Читать книгу Na, wann ist es denn so weit? - Anna Wilken - Страница 8

Оглавление

KAPITEL 2

Ab wann stellt man sich in einem Kinderwunschzentrum vor?

Wahl des Kinderwunschzentrums und Ablauf des Ersttermins

Frau Dr. Seehaus: Üblicherweise nach circa einem Jahr ungewollter Kinderlosigkeit trotz regelmäßiger Zyklen und Geschlechtsverkehr (ein- bis zweimal pro Woche).

Was ich persönlich besonders wichtig finde, ist nicht nur die Entscheidung, wann man sich in einem Kinderwunschzentrum vorstellt, sondern auch, wo. Das Thema ist ohnehin sehr sensibel, daher solltet ihr euch in eurem Kinderwunschzentrum unbedingt wohlfühlen. Je nachdem, wo ihr wohnt, wird es vielleicht mehrere Zentren in eurer Nähe geben oder auch nur eines. Unter Umständen müsst ihr sogar eine weitere Fahrt auf euch nehmen. Ideal ist es natürlich, wenn ihr Freunde in eurem Umfeld habt, die schon positive Erfahrungen mit einem Kinderwunschzentrum gemacht haben und euch guten Gewissens eine Empfehlung aussprechen können. Selbstverständlich findet ihr auch viele Infos im Netz, in Foren und auf den Webseiten der Zentren. Hört hier einfach auf euer Bauchgefühl. Im Erstgespräch werdet ihr merken, ob der Arzt zu euch passt, der euch auf eurer Reise zum Wunschkind begleiten soll und dem ihr euer Vertrauen schenkt. Die Wahl des Arztes ist mir immer sehr wichtig, und was das angeht, bin ich sehr ehrlich zu mir selbst: Fühle ich mich unwohl, dann äußere ich es und suche gegebenenfalls einen anderen Arzt auf.

Vielleicht findet ihr es auch beruhigend zu wissen, dass der erste Termin absolut unverbindlich ist. Ich habe mir gesagt: Ich gehe hin, um mich zu informieren! Das hat den Schritt um einiges leichter gemacht.

Manche Frau oder manches Paar hat schon eine Diagnose, weiß genau, wodurch die Schwangerschaft erschwert ist, und hat womöglich einen konkreteren Plan als ich damals bei meinem ersten Termin. Jeder geht in dieses Gespräch und die Untersuchung mit einem ganz anderen Gefühlschaos und Gedankenkarussell, mit mehr oder weniger Anspannung, großen oder kleinen Erwartungen. Spannend wird der Ersttermin wohl für die meisten sein.

Tipp: Informiert euch am besten vorab, ob ihr eine Überweisung von eurem Hausarzt oder Gynäkologen braucht.

Was passiert beim ersten Termin im Kiwu-Zentrum?

Wie gesagt, den ersten Termin finden die meisten Frauen oder Paare aufregend, vielleicht auch anstrengend. Schließlich muss man sich komplett „nackt machen“ und damit rede ich nicht nur vom gynäkologischen Stuhl, sondern auch davon, dass man sich offenbart. Je mehr Informationen der Arzt bekommt, desto besser kann er die Situation beurteilen. Das bedeutet ein erneutes Durchkauen der vielleicht bereits gestellten Diagnosen. Bei mir gehört da natürlich meine Endometriose dazu. Mittlerweile erzähle ich meine Krankengeschichte im Schlaf – vom Verdacht über den Weg bis zur Diagnose und all die Stationen danach, OPs und Co. Jedes Detail kann für den Arzt wichtig sein.

Umgekehrt ist für uns als Patientinnen der Termin auch sehr interessant, weil ein Reproduktionsmediziner im Ultraschall auf ganz andere Dinge achtet als ein „normaler“ Gynäkologe bei einer Routineuntersuchung. Je nachdem, zu welchem Zykluszeitpunkt man den ersten Termin hat, wird zum Beispiel ein Auge auf die Follikel und die Gebärmutterschleimhaut geworfen. Das finde ich immer total spannend. Per Tastuntersuchung und Ultraschall wird nach anatomischen Veränderung Ausschau gehalten. Ein Abstrich muss genommen werden, um Entzündungen und Geschlechtskrankheiten auszuschließen. Für mich persönlich ist das ja immer der Horrorpart eines jeden frauenärztlichen Besuchs. Mit einem Wattestäbchen wird Sekret aus der Scheide entnommen und unter dem Mikroskop auf Bakterien und Pilzsporen untersucht. Eine Urinprobe wird selbstverständlich auch noch genommen. Diese gibt ebenfalls Hinweise auf akute Infektionen. Chlamydien, die zu spät erkannt werden, können beispielsweise zu Verklebungen der Eileiter führen, und das wollen wir ganz sicher nicht.

Ach so, ja, falls sich jemand fragt, wie es um die Männer in der ganzen Sache steht – die kommen beim Ersttermin ganz gut weg. Eine genauere Untersuchung „seines besten Stücks“ erfolgt bei Bedarf beim Urologen. Ganz unbeachtet bleiben die Herren der Schöpfung trotzdem nicht: Um die Hormone zu untersuchen, wird das Blut beider Partner abgenommen. Bei der Frau wird vor allem der AMH-Wert bestimmt.

Was ist der AMH-Wert?

AMH – das sogenannte Anti-Müller-Hormon – wird in den heranwachsenden Follikeln gebildet und gibt einen Hinweis auf die Eizellreserve einer Frau. Die Höhe des AMH-Werts ist bei einer Kinderwunschbehandlung interessant, weil man an ihm ungefähr einschätzen kann, wie wahrscheinlich es ist, dass die Eizellen auf die hormonelle Stimulation ansprechen. Generell kann der AMH-Wert immer mal leicht schwanken. Ein niedriger Wert schließt eine spontane Schwangerschaft nicht aus, aber je geringer die Eizellreserve, desto schlechter spricht das Ovar auf eine Stimulation an. Die Messungen gehen von 0 bis 10.

Mit diesen paar Buchstaben fing bei mir übrigens alles an. Wegen meiner Endometriose war ich zur Reha und lernte dort viele Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch kennen. 40 bis 70 Prozent der Frauen mit Endometriose sind ungewollt kinderlos beziehungsweise haben es schwerer, schwanger zu werden. Als Betroffene hatte ich diese Fakten natürlich auf dem Schirm – auch damals schon. Allerdings wusste ich aus den unzähligen Untersuchungen – ebenfalls aufgrund der Endometriose –, dass meine körperlichen Voraussetzungen auf den ersten Blick nicht besorgniserregend aussahen. Meine Eileiter waren durchgängig und das hatte für mich immer bedeutet: grünes Licht für die Babyplanung. Doch die Gespräche mit den Frauen auf der Reha zeigten mir schnell: Es gibt Faktoren, die ich nicht einkalkuliert hatte.

Mit tausend Fragezeichen im Gepäck fuhr ich damals von der Reha, übertrieben gesagt, auf direktem Weg ins Kinderwunschzentrum – und das theoretisch nur, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Ich wollte wissen, wie es um meinen AMH-Wert steht: „Frau Wilken, Ihr AMH-Wert ist gut“, erfuhr ich dort von dem Arzt, der mich untersucht hatte. „Gut genug, um jetzt mit einer künstlichen Befruchtung zu starten.“ Bäääm! Ein Brett traf meinen Kopf! Was heißt hier künstliche Befruchtung? Ich wollte doch nur wissen, ob … und wie … und überhaupt … Meine Gedanken drehten sich im Kreis.

Ich fuhr heulend nach Hause. Im Kopf diese Zahl 0,44. Mein AMH-Wert schloss die Möglichkeit, auf natürlichem Wege schwanger zu werden, praktisch aus. Wie konnte das sein? Ich war so jung – biologisch gesehen in der Hochphase meiner Fruchtbarkeit. Plötzlich kam da so ein grausamer Wert daher und beraubte mich gefühlt meiner Weiblichkeit. Ich hätte mich verfluchen können: Immer erforsche ich alles so genau, was mit meinem Körper zu tun hat. Diese Angewohnheit hat mich auf meiner Endometriosereise schon oft Nerven gekostet! Und jetzt auch noch das! Herzlichen Glückwunsch, Anna, deine Nachforschungen waren erfolgreich! Danke für nichts!

Diese trotzigen Gedanken habe ich zum Glück mittlerweile nicht mehr. Heute, vier Jahre später, bin ich in gewisser Weise dankbar dafür, dass ich die Chance bekommen habe, mich früh genug mit dem Thema zu beschäftigen. Gerade am Anfang gibt es doch so viele Fragen. Die ersten Termine sind super aufregend und ich kann euch nur den Tipp geben, vorab auch einige bürokratische Dinge abzuklären:

Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse zum Beispiel! Der „ganze Spaß“ kostet nämlich leider nicht nur Nerven, sondern auch einige Euro. Bei uns war das Erstgespräch kostenlos, jedenfalls hat es die Krankenkasse übernommen. Am besten fragt ihr gleich bei der Terminvereinbarung nach, damit euch keine böse Überraschung erwartet. Denn jede Krankenkasse handhabt das anders. Zusätzlich gibt es Unterschiede zwischen der privaten und der gesetzlichen Krankenkasse und abgesehen davon mischt unser Sozialgesetzbuch noch ordentlich mit in der ganzen Angelegenheit. Und weil da einiges an Papierkram auf euch zukommen wird – und mit Sicherheit auch der ein oder andere Wutanfall –, bekommt ihr im sechsten Kapitel alle relevanten Informationen dazu.

Was wird neben dem AMH-Wert noch genau untersucht? Ich habe es schon kurz angesprochen: die Hormone.

Eine endokrinologische Untersuchung gibt Auskunft über die Hormonproduktion – und ihr werdet sehen oder wisst es schon aus eigener Erfahrung: Während der Kinderwunschbehandlung dreht sich gefühlt eure halbe Welt darum. Eine Hormonstörung kann beispielsweise der Grund für einen unregelmäßigen Zyklus sein. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen, wird an mehreren Tagen eines Monatszyklus Blut abgenommen. Denn die Östradiol-, Progesteron-, Prolaktin-, Testosteron-, LH- und FSH-Werte verändern sich im Verlauf eines Zyklus. Jedes Hormon hat seine Aufgabe. Östradiol, auch als Östrogen bezeichnet, steigt bei Reifung der Eizellen an. Progesteron gibt in der zweiten Zyklushälfte Auskunft darüber, ob ein Eisprung stattgefunden hat.

Es hat aber noch eine weitere Funktion: Progesteron wandelt die Gebärmutterschleimhaut um, damit der Embryo es sich schön bequem machen kann – es unterstützt somit die Einnistung des Embryos. Prolaktin sorgt zusammen mit anderen Hormonen für die Milchproduktion in der Brustdrüse. Darüber hinaus hemmt Prolaktin in der Schwangerschaft und Stillzeit den Menstruationszyklus, indem es die Ausschüttung verschiedener anderer Hormone verhindert. Folglich muss dieser Wert beobachtet werden – er sollte nicht zu hoch sein. Gleiches gilt für das Testosteron. Gibt es zu viel davon, wirkt sich das negativ auf die Reifung der Eizelle aus.

Über LH und FSH haben wir ja schon gesprochen. Darum hier nur noch mal kurz: FSH bewirkt bei der Frau im Eierstock die Entwicklung der Follikel zum reifen Ei und zum Eisprung. Am ansteigenden LH-Wert erkennen wir, dass wir uns auf die Ovulation zubewegen. Ihr seht, in uns passiert einiges! Ist das nicht total faszinierend? Ich bewundere meinen Körper dafür, auch wenn nicht immer alles so läuft, wie ich es mir wünsche. Er ist zu so vielen kleinen und großen Wundern in der Lage, darauf dürfen wir stolz sein – auch wenn wir manchmal vielleicht eine Hilfestellung geben.

Apropos Hilfestellung: Ich mache mir gern eine Liste mit Stichpunkten oder Fragen vor solchen Terminen, weil ich über all die neuen Informationen, Gedanken – und ja, auch Ängste – hinaus oft vergesse, was ich ansprechen wollte. Im Auto auf dem Heimweg oder abends im Bett fällt mir dann ein: Mist! Aber hey, das ist ganz normal. Uns beschäftigen ja Tausende Dinge am Anfang, wenn man noch auf der Suche nach den Gründen dafür ist, warum es einfach nicht klappen will.

Übrigens, ein Spermiogramm wird ebenfalls im Kinderwunschzentrum oder beim Andrologen erstellt. Die Zeugungsfähigkeit des Mannes muss schließlich auch untersucht werden. Unter dem Mikroskop werden Form, Aktivität und Anzahl der Spermien in Augenschein genommen. Der pH-Wert wird bestimmt und zusätzlich kann auch nach entzündlichen Faktoren gesucht und eine immunologische Untersuchung und Fructosemessung der Spermaflüssigkeit durchgeführt werden.

Doch keine Sorge, meistens „passiert“ das nicht gleich beim Erstgespräch. Sicherlich handhabt dies jedes Kinderwunschzentrum anders, aber unabhängig davon, dass man als Paar vielleicht ein wenig Bedenkzeit benötigt, braucht auch der Körper des Mannes etwas Zeit. Zwischen drei bis fünf Tage sollte der Mann keinen Samenerguss haben, bevor er die Spermaprobe für eine Untersuchung abgibt. Wie der Mann das begehrte „Material“ ins Becherchen bekommt, brauche ich wohl nicht zu erklären. Was aber vielleicht interessant ist: Die „Aktion“ darf auch zu Hause durchgeführt werden. Einmal rein damit und dann ab ins Kinderwunschzentrum! Fragt nicht, was ich schon alles erlebt habe, um das kostbare Gut auf Körpertemperatur zu halten … Aber gut, es gibt Schlimmeres, als mit einem Becher voll Sperma in der Jackentasche loszudüsen …

Für die Spermienqualität sind die Schnelligkeit der Samen, deren Menge in der Samenflüssigkeit sowie der pH-Wert entscheidend.

Na, wann ist es denn so weit?

Подняться наверх