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I.
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Michael stellte die Frage besorgt, so, als wäre er selbst nicht sicher, ob ich bereit war.
Mich verwunderte das, schließlich hatte ich meine Aufgaben schon sehr lange zu seiner vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Nach meinem letzten Auftrag wurde ich sogar von ihm zur Seite genommen und er lobte mich, dass ich für einen Quereinsteiger außerordentlich schnell gelernt hatte. Auch das Intervall, bis er mich wieder rufen ließ, erschien mir recht lange, so dass ich daraus schloss, ich hätte mir diesen Urlaub wohl verdient gehabt. Warum nur schien er so angespannt?
Schon unzählige Leben durfte ich begleiten. Manche wurden vom Schicksal sehr gebeutelt, manche mussten oder durften, obwohl sie noch Babys und Kinder waren, sehr früh zurückkommen. Andere litten über Jahre und Jahrzehnte. Viele konnten mich einfach nicht wahrnehmen.
Nichts davon hatte mich aus der Ruhe gebracht, niemals wurde ich schlampig, oder emotional. Niemals gab ich meinen Schützling auf. Ich hatte immer mein Bestes gegeben.
Auf uns Quereinsteiger wurde immer besonders geachtet, denn wir hatten eine große Bürde zu tragen-
Zumindest zu Beginn unserer Laufbahn. Wir konnten uns schlechter emotional distanzieren, wussten wir doch, wie unsere Schützlinge fühlten. Wir konnten uns erinnern, an körperliche und emotionale Schmerzen. Das war unter Umständen unseren Aufträgen nicht zuträglich und deshalb wurde auf uns ein besonderes Augenmerk gerichtet. Anfangs bekam ich deswegen auch nur sehr leichte Fälle, doch das ist, wie gesagt, sehr lange her.
Irgendwann kam auch bei mir an, dass das Leiden der Menschen kurz ist, im Vergleich zur Ewigkeit, dass die Schmerzen einen tieferen Sinn ergeben und dass der Tod natürlich nicht das Ende der Seele bedeutet.
Sicher, gewusst hatte ich das auch schon beim ersten Gespräch mit Michael, doch bis es tatsächlich in die hinterste Ecke meines Bewusstseins gelangte, brauchte es doch einige Übung.
Das konnte es aber wirklich nicht sein – Michael wusste, dass ich darüber hinaus war.
Oder ging es um das andere Problem, welches nahezu nur bei uns ehemaligen Menschen vorkam. Wir waren es in unseren Menschenleben gewohnt gewesen, unseren eigenen Willen in die Tat umzusetzen und das war manchen von uns zum Verhängnis geworden.
Doch eigentlich wurde nur aufgenommen, wer bereit war, sich bedingungslos unterzuordnen. Diese Sache wurde bis zum Erbrechen geübt und geprüft, bevor wir auch nur einem Fall beiwohnen durften. Selten kam es trotzdem vor, dass jemand ungehorsam war, allerdings vereinzelt sogar bei den Ursprünglichen, also denen, die nie etwas anderes waren.
Ich hatte doch aber niemals auch nur den geringsten Zweifel am großen Plan geäußert, von Ungehorsam gar nicht erst zu sprechen. Nie hatte ich Grund zur Beunruhigung gegeben.
„Du verhältst dich seltsam. Was ist denn los? Natürlich bin ich bereit. Ich hatte lange frei, ich freue mich auf eine neue Aufgabe.“
„Diese wird anders sein, du musst sehr achtsam sein.“
„Warum?“ Ich hatte schon viele schwierige Aufträge, eigentlich die ganze Palette an Möglichkeiten. Es war unsinnig, dies meinem Auftragsgeber gegenüber zu erwähnen, doch ich verstand die Sorge in Michaels Stimme nicht. Beim besten Willen konnte ich mir nicht vorstellen, was es auf Erden geben konnte, das mich noch derart herausfordern könnte.
„Es gibt eine Prüfung, die die Ursprünglichen nicht absolvieren müssen, ihr aber sehr wohl.“
Ja, ich hatte Gerüchte darüber gehört, doch es war nicht erlaubt über Prüfungen zu sprechen und die wenigsten riskierten, dabei erwischt zu werden. So konnte ich nun lediglich feststellen, dass das Gerücht keines war.
„Jetzt noch eine Prüfung? Nach so langer Zeit? Welche Art Prüfung?“
„Mehr kann ich dir dazu nicht sagen. Ich wiederhole nur, sei sehr achtsam, bleib bei dir und unseren Grundsätzen treu, vergiss nie deinen unbedingten Gehorsam und sei dir zu jeder Zeit darüber bewusst, was du bist.“
Nun wurde ich doch etwas unruhig. Prüfungen waren in unserem Job immer ernst zu nehmen. Nach wie vor fiel mir nicht einmal eine vage Vermutung ein, welche Art Test dies sein sollte, doch an dessen Ernsthaftigkeit, das wusste ich, ließ sich nicht rütteln.
Gleichzeitig war mir jedoch bewusst, dass ich dieser Prüfung nicht würde entfliehen können. Was half es also, diese aufzuschieben?
„Bist du nun bereit, oder nicht? Ich kann dir ansonsten noch Bedenkzeit geben und du erfüllst einstweilen einen anderen Auftrag.“
„Nein danke, es hilft ja doch nichts und ihr würdet die Prüfung nicht ansetzen, hätte ich keine Chance, sie auch zu bestehen. Also lieber jetzt, als später.“
„So frage ich dich erneut. Bist du bereit?“
Das gehörte zum Protokoll, jede Aufgabe wird so besiegelt. So unterzeichnen wir unsere Verträge.
„Ja, ich bin bereit.“