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IV.

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So begleitete ich Kilian, wie er die Schafe hütete und über die Felder wanderte. Ich war da, als seine Mutter im Kindbett verstarb und in dem Jahr, in welchem er, wie die restliche Sippe, Hunger leiden musste, da die Ernte nicht ausreichte.

Schon mit zehn Jahren übernahm er viel Verantwortung für seine Geschwister und den kleinen Hof. Sein Vater befand sich meist mit den anderen Männern auf der Jagd oder in Kriegszügen mit anderen Stämmen.

Noch immer befanden wir uns in einem außergewöhnlichen Kontakt, so konnte ich ihm sehr gut beistehen und dafür sorgen, dass er sein Gottvertrauen behielt.

Natürlich darf man sich diese Gespräche keineswegs vorstellen, wie die verbale Kommunikation unter den Menschen. Deshalb ist sie auch hier mit Wörtern nur zu umschreiben. So funktioniert dieser Kontakt eher darüber, dass Gefühle, Bilder, Ahnungen oder Zeichen auftauchen, welche dann wiederum durch den menschlichen Geist in Worte umgewandelt werden können und auf diese Weise entsprechend wirken. So entstehen dann „Zufälle“, Begegnungen, oder hilfreiche Gedankengänge. Das sind dann wir, oder der direkte Kontakt zur eigenen Seele.

Natürlich, sprechen wir simultan dazu in der Sprache des jeweiligen Schützlings, doch die Worte erreichen den Geist über einen ähnlichen Weg, wie es die eigenen Gedanken tun.

Bei Kilian musste ich keine große Anstrengung aufbringen, damit er mich wahrnahm, sondern meine Aufforderungen schienen direkt in seinem Geist anzukommen - Ohne große Umwege.

Das war eine sehr große Entlastung innerhalb dieser schwierigen Prüfung. Was hab ich mich bei anderen Schützlingen oft abgemüht, damit sie Lösungswege oder Trost fanden. Wie verrückt musste ich oft auf und ab wirbeln, damit sie beispielsweise ihren von Trauer gesenkten Kopf hoben, um einen Lösungsansatz in einem Zeichen zu erkennen.

War Kilian aber ab und zu ein Schaf entwischt und ich bewegte mich nur auf die Seite, auf welcher er danach zu suchen hatte, bewegte er sich ohne Umschweife dorthin. Signalisierte ich ihm zu welcher Person er vertrauen haben konnte, tat er das ungeachtet der Fassade dieser Person. Das war äußerst praktisch und auf diese Weise unterhielten wir uns wunderbar.

Natürlich weiß auch jede Seele alles und zu jedem Zeitpunkt, doch der menschliche Verstand ist nicht dazu gedacht diesen Zugriff komplett zu erfassen, auch unserer nicht völlig, was das angeht.

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Als Kilian zwölf war, wurde er als junger Krieger aufgenommen in einem Zusammenschluss, welcher aus verschiedenen Stämmen bestand.

Die Männer seines Dorfes hatten ihm diesen Weg ans Herz gelegt, nachdem er schon sehr früh Interesse gezeigt hatte. Kilian war unsäglich stolz, voller Begeisterung und Vorfreude - Ich hingegen verlor die hart erkämpfte Ruhe.

So viele Krieger hatte ich schon begleitet und so oft musste ich erleben, was die Gewalt den Seelen antat, wenn nicht der Glaube und die Liebe stärker waren.

Und selbst wenn dies der Fall war, so war es für jede dieser Seelen eine immense Prüfung. Zudem waren wir in diesen Kriegen wesentlich öfter gezwungen in die Realitäten einzugreifen. So kam es bei Schlachten doch manchmal zu Ausnahmen, bei denen durch den menschlichen Willen der Zeitpunkt des Todes durcheinandergebracht wurde und das musste von uns unter allen Umständen verhindert werden. Trotzdem geschah es und wir mussten für das sorgen, was ihr Wunder nennt. So etwas funktionierte nicht immer und war unsäglich anstrengend für uns.

Doch in Kilians Fall ging es mir nicht darum, dass Krieger als Schützlinge immer anstrengend für uns sind. Nein, ich hatte alle menschlichen Ängste, die durch diesen Schritt ausgelöst werden konnten.

Ich wollte ihn unter allen Umständen davon abhalten und ein- oder zweimal versuchte ich genau das sogar. Wir spüren unsere Führung jedoch wesentlich deutlicher, als der Mensch unsere. Es ist uns nahezu unmöglich dem Plan zuwider zu handeln - Ich fing mir deshalb auch zwei sehr deutliche Rügen von oben ein, als Kilian tatsächlich verwirrt überlegte, ob er nicht doch bei den Schafen bleiben sollte.

Er spürte wohl, dass das nicht sein Weg war, aber ich hatte so stark auf ihn eingewirkt, dass er es zumindest in Erwägung gezogen hatte. Oh das durfte ich nicht, ich wusste das und hatte auch ein fürchterlich schlechtes Gewissen, doch mir riss es bei der Vorstellung, Kilian in einer Schlacht zu sehen das Herz aus der Brust.

Mir blieb erneut nichts anderes übrig, als meine Mitte zu suchen und darauf zu vertrauen, dass alles seine Richtigkeit hatte.

So sah ich seine Übungen mit dem Schwert, seinen Umgang mit der Axt, ich sah ihn Freundschaften entwickeln zu Kameraden und Übungsschlachten austragen.

Trotz der harten Ausbildung war Kilians Begeisterung ungebrochen, obwohl viele seiner Freunde jammerten und Heimweh hatten, obwohl das Essen nicht dasselbe war, wie das bei seiner Sippe und er seine Geschwister vermisste. Ich sah ein, dass er dafür geboren war, genau das zu tun und akzeptierte langsam, dass ich da mit all meinen Gefühlen mit durch würde müssen. Doch nach wie vor bereitete mir diese Gewissheit unglaubliche Angst.

Ein Schutzengel mit Angst, das konnte ja was werden. Ich war schon ganz bunt.

Hört sich lustiger an, als es war. Nun wurde auch für alle anderen Schutzengel sichtbar, wie es um mich stand. Es kam natürlich auch schon bei anderen vor, dass sich ihr Energiekörper verfärbte.

So wie die menschliche Aura sich durch starke Emotionen verändert, geschieht das auch bei uns. Nicht bei den Originalen, die besitzen, soweit ich aufgeklärt bin, immer das reine Weiß. Bei uns anderen entstehen schon hin und wieder sehr zarte Färbungen, gänzlich legen wir unseren menschlichen Ursprung schließlich nicht ab.

Doch was sich bei mir abspielte, hatte mit zarten Farben nichts mehr zu tun und zusätzlich zu meinen unangebrachten Gefühlen wurde ich deshalb auch noch angestarrt. Ich war sehr froh, wenn sich Kilian von den anderen Jungen zurückzog, nur so konnte ich schließlich meinen Kollegen entgehen.

Als einige Wochen ins Land gezogen waren, schaffte ich erneut mit immenser Anstrengung, meinen Energiekörper zu reinigen und mich auf meine Aufgabe und meine Mitte zu besinnen. Ich versuchte mich zu beruhigen in dem Glauben, dass schon alles genau so sein müsse.

Manchmal jedoch zweifelte ich nach wie vor ausgerechnet daran und fragte mich, ob den Erzengeln nicht doch ein Fehler unterlaufen war. Doch solange ich hier war, würde ich wohl keine Antwort darauf bekommen und als Engel ist es noch mehr als bei Menschen fatal, den Glauben zu verlieren. Was könnten wir für Unheil anrichten.

Kilian hingegen wurde immer sicherer in seiner Aufgabe, kämpfte mit ruhiger Hand, mit Mut und Verstand. Seine Begeisterung für das Kriegshandwerk war echt und ungebrochen.

Jedoch begann er zu ahnen, dass diese Begeisterung nicht zu Mordlust werden dürfe, dass sein Talent nicht missbraucht werden sollte für niedere Taten. Ihm schwante, dass es schwierig werden könnte, gleichzeitig seinem Anführer zu gehorchen, ohne damit sich selbst zu verleugnen.

Ich ahnte das nicht nur, ich wusste es. In wenigen Berufen ist die Gratwanderung eine solch gefährliche wie in diesem. Ich hatte schon oft die inneren Kämpfe erlebt, die den äußeren vorausgehen oder aber folgen. Einerseits, das Empfinden, diesen Weg gehen zu müssen, andererseits, ihn mit gutem Herzen zu gehen. Keinen falschen Leidenschaften zu erliegen, oder Hass aufzubauen. Ihn zu gehen, ohne dass das Töten zu Gier, die gegnerischen Krieger zu persönlichen Feinden werden. Die Zweifel, die auftauchen - Ob der Weg dann insgesamt falsch sei.

Die immer wiederkehrende Frage, ob das Töten eines anderen Menschen jemals vor Gott zu rechtfertigen ist. Die ständige Angst und Gewalt.

Dieser Kreislauf der Gedanken und Emotionen führt oft dazu, dass sich die Krieger unwürdig fühlen, jemals wieder mit ihrer Seele und dem Göttlichen in Einklang zu kommen.

Um aus dem unerträglichen Strudel der Schuld wieder aufzutauchen, beginnen sie oftmals, ohne Gefühle weiterzukämpfen. Sie beginnen an Gott zu zweifeln und selbst wenn sie weiter an ihn glauben, so fällt es ihnen zunehmend schwer, darauf zu vertrauen, dass auch sie weiterhin geliebt sind. Sie vergessen, dass auch sie Fehler machen dürfen, dass Ihnen verziehen wird, sobald sie bereit dazu sind.

Oft beginnt stattdessen der erste Schritt auf dem Weg, an dem die Krieger ihr Herz verleugnen. Der Schritt, der es uns immer schwieriger macht, unsere Schützlinge zu erreichen. Es ist eine so verständliche Reaktion und doch so traurig.

Krieger sind genauso gute oder schlechte, genauso geliebte Menschen, wie es auch alle anderen sind. Sie erhalten dieselbe allumfassende Liebe wie Priester oder Priesterinnen, wie Druiden oder Hirten, doch wird ihnen die Richtigkeit ihrer Bestimmung durch die Mitmenschen sehr viel weniger gespiegelt.

Mal mehr, mal weniger, je nach Epoche, doch selten geschieht es, dass ein Krieger als das bezeichnet wird, was Menschen als reinen, hohen Geist bezeichnen und doch ist es genauso möglich, wie bei jeder anderen Tätigkeit auch. Jeder Weg ist mit Gott zu gehen und jedem können dabei Fehler unterlaufen und jedem kann verziehen werden.

Nun, Kilian beschlich hin und wieder eine vage Vermutung der Herausforderung, vor der er stand. Oft beobachtete er Männer, die von Schlachten zurückkehrten, oft fiel ihm die Veränderung auf. Viele Krieger waren nicht mehr dieselben wie die, die loszogen die Feinde zu besiegen. Es gab welche, die lauthals ihre Heldengeschichten erzählten, viele die sich oft betranken und manche, die gar nichts sagten oder sich gänzlich zurückzogen. Doch um alle wehte die Atmosphäre einer unsäglichen Last, ungeachtet der unterschiedlichen Herangehensweisen.

Bis auf wenige Ausnahmen, sehr wenige. Er sah, dass es Männer gab, welche ebenfalls verändert zurückkamen, doch schienen sie anders zu leiden - Sie waren bedächtiger als zuvor, weiser, doch ungebrochen in ihrem Lebensmut. Sie prahlten nicht über ihre Taten und sie verurteilten nicht ihre Feinde. Diese verbrachten Zeit in Gesellschaft um zu lachen, zu trinken und sich zu unterhalten. Doch oft sah man sie auch, wie sie sich an einen ruhigen Ort zurückzogen, um zu schnitzen, ihre Waffen zu ordnen oder einfach, um nachzudenken. Diese Krieger waren fast immer bereit, Fragen zu beantworten und machten sich nicht lustig über die jungen Kameraden. Sie hetzten sie nicht mit Heldengeschichten auf oder versuchten im Gegenteil, sie zu ängstigen.

Oft waren sie die besten und geduldigsten Lehrer. Kilian wollte gerne wissen, wie dieser Unterschied zustande kam. Er hoffte, später einer dieser Wenigen zu werden. Ich hoffte mit ihm.

Bist Du bereit?

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