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Die Missgeschicke

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Sie standen am zweiten Abschlag und Robert bereitete sich auf seinen Schlag vor. Es hatte Einiges an Überredung bedurft, ihn überhaupt so weit zu bringen. Um diese Jahreszeit waren im Golfclub Berghof weder Golfautos noch Trolleys erlaubt und Robert musste sein Golfbag tragen. Beinahe hätte er gestreikt. Erst als sie ihn auf seine nagelneuen Schläger ansprach und seine schicken Schuhe und Hosen in den höchsten Tönen lobte, konnte sie ihn zum Spielen bewegen. Er war gar kein schlechter Spieler, hatte aber die üble Angewohnheit, jeden nicht ganz so gelungenen Schlag zu kommentieren und eine Ausrede dafür zu suchen. Die erste Bahn hatte er gut gespielt und jetzt machte er sich sehr selbstbewusst daran, auf der zweiten Bahn abzuschlagen. Er schwang auf. Da flog ihm der Schläger aus der Hand und landete zehn Meter hinter ihm im Gebüsch. Teresa konnte sich gerade noch die Hand vor den Mund halten und umdrehen, sonst hätte sie schallend los gelacht.

„He, was soll das!“, rief er, „es war fast so, als hätte mir jemand den Schläger aus der Hand gerissen.“

Er stapfte zurück und zog seinen Schläger aus dem Heckenrosenbusch. Dabei zerkratzte er sich zu allem Übel auch noch die Hand.

„Vielleicht haben ja deine neuen Schläger rutschige Griffe, an die du dich noch nicht richtig gewöhnt hast“, munterte Teresa ihn auf.

„Ja, das wird es wohl sein“, nickte er zustimmend, stellte sich wieder an seinen Ball und schlug ab.

„Toller Drive!“, rief sie anerkennend und ging zu ihrem Abschlag.

Dass ihr Ball ungefähr zwanzig Meter weiter flog als sein eigener, nahm er missmutig zur Kenntnis. Da er die Bahn jedoch fehlerfrei zu Ende spielte, kehrte seine gute Laune wieder. Leider nicht für lange. Die Serie seiner Missgeschicke riss nicht ab. Einmal konnte er seinen Ball, der mitten auf der Spielbahn gelandet war, beim Näherkommen nicht wiederfinden. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Das nächste Mal hatte er nur noch ungefähr dreißig Zentimeter zum Einlochen, aber er konnte den Ball erst nach dem vierten Versuch im Loch versenken. Die kleine weiße Kugel drehte immer wieder knapp vor dem Loch ab und rollte vorbei. Robert stand kurz davor, seinen Putter in die Landschaft zu schleudern. Danach passierte es ihm, dass er mitten auf der Spielbahn stolperte und der Länge nach hinfiel. Er bekam fast einen Nervenzusammenbruch, als er den grünen Grasfleck auf seiner neuen Hose sah. Als sie jedoch einen seiner wunderschönen Abschläge, der ohne Zweifel auf dem Fairway gelandet war, im Bunker wiederfanden, stieg der Verdacht in Teresa auf, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugehen konnte. Sie sah sich immer wieder vorsichtig um, konnte aber niemanden entdecken. Robert war schließlich so genervt, dass sie ihn nur mit Mühe davon abhalten konnte, seine Schläger im Teich auf der siebzehnten Spielbahn zu versenken. Auf dem Rückweg zu ihrer Wohnung ließ er kein gutes Haar an dem Platz.

„Ich bin ja schon weit herumgekommen, aber so miese Fairways habe ich noch nie gesehen. Im Vergleich dazu ist ja jede Sumpfwiese ein Teppichboden. Und die Grüns sind so uneben wie eine Buckelpiste. Das Erste was ich machen werde, ist euren Greenkeeper auszutauschen. Das kann man niemandem zumuten.“ „Also was ich bisher so gehört habe, sind unsere Mitglieder eigentlich zufrieden mit dem Zustand des Platzes“, entgegnete Teresa.

„Klar, das sind ja auch alles Provinzler hier, die keine Ahnung haben, wie ein richtiger Golfplatz auszusehen hat.“

In diesem Ton schimpfte er noch eine ganze Weile weiter. Erst als er nach einer ausgiebigen Dusche, mit einer sauberen Hose wieder aus dem Bad kam, verrauchte allmählich sein Zorn.

Später fuhren sie gemeinsam nach Neuhaus. Und nach einem gepflegten Essen in dem Restaurant, das sie neulich entdeckt hatte, war Roberts gute Laune wieder hergestellt. Anschließend bummelten sie noch durch die Fußgängerzone und genehmigten sich in einer sehr noblen Bar zum Ausklang noch einige Longdrinks. Sie saßen an der Bar, die aussah wie die Reling eines alten Piratenschiffs. Jetzt war Robert in seinem Element. Das war die Atmosphäre die zu ihm passte. In dieser Umgebung konnte er sich bewegen wie kein anderer. Während des vergangenen Tages waren ihr auf Grund seines Verhaltens, die gewaltigen Mängel in seinem Charakter bewusst geworden. Aber jetzt, verdrängte sie diese Erkenntnis wieder. Zu weltmännisch und elegant war sein Benehmen. Die Lässigkeit, mit der er der als Piratenbraut angezogenen Kellnerin das Trinkgeld in den Ausschnitt steckte, war geradezu atemberaubend. Obwohl er keine allzu hohe Meinung von Frauen hatte, konnte ihm keine auf Dauer widerstehen. Auch sie machte da leider keine Ausnahme.

‚So ganz anders als Antonio‘, dachte sie spontan. Seltsam, dass sie gerade jetzt an ‚ihren‘ Hausgeist denken musste. Sie lächelte still vor sich hin, als sie sich überlegte, wie fehl am Platz Antonio in einer solchen Gesellschaft wäre. Es war nicht so, dass er rein optisch nicht hierher gepasst hätte. Ganz im Gegenteil! Mit seinem ‚Outfit‘ hatte er sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Freibeuter. Und er sah ja auch blendend aus. Selbst Robert in seinem Armani Anzug konnte da nicht mithalten. Nein, das war es nicht! Antonio wirkte immer zurückhaltend, ehrlich und aufrichtig. Und er hatte Respekt vor Frauen. Er würde nie auf die Idee kommen einer in den Ausschnitt zu fassen oder ihr den Hintern zu tätscheln. Er passte vor den Kamin eines alten Schlosses und nicht an den Tresen einer Schicki-Micki-Bar.

„Heh, träumst du!“ Robert stupste sie am Arm.

Sie sah, dass er sein Glas gehoben hatte.

„Ich habe eben an den schönen Tag gedacht“, schwindelte sie und hoffte, dass sie dabei nicht rot würde.

„Na ja, wenn man vom Golfspielen einmal absieht, war er ganz in Ordnung.“ Robert trank sein Glas leer und schaute sie auffordernd an:

„Lass uns gehen! Ich kann es gar nicht erwarten, dich aus diesem Fummel zu schälen.“

Es war ungewohnt für Teresa nicht allein im Bett zu liegen. Robert hatte sich umgedreht und davon war sie wach geworden. Vorsichtig stand sie auf, zog sich den Morgenmantel über, der auf dem Boden lag und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. In der Küche trank sie einen Schluck Mineralwasser. Sie stellte die Flasche wieder in den Kühlschrank und wollte zurück in das Schlafzimmer. Wie versteinert blieb sie stehen. Mitten im Wohnzimmer stand Antonio! Mit einem interessierten Gesichtsausdruck begutachtete er die Kleidungsstücke, die ihr Robert auf dem Weg zum Schlafzimmer nach einander ausgezogen hatte und die jetzt verstreut auf dem Boden lagen. Das war zu viel!

„Was fällt dir ein!“ Die Hände in die Hüften gestemmt baute sie sich vor ihm auf. „Wie kommst du dazu mir nachzuspionieren! Du hast hier nichts zu suchen! Verschwinde gefälligst!“

Vor Aufregung war ihr anfängliches Flüstern immer lauter geworden. Sie funkelte ihn mit blitzenden Augen wütend an. Antonio sagte kein Wort, sondern schaute nur mit einem kühlen Blick auf sie herab. Plötzlich hob er den Kopf, blickte über ihre Schulter und war einen Augenblick später verschwunden.

„Wieso machst du mitten in der Nacht so einen Lärm?“ Roberts Stimme klang vorwurfsvoll. Er streckte seinen Kopf zur Schlafzimmertür heraus und schaute sie mit zusammen gekniffenen Augen und gerunzelter Stirn an.

„Wer soll gefälligst verschwinden?“

Fieberhaft überlegte sie. „Entschuldige, dass ich dich aufgeweckt habe, aber so ein streunender Kater kommt ab und zu vorbei und hockt miauend am Fenster. Den habe ich verscheucht.“ Verständnislos schüttelte er den Kopf.

„Komm wieder ins Bett“, forderte er sie auf und verschwand im Schlafzimmer. Teresa war so wütend, dass es lange dauerte ehe sie einschlafen konnte.

Der Sonntag verlief wider Erwarten sehr harmonisch. Lediglich beim Frühstück kam ein wenig Missstimmung auf, als sie Robert fragte, ob er Lust hätte mit ihr in die Kirche zu gehen. Verständnislos sah er sie an.

„Bist du verrückt geworden! Beten ist was für bigottische Narren und alte Weiber!“ Damit war der Fall für ihn erledigt.

Sie spielten wieder eine Runde auf dem Golfplatz. Diesmal passierten keine Pannen. Lediglich der Umstand, dass Teresa gegen Robert im Lochwettspiel gewann, warf einen Schatten auf den Nachmittag. Und Robert sah sich genötigt, einige gehässige Bemerkungen zum Thema Frauen und Golf zu machen.

Pünktlich um zehn Uhr fuhren am Montag Vormittag die beiden Anwälte in den Hof. Sie kamen zuerst in Teresas Wohnung, um mit Robert noch Einiges zu besprechen, ehe sie sich das Schloß ansahen. Die drei Männer setzten sich an ihren Esstisch. Teresa stellten ihnen etwas zum Trinken auf den Tisch und ließ sich dann auf dem Sofa nieder. Sie tat so, als würde sie lesen, horchte aber genau hin, um möglichst viel von der Unterhaltung aufzuschnappen.

„Das A und O an der ganzen Geschichte ist, die Burg hier so billig wie möglich zu bekommen“, begann Robert die Besprechung.

„Ich denke das dürfte nicht weiter schwierig werden“, kam die Antwort von dem kleineren der beiden Männer. Der andere fügte hinzu:

„Pendera hat sich noch nie um irgend etwas gekümmert. Er war bisher nie in Deutschland und lässt uns in Allem freie Hand.“

„Wird er denn nicht misstrauisch werden, wenn er den Preis sieht, den wir ihm bieten wollen“, gab Robert zu bedenken.

„Keine Spur! Der Typ ist so versponnen, dass er nicht einmal den Unterschied zwischen Euro und Cent kennt, geschweige denn weiß, was sein Besitz hier wirklich wert ist“, wiegelte der Kleine ab.

„Was treibt er eigentlich normalerweise? Ich meine wovon lebt er denn?“, wollte Robert wissen.

„Das weiß niemand so genau. Angeblich kraxelt er die meiste Zeit in den Pyrenäen herum und zählt vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere. Einen großen Teil seines anscheinend nicht unerheblichen Vermögens steckt er in den Kauf von wertlosen Grundstücken, die er dann in Naturschutzgebiete umwandelt und keinen mehr hinein lässt.“ Robert lachte.

„Ich wusste doch, dass diese alten Adelsheinis alle einen Knall haben!“

„Ist es da? Haben Sie es schon gesehen?“, hörte sie den Einen noch fragen.

Robert schüttelte den Kopf. Dann steckten alle drei die Köpfe zusammen und studierten Unterlagen, die die beiden Anwälte mitgebracht hatten.

‚Na, ihr vertretet die Interessen eures Mandanten aber auch nicht allzu gut‘, dachte Teresa.

Nach ungefähr einer Stunde war die Besprechung zu Ende. Robert drehte sich zu ihr um und meinte: „Jetzt wäre eine kleine Schlossführung angebracht.“

„Brauchst du mich dazu?“ Sie war erstaunt. Eigentlich hatte sie nicht erwartet, dass er sie dabei haben wollte.

„Aber natürlich. Du kennst dich doch wesentlich besser aus als ich und weißt, was am Sehenswertesten ist.“

Sie steckte den Schlüssel ein und gemeinsam gingen sie zum Schloß hinüber. Dicke graue Wolken hingen am Himmel und obwohl es erst kurz vor zwölf Uhr war, konnte man meinen die Dämmerung wäre schon angebrochen. Sie öffnete die Tür und wollte das Licht anschalten, aber es funktionierte nicht.

„Komisch“, meinte sie „vorgestern hat es doch noch gebrannt.“

„Ach das macht nichts. Die Beleuchtung wird schon ausreichen, um sich einen groben Überblick zu verschaffen“, entgegnete einer der beiden Anwälte und stieg unternehmungslustig die Treppen hinauf.

Dann geschah es! Er stolperte, fiel hin und wäre sogar einige Stufen hinunter gerutscht, wenn Robert ihn nicht aufgefangen hätte.

„Man muss höllisch aufpassen. Die Stufen sind schon reichlich abgetreten und krumm. Noch dazu bei so einer dürftigen Beleuchtung.“ Teresas Stimme klang fast entschuldigend. Dies sollte aber nicht das letzte Missgeschick bleiben, das während der Besichtigung passierte. Ein Hirschgeweih fiel gerade in dem Augenblick von der Wand, als die vier Besucher vorbeigingen. Zum Glück wurde niemand getroffen. Kurze Zeit später schlug ein Fensterflügel zu und die Scheibe ging zu Bruch. Im gelben Salon stolperte Robert über einen Teppich und fiel der Länge nach hin. Überhaupt war das nicht gerade Roberts Tag. Ihm widerfuhren laufend irgendwelche ‚Unfälle‘. In einem Zimmer stieß er das Toilettengeschirr aus Porzellan vom Tisch, obwohl er beteuerte es gar nicht berührt zu haben. Kurze Zeit später verfing er sich im Vorhang und anstatt sich daraus zu befreien, riss er die gesamten Gardinen herunter. Noch zweimal fiel er in seiner gesamten Länge zu Boden, obwohl weit und breit nichts zu sehen war, worüber er hätte stolpern können. Seine beiden zukünftigen Geschäftspartner musterten ihn zunehmend misstrauischer. Als er dann im Eßzimmer noch zwei Stühle umwarf, meinte der eine von ihnen nachdenklich:

„Sie haben doch nicht etwa heute morgen schon getrunken? Es wäre unseren gemeinsamen Plänen nicht gerade zuträglich, wenn Sie Probleme mit Alkohol oder ähnlichen Dingen hätten.“

„Aber selbstverständlich nicht“, versicherte Robert eifrig „ich habe nur gelegentlich Probleme mit dem Kreislauf. Ja, das muss es sein! Dieses herbstliche Nieselwetter macht mir manchmal schwer zu schaffen. Es ist bestimmt der Kreislauf!“

Teresa wurde zunehmend unruhiger und ihre Miene verfinsterte sich immer mehr. Aber so sehr sie auch achtgab und alle Winkel zu beobachten versuchte, sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Als sie den drei Männern alle wichtigen Räume des Schlosses gezeigt hatte, meinte der ältere der beiden Anwälte: „Wir haben gehört, dass sich hier eine ganz bekannte Gemäldesammlung befinden soll.“ Er sah Teresa fragend an.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bilder in der Ahnengalerie besonders bekannt sein sollen. Und sonst sind nicht viele andere Bilder hier“, erwiderte sie. Mit großen Augen sahen die drei Männer Teresa an.

„Wie, es gibt keine weiteren Gemälde hier? Auch nicht mit christlichen Motiven?“ Sie überlegte kurz. „Na ja, in der Kapelle hängt noch ein Bild.“

„Ach! Warum hast du mir das am Samstag nicht gezeigt?“

Roberts Stimme klang streng und unfreundlich.

„Ich dachte dich interessieren religiöse Dinge nicht“, antwortete sie und sah ihn dabei verständnislos an.

„Wären Sie so freundlich uns diese Kapelle noch zu zeigen?“, fragte der Kleine. Mit einem ganz unguten Gefühl ging Teresa voraus.

„Hier“, meinte sie und zeigte auf die Tür. Robert drückte die Klinke herunter, aber er konnte die Tür nicht öffnen.

„Sperr sie auf!“ Das klang wie ein Befehl. Teresa sah ihn irritiert an.

„Ich kann die Tür nicht aufsperren. Du siehst doch selbst, dass kein Schlüsselloch da ist. Ich verstehe auch gar nicht, wieso sie auf einmal nicht mehr aufgeht. Bisher war das kein Problem.“

Nacheinander versuchten alle drei Männer die Tür zu öffnen. Ohne Erfolg! Sie rührte sich keinen Millimeter. Es war fast so, als wäre sie von innen zugemauert.

„Es hat keinen Sinn. So bekommen wir das Ding nie auf. Man müsste sie aufbrechen“, meinte Robert und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Bist du verrückt geworden! Das Schloß gehört dir doch nicht. Du kannst nicht einfach fremder Leute Eigentum demolieren. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du die Kapelle unbedingt sehen muhst. Es ist ein Raum wie alle anderen auch.“ Teresa war ziemlich ungehalten und fügte sarkastisch hinzu: „Ich bin sicher, dass man auch daraus ein Hotelzimmer machen kann.“

„Sie haben vollkommen recht. Wir werden selbstverständlich nicht mit Gewalt dort eindringen. Was für eine absurde Idee“, beschwichtigte der ältere der Beiden mit einem strafenden Seitenblick auf Robert. „Aber Sie könnten uns das Bild möglicherweise kurz beschreiben.“ Verwundert musterte Teresa die Drei.

„Es ist eine Darstellung der Auferstehung Christi. Die Szene als Jesus Maria Magdalena begegnet. Aber ich verstehe Ihr Interesse an diesem Bild nicht. Die übrige Einrichtung des Schlosses haben Sie doch bisher völlig ignoriert.“

Für ihren Geschmack ein wenig zu hastig kam die Erwiderung auf ihren Einwand.

„Wir wollen einen möglichst genauen Überblick über das Inventar haben, um bei der Planung der Ausstattung des Hotels vorhandene Gegenstände mit zu berücksichtigen. Aber ich denke wir haben jetzt genug gesehen. Vielen Dank, Frau Lambert! Meiner Meinung nach sind diese Räumlichkeiten geradezu prädestiniert für unser Vorhaben. Wenn wir diesen alten spanischen Kauz dazu bringen, uns die Gebäude und den Grund zu dem Spottpreis zu überlassen, den wir uns vorgestellt haben, steht unserem Golfresort Schloß Berghof nichts mehr im Wege.“

Die beiden anderen Männer nickten zustimmend und man setzt sich in Richtung Treppenhaus in Bewegung. Sie waren beinahe im Parterre angekommen, da rutschten Robert die Füße weg und er schlitterte auf dem Hosenboden die letzten zwölf Stufen hinunter. Es sah so albern aus, dass Teresa laut loslachte. Damit handelte sie sich einen bitterbösen Blick ihres Freundes ein. Der neben ihr Stehende neigte seinen Kopf zu ihr herüber und fragte sie:

„Sind sie sicher, dass er nicht trinkt?“

Sie nahm Robert sofort in Schutz und versicherte den Beiden, dass bestimmt nur sein labiler Kreislauf an seinen heutigen Schwierigkeiten schuld wäre. Dann eilte sie die Treppe hinunter und half ihm fürsorglich auf die Beine. Nach einer kurzen Abschlussbesprechung verabschiedeten sich die beiden Geschäftspartner und fuhren zurück zu ihrer Kanzlei, um, wie sagten, so bald wie möglich Kontakt mit ihrem Mandanten in Spanien aufzunehmen. Teresa wollte eigentlich noch einmal auf dieses seltsame Gehabe wegen der Bilder zu sprechen kommen. Aber Robert war noch immer sauer auf sie und packte reichlich wortkarg seine Sachen. Nachdem sie sich reumütig ob ihres schändlichen Verhaltens bei ihm entschuldigt hatte, ließ er sich herab sie zu fragen, was sie für die Weihnachtsfeiertage geplant hätte.

„Ich fahre zu meiner Schwester. Meine Eltern wollen auch kommen und wir werden ein richtig schönes Familienfest feiern. Was hast du vor?“

„Ich fliege nach Aspen zum Skifahren. Aber ich denke über Silvester bin ich hier. Vielleicht melde ich mich ja.“

Teresa gab ihm noch die Telefonnummer ihrer Schwester und begleitete ihn dann zu seinem Auto. Nach einem ziemlich flüchtigen Abschiedskuss stieg er ein.

„Viel Spaß beim Skifahren!“, rief sie ihm noch hinterher.

Er brauste so sportlich davon, dass sie zur Seite springen musste, um nicht von den hoch geschleuderten Steinchen getroffen zu werden.

Nachdenklich ging Teresa zu ihrer Wohnung zurück. Sie räumte die Gläser vom Esstisch und trug sie in die Küche. Je länger sie nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Schluss, dass es bei all den Missgeschicken, die im Schloß und auf dem Golfplatz passiert waren, nicht mit rechten Dingen zugegangen war. Da hatte bestimmt Antonio seine Finger im Spiel gehabt. Leiser Zorn stieg in ihr auf. Sie trocknete sich die Hände ab und zog ihre Jacke an. Das musste jetzt sofort geklärt werden! Mit energischen Schritten marschierte sie zum Hauptgebäude hinüber.

„Antonio!“, hallte ihr Ruf durch das Treppenhaus. In den Gängen der ersten Etage klang ihr Ruf schon bedeutend lauter:

„Antonio, wo steckst du! Ich weiß, dass du hier bist!“

Als sie die Zimmer im zweiten Stock der Reihe nach öffnete, war ihre Stimmung schon äußerst gereizt.

„Antonio, ich muss mit dir reden! Hör auf dich zu verstecken, du elender Feigling! Antonio!“ Keine Antwort!

Wutschnaubend riss sie die Tür zur Ahnengalerie auf. Da stand er. Er kehrte ihr den Rücken zu und schaute aus dem Fenster auf den Golfplatz hinunter. Mit einem lauten Knall warf sie die Tür in das Schloß und stapfte auf ihn zu. Mit geradezu unverschämter Lässigkeit drehte er sich um. Die Hände in den Taschen seiner hellbraunen Hose, der Kragen seines weißen Hemdes offen, die Kette mit dem goldenen Kreuz glitzerte an seinem Hals. Er sah so verdammt gut aus! Viel zu gut! Im Vergleich zu ihm wirkte Robert wie die lächerliche Karikatur eines Möchtegern-Gigolos. Diese Erkenntnis machte sie noch zorniger. Antonio musterte sie mit kühlem Blick, zog die linke Augenbraue nach oben und sagte:

„Ich bin es nicht gewöhnt, dass man mir hinterher schreit wie einem Domestiken. Was gibt es denn gar so Wichtiges?“

Das war mehr als sie verkraften konnte.

„Bist du verrückt geworden?“, fauchte sie ihn an und fuhr im gleichen Atemzug fort: „Gib es zu! Du hast Robert in diese lächerliche Lage gebracht. Was hast du dir dabei gedacht?“

Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und erwiderte: „Ich habe nur diesen beiden geldgierigen Rechtsverdrehern gezeigt, was für ein armseliger Tropf dein Freund ist.“

Wutentbrannt schnaubte sie: „Robert ist kein armseliger Tropf. Warum interessiert er dich eigentlich? Und überhaupt: Wieso mischst du dich in mein Privatleben ein?“

„Ich habe ihn nicht eingeladen. Du hast ihn ja wohl hierher geschleppt.“

Mit einem Aufblitzen in seinen Augen fügte er hinzu: „Wenn ich es recht bedenke, bin ich eigentlich noch viel zu sanft mit ihm umgegangen. Du hast gehört, was er über meine Mutter gesagt hat und du hast ihn nicht zurecht gewiesen. Vermutlich haben dich seine leidenschaftlichen Umarmungen so blind gemacht, dass du nicht mehr klar denken kannst.“

„Was soll das? Du tauchst hier auf, drängst dich in mein Leben und schnüffelst mir hinterher! Robert hat sicher seine Schwächen, wie jeder andere auch. Aber er ist ein guter Freund!“ Und um ihm eins auszuwischen fügte sie noch hinzu: „Außerdem ist er ein aufmerksamer und leidenschaftlicher Liebhaber!“

Herausfordernd sah sie ihn an. Er betrachtete sie einen Augenblick nachdenklich und meinte dann:

„Er ist ein aufgeblasener, arroganter, selbstherrlicher Angeber. Weiter nichts. Das Einzige was ihn interessiert ist sein Vorteil. Er will diesen Besitz hier haben. Aber das wird ihm ebensowenig gelingen, wie Bernwald und all den anderen, die es im Laufe der Jahrhunderte versucht haben. Ich werde es zu verhindern wissen!“ Er kam auf sie zu und blieb einen Schritt vor ihr stehen.

Fast beschwörend sagte er zu ihr: „Teresa, bitte! Er ist nicht gut genug für dich. Meine niedrigsten Dienstboten habe ich besser behandelt, als er dich. Er benutzt dich und wenn er dich nicht mehr braucht, wird er dich ablegen wie ein altes Kleidungsstück. Wahrscheinlich würde er dich dem Nächstbesten anbieten, wenn es ihm Geld einbrächte!“

Ohne zu überlegen holte Teresa aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige. „Das geht entschieden zu weit! Wie kannst du dir ein solches Urteil über ihn erlauben? Du kennst ihn ja gar nicht. Du bist das Gemeinste und Mieseste was mir in meinem Leben bisher begegnet ist. Hau ab, verschwinde ich will dich nicht mehr sehen!“, schrie sie ihn an.

Er holte tief Atem und stieß die Luft hörbar wieder aus. Auf seiner linken Wange konnte man deutlich die roten Striemen sehen, die ihre Finger hinterlassen hatten. Er sagte kein Wort. Ganz langsam verschwammen seine Umrisse und wurden schwächer und undeutlicher. Das Letzte was sie von ihm sehen konnte, waren seine braunen Augen, die sie mit einem mitleidigem Ausdruck anschauten. Dann lösten auch sie sich im Nichts auf. Antonio war verschwunden. Teresa machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Schloß ohne sich auch nur einmal umzublicken.

Braune Augen

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