicht in sie verliebt sei, aber beide stritten dies immer ab. Man muss nicht mit jemandem zusammen sein, um ihn zu lieben. Manchmal ist es besser einen guten Freund zu haben als alles anderes, hatte Alicia mal gesagt. Seit dem trug ich dieses Zitat immer mit mir herum.

Die Zugfahrt nach London dauerte etwa vier Stunden und mit jeder Stunde, die verging, bemerkte ich, dass nicht nur ich verdammt aufgeregt war. Es war nicht ganz klar, wie sich vier 17-jährige so auf ein Volksfest freuen konnten, doch sie taten es. Alicia hörte gar nicht auf von ihren hohen Erwartungen und den vergangen Malen, die sie dort war, zu erzählen, während Julie davon schwärmte, dass Scott ihr einen Teddybären schießen würde. Haven dagegen nervte mich damit, mir aufzuzählen, was er alles mit mir machen wollte.

„Ich fahre kein doofes Kettenkarussell mit dir“, jammerte ich noch, als wir bereits aus dem Zug ausstiegen. Meine Hand war mit seiner verflochten, damit wir uns in den Massen am Londoner Bahnhof nicht verloren. „Ich mag die nicht. Die drehen sich viel zu schnell im Kreis.“

„Bist du nicht letztes Jahr im Disneyland mit der Loopingbahn gefahren?“, hakte Haven amüsiert nach und steuerte die Gruppe zu dem Platz, auf dem das Volksfest stattfand. „Das finde ja sogar ich bescheuert.“

Ich rollte mit den Augen. „Loopingbahnen fahren nicht immer die gleiche Bewegung. Es ist nur natürlich, dass man einen Drehwurm kriegt, wenn man sich dauernd im Kreis dreht.“

„Du bist komisch“, murmelte Haven noch, bevor meine Aufmerksamkeit von dem Volksfest beansprucht wurde. Sprachlos blieb ich am Eingang stehen und betrachtete, was sich vor mir erstreckte.

Dies war nicht nur irgendein Volksfest, das es auch im Sommer gab. Nein, es fand stets im Winter statt und es ähnelte eigentlich einem Weihnachtsmarkt. Nur drehte sich nicht alles um Weihnachten. Es gab Fahrgeschäfte, Schießbuden, eine Eisfläche zum Schlittschuhfahren und dutzende Stände, an denen man Süßigkeiten, Getränke, Kerze und vieles mehr kaufen konnte. Für mich – die den Winter vergötterte – war es das Paradies.

„Rubie, komm!“ rief Alicia begeistert aus und zog mich zu dem nächstbesten Fahrgeschäft. Bevor ich es überhaupt realisiert hatte, hatte sie für uns beide bezahlt und schob mich zu einem Wagen. Als ich darin saß und ein Mann unsere Bügel schloss, fiel mein Blick auf Haven, welcher noch neben der Kasse stand und mich breit angrinste. Ich winkte ihm noch einmal zu und dann fuhr unser Wagen auch schon los.

„Es war Havens Idee“, sagte Alicia, als wir noch langsam vor uns her tuckerten. „Ich meine, mit dir hierhin zu fahren. Er hat gesagt, du würdest mal wieder einen spaßigen Tag verdienen.“

„Echt?“ Ich drehte meinen Kopf, sodass mein Haven, der sich gerade mit den anderen Zweien unterhielt, wieder in meinem Blickfeld war.

„Wir haben alle etwas Geld beiseitegelegt, damit wir dich auch ein bisschen einladen können“, fügte sie lächelnd hinzu. Mir schoss das Blut in die Wangen und alles in mir kribbelte. Ich konnte nicht in Worte fassen, wie überwältigt ich gerade war. Es war einer dieser Momente, in denen ich vor Glück weinen könnte. In den letzten Wochen hatte ich oft unter Druck gestanden, da meine Mutter mit meinen Noten nicht gerade zufrieden war und wollte, dass ich auf eine anständige Middle School gehen würde ab nächsten Herbst.

Als jedoch unser Wagen immer schneller wurde und Alicia laut anfing zu kreischen, konnte ich nicht anders, als meine Sorgen wegzulachen. Das half immer noch am besten.

„So jetzt wo Ally sich ausgekreischt hat, können wir doch auch etwas essen, oder?“, fragte Scott schmunzelnd, als wir wenige Minuten später wieder aus dem Fahrgeschäft ausgestiegen waren. Alicia steckte dem Dunkelhaarigen bloß die Zunge heraus und hakte sich bei ihrer Freundin unter.

„Von mir aus gerne“, antwortete Haven, der schon Ausschau nach dem nächsten Stand hielt. Schnell war einer gefunden und Haven wurde der Ausgewählte, der bestellen und das Essen schleppen durfte. Da ich eine gute Freundin war, stellte ich mich zu ihm in die Schlange. „Was möchtest du essen?“

„Pommes“, sagte ich, ohne überhaupt auf die Speisekarte zu blicken. „Mit Mayonnaise, bitte.“

„Soll ich mir eine Portion mit dir teilen? Oder schaffst du das alleine?“

„Haven, ich bin zehn“, sagte ich genervt und blickte ihn mit gehobenen Augenbrauen an. „Ich werde ja wohl eine Portion Pommes essen können.“

Ich konnte es nicht, wie sich herausstellte. Ich hatte am Morgen, bevor Bethany vorbeigekommen war, drei Schalen Müsli gegessen und anscheinend hatten diese immer noch nicht Platz in meinem Magen gemacht. Havens wissenden Blick konnte ich deshalb nicht ausweichen, während er für mich aufaß.

„Dafür gehst du jetzt mit mir aufs Kettenkarussell“, sagte Haven triumphierend und ich seufzte. Er würde das Thema wohl nicht mehr loslassen. Um ehrlich zu sein, war ich erst einmal auf so einem Karussell gewesen und dies mit vier Jahren. Ich konnte mich nicht mehr wirklich erinnern, ob es tatsächlich schlimm gewesen war, aber bis jetzt wollte ich es auch nicht ausprobieren.

„Na gut, aber nicht sofort. Ich möchte vermeiden, mein Essen wieder zu begrüßen, okay?“

„Geht klar, Cherry.“ Haven schmiss seinen leeren Pappteller weg und griff nach meiner Hand. Alicia, Julie und Scott waren bereits alleine losgezogen, um eine Runde um den Platz zu ziehen. „Wir können ja noch ein bisschen bummeln.“

„Exakt.“ Gemütlich schlenderten wir durch die Gassen und blieben ab und zu vor einem Stand stehen. Haven kaufte mir sogar eine blaue Pudelmütze, nachdem ich sie von weitem angeschmachtet hatte.

Letztlich stellten wir uns dann doch in die Schlange vor dem Kettenkarussell. Warum wollten nur so viele Menschen damit fahren?

„Oh, hör mal, sie spielen dein Lied“, lachte Haven und deutete auf die Lautsprecher, die in unserer Nähe angebracht worden waren. Für einige Sekunden schwieg ich, um der Musik lauschen zu können. Er hatte Recht, es handelte sich um eines der Lieder, die Haven mir vor einigen Wochen gezeigt hatte und sie als meine Lieder bezeichnet hatte. Wenn ich mich nicht irrte, spielten sie gerade Cherry Cherry von Neil Diamond, da es nämlich eines der älteren Lieder gewesen war.

She got the way to move me, Cherry

She got the way to groove me, Cherry baby”, sang Haven leise und wippte seinen Kopf im Takt. Kichernd tat ich es ihm nach und versuchte mitzusingen, obwohl ich den Text nicht konnte. „Zu deinem Geburtstag werde ich dir eine CD brennen mit diesen Liedern. Das ist dann dein eigenes Mix-Tape.“ Lachend schüttelte ich meinen Kopf, doch mein Lachen verging mir schnell, als ich entdeckte, dass wir in der Schlange als nächstes dran kamen und es noch viele freie Plätze auf dem Karussell frei waren.

„Haven, ich will doch nicht mehr“, sagte ich kleinlaut und wollte mich gerade auf dem Absatz drehen und abhauen, da hatte Haven schon einen Arm um mich geschlungen. Sanft schob er mich zu zwei Sitzen, die miteinander verbunden waren. Stumm hob der Lockenkopf die eiserne Stange an, die mein einziger Schutz sein sollte, und deutete mir an mich zu setzen. Nachdem er sich auch auf den metallenen Sitz fallen gelassen hatte, blickte er zu mir. Ich konnte mir schon vorstellen, wie ich aussah. Rote Wangen, aufgerissene Augen und meine Zähne malträtierten gerade meine Lippen.

„Ich kann das nicht, Haven.“ Dieses Mal klang meine Stimme richtig verzweifelt, als das Karussell begann sich zu drehen. Ich schloss meine Augen, zog meine Augenbrauen zusammen und wartete darauf, dass sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen ausbreitete. Doch das Gefühl kam nicht, stattdessen spürte ich, wie Haven meine Hand fest mit seiner umschlang.

„Öffne deine Augen“, ertönte seine ruhige Stimme und ich folgte zögernd seiner Aufforderung. Sofort drückte ich Havens Hand etwas fester, denn das, was sich nun vor meinen Augen auftat, war atemberaubend. Wir waren zwar noch nicht an höchster Stelle des Kettenkarussells, jedoch hatte ich jetzt schon einen wundervollen Ausblick über den Rest des Volksfests. Es hatte etwas Magisches, die vielen kleinen Stände von oben zu sehen. Der Wind wehte durch meine Kleider und mein Haar und entlockte mir ein Lachen. „Ich hab doch gesagt, es wird dir gefallen.“

Ich drehte meinen Kopf zu meinem besten Freund, dessen Haare ebenfalls in alle Richtungen flogen. „Danke“, sagte ich gerademal laut genug, sodass man mich über das Geschrei und Gelächter der Kinder hören konnte.

„Nichts zu danken, Cherry“, erwiderte Haven gelassen, doch ich konnte es so nicht stehen lassen. Es steckte so viel mehr hinter dem kleinen Wort ‚Danke‘.

„Nein, wirklich. Merci beaucoup.

Kichernd schlang ich meine Arme fester um Havens Hals und vergrub meine Nase in seiner Lockenpracht. Seine Haare wurden in letzter Zeit immer länger, sodass seine Frisur aussah, wie die eines Wischmobs oder wie ein Königspudel. Mit einem leisen ‚hmpf‘ korrigierte Haven seinen Griff um meine Kniekehlen.

„Sind wir bald da-a?“, fragte ich in meiner besten Imitation meiner kleinen Brüder und entlockte damit meinem besten Freund ein leises Lachen.

Es war mittlerweile bereits abends und wir waren auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause. Nachdem wir auf dem Kettenkarussell gewesen waren, hatten wir uns wieder mit den anderen dreien getroffen und waren mit ihnen um die Stände gezogen. Zum Abschluss hatten wir uns Schlittschuhe ausgeliehen und waren zwei Stunden lang auf dem Eis gelaufen. Es war wirklich ein toller Tag gewesen und ich würde Haven – und auch Alicia, Julie und Scott – nie genug danken können.

„Jap.“ Sanft ließ Haven mich vor unserer Haustür von seinem Rücken gleiten. „Hast du deinen Schlüssel?“ Nickend fummelte ich meinen Schlüsselbund aus meiner Tasche und trat einen Schritt näher an die Tür. Ich hatte bereits das Auto meiner Mutter in der Einfahrt gesehen, weswegen ich hoffte, dass sie einen guten Tag gehabt hatte. Ansonsten würde mir wohl der Kopf abgehackt werden.

Kaum hatte ich die Tür aufgeschlossen und war mit Haven in den Flur geschlüpft, stand auch schon meine Mutter mit verschränkten Armen und strenger Miene an der Treppe. Ich musste schlucken. In meinem Gedanken hörte ich schon die Rufe der roten Königin aus ‚Alice im Wunderland‘. Kopf ab!

„Wo kommt ihr denn jetzt her?“, fragte meine Mutter und hob ungeduldig eine Augenbraue, als wir nicht sofort antworteten. Ich war im Lügen nie besonders gut gewesen, weswegen ich wirklich hoffte, dass Haven etwas parat hatte.

„Wir waren bei meiner Tante am anderen Ende der Stadt“, erklärte Haven, doch wenige Sekunden später trat auch Bethany die Treppe runter. Sie hatte die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst und ich wusste sofort, was das zu bedeuten hatte. Sie hatte gepetzt. Diese miese Schlange hatte gepetzt. Vielleicht sollte man lieber ihr den Kopf abschlagen.

Während ich bereits meinen Racheplan für Bethany schmiedete, setzte Haven zu einer weiteren Erklärung an. „Na gut, wir waren in London auf dem Volksfest, aber da ist nun wirklich nichts Schlimmes dran.“

„Ihr wolltet mich belügen“, sagte meine Mutter und bedachte mich mit einem enttäuschten Blick. Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf zu senken. Maman gab mir immer das Gefühl, ich würde nicht gut genug sein.

„Aber doch nur, weil wir wussten, dass du so reagieren würdest. Dabei ist ja nichts passiert.“ Haven schien nun vollends genervt zu sein, da er ebenfalls seine Arme vor der Brust verschränkt hatte und meine Mutter anfunkelte. Glück für ihn, dass er ihr bereits über den Kopf gewachsen war.

„Du bist mit meiner Tochter nach London gefahren, ohne es mir zu sagen und du -“

„Ich habe es Bethany gesagt“, unterbrach Haven sie bitter. „Ich habe sie sogar um Erlaubnis gefragt, also ist dies nicht meine Schuld.“

„Bethany hat damit gar nichts zu tun“, fauchte meine Mutter plötzlich. Es fühlte sich an, als hätte jemand mir einen Dolch ins Herz gestoßen. Noch nie hatte meine Mutter mich so leidenschaftlich verteidigt. Zumindest konnte ich mich an keine Situation erinnern. „Du bist Schuld. Du setzt meinem Kind Flöhe ins Ohr und versuchst sie zu verderben.“

„Ich bin bereits verdorben, Maman“, rief ich nun auch aus und es war mir egal, ob meine Brüder es mitbekamen – ob die ganze verdammte Stadt es mitbekam. Ich hatte genug. Genug davon, dass meine Mutter Haven niedermachte und mich eine schlechte Tochter nannte. „Ich bin bereits verdorben und du bist ganz allein schuld. Dauernd sitzt du mir im Nacken und dauernd muss ich mir deine Meckereien anhören. Haven ist dies, Haven ist das. Kannst du nicht einmal eine normale Mutter sein und mir zuhören? Oder mir Trost spenden? Oder verdammt nochmal mit meinen Freunden klar kommen?“ Die Worte schossen aus meinem Mund wie kleine Pistolenkugeln und wenn ich ab der hälfte ins französische übergegangen war, dann bekam ich das nicht mit. Was ich schon mitbekam, war wie das Gesicht meiner Mutter puterrot wurde.

„Hoch mit dir“, sagte sie so ruhig, dass ich beinahe Angst bekam. „Ab in dein Zimmer!“ Mit gesenktem Kopf schlüpfte ich an meiner Mutter vorbei und ging die Treppen hoch. Ich gab mir Mühe besonders laut aufzutreten, weswegen ich mir auch nicht sicher war, ob ich die folgenden Worte meiner Mutter wirklich gehört hatte.

„Noch einmal, junger Mann. Noch einmal so einen Aufstand und ich sorge dafür, dass du Rubie nie wieder siehst.“

7 Jahre Schneeregen

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