Читать книгу Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler - Страница 4
II.
Оглавление„Ich brauche noch Ihre Personalien für den Bericht.“
Sophia hob den Kopf und sah die Frau am Empfang unsicher an. Über eine halbe Stunde saß sie jetzt schon hier in der Halle des Krankenhauses, ohne dass irgend jemand von ihr Notiz genommen hatte.
„Warten Sie in der Halle!“, hatte ihr der Mann von der Bergwacht noch zugerufen, ehe er hinter der Bahre in der Notaufnahme verschwunden war.
Sie war aus dem Hubschrauber geklettert, hatte sich noch von dem Piloten verabschiedet und war dann schön brav in das Krankenhaus marschiert um zu warten.
Als ihr die Frau aufmunternd zunickte, stand Sophia auf und ging zum Empfangstresen hinüber.
„Ich schreibe gerade den Bericht und benötige noch einige Angaben von Ihnen“, sagte die Dame und lächelte sie freundlich an. „Zuerst den Namen und die Anschrift.“
„Mein Name ist Sophia Römer. Ich wohne in der Vivaldistraße 67 B in München. Die Postleitzahl ist 81247.“ „Und“, fügte sie mit einem kleinen Grinsen hinzu, „Römer schreibt man wie Cäsar und Vivaldi wie Mozart.“
„Habe ich mir beinahe gedacht“, schmunzelte die Sekretärin, während sie die Angaben in den PC tippte.
Nachdem Sophia ihr Geburtsdatum und ihren Beruf genannt hatte, wollte sie auch noch den Familienstand wissen.
„Verwitwet.“
Die Empfangsdame sah von ihrer Tastatur hoch und warf Sophia einen prüfenden Blick zu ehe sie sich wieder ihrem Bildschirm zuwandte. Diese Antwort hatte sie ganz offensichtlich ziemlich überrascht.
Ein leises Lächeln huschte über Sophias Gesicht, als sie daran dachte wie schwer es ihr in den ersten Jahren nach Stefans Tod gefallen war, diese Angabe zu machen. Damals waren ihr jedes Mal wieder aufs Neue die Tränen in die Augen gestiegen. Jetzt war es so selbstverständlich für sie wie ihre Anschrift oder ihr Geburtsdatum.
„Das war es auch schon. Vielen Dank Frau Römer.“
„Heißt das, dass ich jetzt fertig bin und gehen kann? Der Mann vom Rettungsdienst bat mich hier zu warten. Jetzt weiß ich nicht so recht, was ich tun soll.“
„Also ich habe alle Angaben, die ich brauche. Aber es ist durchaus möglich, dass die Bergwacht noch etwas Anderes benötigt. Wenn Sie Zeit haben, sollten Sie vielleicht doch noch auf ihn warten. Es wird sicher nicht mehr allzu lange dauern.“
„In Ordnung“, sagte Sophia und ging wieder hinüber zu den Stühlen.
Sie setzte sich jedoch nicht, sondern stellte sich direkt vor die Heizung. Sie war vollkommen durchgefroren und hätte Einiges für eine Tasse mit heißem Tee gegeben. Sie schaute sich gerade suchend nach einem Getränkeautomaten um, als am anderen Ende der Halle eine große Tür aufschwang und der Mann von der Bergwacht heraus kam.
„Hallo Sigrid! Ist sie noch da?“, rief er der Sekretärin zu.
Diese deutete mit dem Kopf zu Sophia herüber. Jetzt sah auch er sie stehen und kam mit ausladenden Schritten zu ihr herüber.
„Gut dass Sie noch da sind. Sie haben etwas vergessen“, sagte er und hielt ihr die Jacke entgegen. „Sie ist ziemlich mitgenommen“, fügte er noch hinzu. Es klang fast wie eine Entschuldigung.
Sophia drehte die dunkelblaue Jacke, die von hässlichen, rotbraunen Blutflecken verunstaltet wurde, hin und her und sagte mit einem Achselzucken: „Das ist nicht so schlimm. Die Reinigung wird das schon wieder hinkriegen.“ „Ich glaube im Eifer des Gefechts haben wir uns noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Thomas Anninger.“ Er streckte ihr seine Hand entgegen und sah sie auffordernd an.
Erst jetzt nahm sie sich die Zeit ihn eingehender zu betrachten. Er war zwar kaum größer als sie, aber fast doppelt so breit. Sein Gesicht war braungebrannt. Nur um seine Augen zogen sich viele feine helle Linien, die davon zeugten, dass er anscheinend ein sehr fröhlicher Mensch war, der gerne lachte. Die untere Hälfte seines Gesichtes verschwand fast vollständig unter einem dicht wuchernden Bart. Im Gegensatz zu seinen dunklen Haaren war der schon ziemlich grau.
‚Er sieht aus wie der leibhaftige Alm-Öhi‘, ging es Sophia durch den Kopf als sie ihm die Hand gab und sich ihrerseits ebenfalls vorstellte.
„Es ist mir eine Ehre!“ Sein Händedruck passte zu seinem robusten Äußeren. Mit einem Aufschrei entriss sie ihm ihre verletzte Hand und presste sie mit einem lauten Stöhnen an ihre Brust.
„Lassen Sie mich mal schauen!“ Sein Tonfall duldete keine Widerrede.
Ohne ihre Reaktion abzuwarten nahm er ihr rechtes Handgelenk und drehte die Handfläche nach oben. Durch den festen Händedruck war der Schorf, der sich zwischenzeitlich gebildet hatte, wieder aufgerissen und an mehreren Stellen sickerte wieder Blut aus der Wunde.
„Wie ist das passiert?“
„Ich habe mich beim Graben im Schnee an der Stahlkante seines Skis geschnitten“, klärte ihn Sophia kleinlaut auf.
„Kommen Sie mit! Das soll sich ein Arzt ansehen!“
Mit einem strengen Blick schob er den linken Ärmel ihres Pullovers in die Höhe und legte seine Hand auf ihren Unterarm.
„Mein Gott! Sie sind ja eiskalt!“
Er zog seine eigene Daunenjacke aus und legte sie ihr über die Schultern.
„Ist ja auch kein Wunder! Sie sind schon eine Ewigkeit ohne Jacke unterwegs! Warum haben Sie denn nichts gesagt?“
„Sie hatten ja wohl etwas Besseres zu tun, als sich um eine frierende Tussi mit einem lächerlichen Kratzer zu kümmern“, antwortete sie mit einem schiefen Grinsen.
Gleichzeitig kuschelte sie sich ganz fest in seine warme Jacke. Er nahm ihr ihre eigene Jacke aus der Hand, fasste sie am Arm und bugsierte sie zu der Tür am anderen Ende der Halle.
„Du schon wieder!“, rief der Arzt in der Ambulanz, als er den Mann von der Bergwacht hereinkommen sah.
„Schau dir bitte ihre Hand an. Sie hat Mark aus dem Schnee gebuddelt und sich dabei verletzt.“
Der Arzt wusch sich die Hände, bat Sophia sich auf die Liege zu setzen und nahm dann ihre Handfläche in Augenschein.
„Nur mal so nebenbei: Wie kann man sich denn im frischen Pulverschnee einen so tiefen Schnitt zuziehen?“, fragte er neugierig, während er ihre Hand verarztete.
„Ich habe mich mit der Stahlkante seines Skis angelegt.“ Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Wie geht es ihm eigentlich? Kommt er wieder in Ordnung?“
„Machen Sie sich keine Sorgen. Der wird schon wieder. Mark ist hart im Nehmen. Er hält Einiges aus“, antwortete Thomas leichthin.
„Naja! Ganz so harmlos ist es nun auch nicht“, unterbrach ihn der Arzt. „Er hat fünf gebrochene Rippen. Es grenzt beinahe an ein Wunder, dass die Lunge nichts abbekommen hat. Außerdem wären da noch das gebrochene Schlüsselbein und eine üble Gehirnerschütterung zu nennen. Die Risswunde reicht von der Wange bis über den halben Kopf und seinen Unterschenkel haben Sie ja selbst gesehen. Der wird momentan im Operationssaal zusammengenagelt. Es wird wohl Einiges an Metall benötigt um das wieder hinzubekommen. Er hat unheimliches Glück gehabt.“
„War ziemlich nahe dran, nicht wahr?“ Fragend schaute Sophia den Arzt an. „Das kann man wohl sagen“, antwortete er mit ernstem Gesicht.
„So das hätten wir.“ Zufrieden betrachtete der Arzt sein Werk. „Ich gehe einmal davon aus, dass ihre letzte Tetanus-Impfung noch nicht länger als zehn Jahre zurückliegt.“
Er schaute über die Schulter zu Sophia während er sich die Hände säuberte. „Die Auffrischung ist vor zwei Jahren gemacht worden“, antwortete sie eifrig. „So ist’s brav. Das höre ich gerne.“ Er grinste sie an. „In zwei Tagen kommen Sie noch einmal zum Verbandwechseln vorbei.“
Bedauernd schüttelte Sophia den Kopf: „Das wird nicht gehen. Da bin ich bereits auf dem Weg nach Hause. Mein Zug geht um kurz nach zehn Uhr. Da reicht die Zeit einfach nicht mehr um vorher noch vorbei zu kommen.“
„Dann gehen Sie eben zu Ihrem Hausarzt. Aber ja nicht vergessen“, mahnte er sie.
„Bestimmt nicht“, versprach Sophia und fügte noch hinzu „Wie wollen wir es mit der Abrechnung machen? Ich könnte Ihnen morgen meine Versicherungskarte vorbei bringen.“
Der Arzt winkte lächelnd ab: „Das ist nicht nötig. Betrachten Sie es einfach als kleines Dankeschön für Ihre heutige Heldentat.“
Er streckte ihr die linke Hand entgegen. „Alles Gute! Ich hoffe wir sehen uns einmal wieder!“
Sophia reichte ihm ebenfalls die linke Hand. „Auf Wiedersehen! Und vielen Dank für den schicken Verband.“
„Sie haben sich heute nachmittag da draußen richtig gut verhalten“, lobte sie Thomas Anninger, während sie nebeneinander den Gang entlang gingen. „Nicht nur dass Sie sofort Hilfe angefordert haben, sondern auch wie besonnen Sie danach vorgegangen sind. Das war toll!“
Er warf Sophia einen anerkennenden Blick zu. Gleichzeitig musterte er die Frau an seiner Seite ein wenig genauer. Ihre schulterlangen, leicht gewellten Haare waren ziemlich zerzaust. Sie hatten den Farbton von altem Mahagoniholz. Am Scheitel glitzerten vereinzelt ein paar graue Haare. Ihr Gesicht war bei Weitem nicht so braungebrannt wie sein eigenes, aber sie sah überhaupt nicht nach bleichgesichtigem Stubenhocker aus. Die Fältchen in den Augenwinkeln sagten ihm, dass er keinen Teenager mehr vor sich hatte. Er schätzte sie auf Mitte dreißig.
„Ich bin Erzieherin in einem Kindergarten, der von Klosterschwestern betrieben wird. Die sind da sehr genau was die Sicherheit der Kinder anbelangt. Wir müssen alle einmal im Jahr an einem zweitägigen Erste-Hilfe-Kurs für Kinder teilnehmen. Da erfährt man zwar nichts über Lawinenunfälle, aber das Verhalten bei Knochenbrüchen, Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen, stabile Seitenlage und so weiter bekommt man dort schon beigebracht. Und so groß ist der Unterschied zwischen einem Kind und einem Erwachsenen ja auch wieder nicht.“
Sophia blieb stehen und sah ihm in die Augen.
„Halten Sie mich jetzt bitte nicht für neugierig. Aber da Sie den Verunglückten offensichtlich zu kennen scheinen, würde mich jetzt doch interessieren, wer er eigentlich ist.“
„Mark Suttner ist mein bester Freund!“
Alles hatte Sophia erwartet, aber das sicher nicht. „Er kommt hier aus der Gegend?“ Die Verblüffung stand ihr im Gesicht geschrieben.
„Ja! Mark kommt aus Saas Gurin, genau wie ich auch.“ Als er die Falten auf ihrer Stirn sah, fügte er erklärend hinzu: „Ungefähr zwei Kilometer außerhalb von Oberkirch geht es in ein Seitental hoch.“
Sophia überlegte kurz und nickte dann.
„Mark und ich kennen uns schon seit wir kleine Jungs waren. Er ist auch bei der Bergwacht. Und außerdem ist er der beste Bergführer weit und breit.“
„Das ist aber komisch“, erwiderte Sophia. „Mein erster Gedanke heute Nachmittag war, dass es sich um einen leichtsinnigen, jungen Touristen handeln müsste. Im ganzen Ort stehen die Tafeln mit den Lawinenwarnungen herum. Wie kommt es, dass ein erfahrener Bergführer, der ja soweit ich das erkennen konnte auch kein Jungspund mehr ist, bei einem solchen Wetter in dieser Steilwand unterwegs ist?“ Fragend schaute sie ihren Gegenüber an.
Er antwortete nicht sofort. Der Mann von der Bergwacht sah sie prüfend an und schien angestrengt zu überlegen.
„Tja... Ich weiß auch nicht so recht... Ich bin mir nicht sicher... Ich denke er hat möglicherweise die Situation falsch eingeschätzt“, sagte er, ohne sie dabei anzusehen. Das Ganze klang ziemlich holprig.
Obwohl Sophia sicher war, dass es nicht das war, was er eigentlich sagen wollte, nickte sie und meinte: „Ja, das wird es wohl gewesen sein.“
Thomas Anninger sah sie mit einem leisen Lächeln an. Er schien sichtlich erleichtert zu sein, dass sie keine weiteren Fragen stellte.
„Auf jeden Fall bin ich ihnen unendlich dankbar für das, was Sie heute getan haben. Sie haben ihm das Leben gerettet! Es wären möglicherweise viele Stunden vergangen, ehe man sein Verschwinden bemerkt hätte.“
Er zögerte kurz und fuhr dann fort: „Wenn er wieder auf den Beinen ist, wird er sich bestimmt persönlich bei Ihnen bedanken.“
Sophia legte ihre gesunde Hand auf seinen Arm.
„Hören Sie! Ich möchte das nicht. Was ich getan habe war selbstverständlich. Jeder Andere hätte das auch getan. Ich will nicht, dass er das Gefühl hat, er schulde mir etwas. Tun Sie mir einen Gefallen und erzählen ihm nichts von mir. Sie können ihm ja von mir aus sagen, dass irgend jemand das Ganze beobachtet und per Handy die Bergwacht verständigt hat. Aber sagen Sie nicht wer es war und auf gar keinen Fall wo ich wohne. Und es wäre furchtbar nett, wenn Sie das auch dem Krankenhauspersonal plausibel machen könnten. Werden Sie das für mich tun?“ Bittend schaute sie ihn an.
„Na gut! Wenn es das ist, was Sie wollen. Von mir wird er nichts erfahren. Und das mit den Anderen kläre ich auch“, versprach er ihr.
Inzwischen waren sie bei der gläsernen Eingangstür des Krankenhauses angelangt. Sophia gab ihm seine Jacke mit einem Dankeschön zurück. Er fasste sie bei den Schultern, zog sie zu sich heran und küsste sie auf beide Wangen. „Es war mir eine Ehre Sie kennengelernt zu haben“, sagte er. „Ich hoffe wir sehen uns einmal wieder.“
„Auf Wiedersehen“, flüsterte Sophia, zog ihre eigene Jacke an und stieg in eines der wartenden Taxis. Thomas Anninger öffnete die Beifahrertür.
„Bringen Sie die Dame gut nach Hause. Die Fahrtkosten übernimmt die Bergwacht. Schicken Sie die Abrechnung in die Zentrale.“
Er warf die Tür wieder zu und das Taxi fuhr los.
„Wohin soll es denn gehen?“ Fragend sah der Fahrer in den Rückspiegel.
„Nach Oberkirch. Zum Hotel Almrose“, antwortete Sophia und lehnte ihren Kopf gegen die Nackenstütze.
Sophia öffnete die Glastür und trat auf den Holzbalkon hinaus. Auf der Brüstung lag der Schnee fast zwanzig Zentimeter hoch. Der zusammengeklappte Sonnenstuhl war vollkommen zugeschneit. Es sah aus als wäre er in Styropor verpackt. Dicke Schneeflocken schwebten noch immer langsam, aber stetig zu Boden, genauso wie am Nachmittag, als sie spazierengegangen war. Sie schüttelte den Kopf und schmunzelte. Es war schon verrückt, dass sie ausgerechnet zur gleichen Zeit dort unterwegs sein musste, wie dieser leichtsinnige Skifahrer.
Wie hatte der Mann von der Bergwacht doch gleich gesagt?
‚Mark Suttner ist mein bester Freund.... Er ist der beste Bergführer weit und breit.... Er hat die Situation möglicherweise falsch eingeschätzt.‘
„Das passt überhaupt nicht zusammen!“ Sophia dachte laut.
Auch die Art wie Thomas Anninger auf ihre Frage geantwortet hatte, war sehr seltsam. Es klang so, als wäre er selbst nicht davon überzeugt gewesen.
„Na, was soll’s!“ Sophia zuckte mit den Schultern.
Auf jeden Fall war heute für sie der aufregendste Tag seit mindestens zehn Jahren gewesen. So etwas hätte sie in Tunesien bestimmt nicht erlebt. Zumindest hätte sie dort niemanden aus einer Schneelawine buddeln müssen. Und nachdem ihr Erlebnis ja letztendlich so glimpflich abgelaufen war, konnte sie es auch ohne Gewissensbisse in die Kategorie ‚aufregende Urlaubsabenteuer‘ abheften, von denen man zu Hause stolz erzählen konnte. Sophia streckte ihre bandagierte Hand aus. Mit den Fingerspitzen fing sie eine der vorbeischwebenden Schneeflocken auf. Sie sah zu, wie sich das zarte Gebilde in kürzester Zeit wieder in Wasser verwandelte und nur Tropfen zurückblieben. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als spüre sie wieder den Puls des Mannes an ihren Fingerspitzen. Da wurde ihr bewusst, dass es fünfzehn Jahre her war, seit sie zum letzten Mal den Herzschlag eines Mannes auf ihrer Haut gespürt hatte. Und mit einem Schlag war es wieder da, dieses grenzenlose Gefühl des Verlassenseins und der Einsamkeit. Nach Stefans Tod hatte sie es eine so unglaublich lange Zeit mit sich herumgetragen, dass sie manchmal geglaubt hatte, sie würde es niemals wieder los werden. Es war zwar irgendwann, als sie selbst schon nicht mehr damit gerechnet hatte, allmählich erträglicher geworden und ihre Lebensfreude war nach und nach wieder zurückgekehrt. Doch ab und zu war es, wie aus heiterem Himmel, wieder da und erinnerte sie daran, wie allein sie war. Dann half auch der Gedanke an ihre Tochter Katie nicht mehr weiter. Das Gefühl des Alleinseins war dann so übermächtig, dass es ihr fast körperliche Schmerzen bereitete.
Ein Schauer überlief sie. Fröstelnd presste sie die Arme an ihre Brust und versuchte krampfhaft dieses so unerwartet aus der Vergangenheit aufgetauchte Schreckgespenst zu verjagen. Noch hatte sie schließlich einen Tag Urlaub. Den wollte sie sich auf keinen Fall mit trüben Gedanken selbst vermiesen. Sie atmete tief die kalte Nachtluft ein.
‚Morgen werde ich mir zum Abschluss noch einmal eine Massage gönnen‘, beschloss sie spontan, ging zurück in ihr Zimmer und zog die Balkontür mit einer energischen Bewegung hinter sich zu.