Читать книгу Herr Rudi - Anna Herzig - Страница 7

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DER HERR RUDI KNIET NACKT auf dem Boden eines Hotelzimmers. Sein Körper bedeckt mit Badewannenschaum. Er stützt sich auf den Resten seiner Existenz ab. Auf allen vieren zu kriechen, lässt einen demütig werden. So hört man.

Eine durchwühlte Reisetasche liegt auf dem Bett. Seine liebste, die mit den vielen bunten Enten darauf. Vereinzelte Blaubeeren tummeln sich auf dem Bettlaken. Friedlich sehen sie aus, scheinen sich wohlzufühlen.

Nicht weinen, Rudi.

Er hält sich mit zwei Fingern an der Katzenohrenhaube fest, die ihm der Fritz geschenkt hat. Versucht, die Schmerzen des Hexenschusses durch die Finger in die Haube umzuleiten. Energetischer Kuhhandel sozusagen.

Frauenbeine gehen vor seinen Augen auf und ab. Ein Fuß in einer gelben, der andere in einer blauen Socke. Knöchel, Knie und weiter hinauf: der verheißungsvolle Weg zu schönen Erinnerungen.

Aus dieser Sicht nimmt er seine Umgebung nur mehr halbiert wahr. Vielleicht noch ein paar Minuten so bleiben. Der Ausblick aus seinem Zimmer offenbart wenig Trostspendendes.

»Ich seh dich nicht mehr, Livi. Warum kann ich dich nicht sehen?«, fragt er.

Aus irgendeiner Ecke hört er sie doch kichern.

»Hallo?«, fragt sie.

»Livilein …«, versucht er, sie zu locken.

Stille.

»Livi, versteh mich doch«, sagt er.

»Nein.«

»Bitte.«

»Nein.«

»Es ist meine Entscheidung«, sagt der Herr Rudi in seiner autoritärsten Gerichtsvollzieherstimme und schlägt mit der flachen Hand auf den Boden.

»Und ich hab Nein gesagt«, antwortet sie.

»Jetzt gib mir die Kugel, sonst lernst du mich kennen. Und zwar richtig.«

»Nein.«

Mit dem rechten Bein tritt er, so fest er kann, nach hinten aus, gegen die Wand. Und wimmert den Schmerz von der Seele in das Knie, in den Fuß.

»Du bist langsam«, quengelt sie, »langsam und langweilig.«

Junge Erwachsene, denkt der Herr Rudi.

»Spüren …«, sagt sie.

»Geht nicht«, antwortet er.

»Aber ich will!«

»Es. Geht. Nicht. Livi.«

»Ich will, ich will.«

Wenn er wenigstens die Salzburger Berge sehen könnte.

»Wenn ich jetzt den Untersberg sehen könnte.«

»Dann?«, fragt die Livi.

»Dann wäre alles anders.«

Vielleicht, vielleicht auch nicht. Auf seiner Zunge tobt ein Blaubeersturm.

Wenn er den Nebel in seinem Kopf wie einen Vorhang beiseiteschieben könnte, vielleicht würde es gelingen, einen Blick auf Livi zu erhaschen. Das Problem mit Nebel jener Art: Er ist hartnäckig.

Das Problem mit Geistern jener Art: Sie sind hartnäckig.

Herr Rudi

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