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II. Kritik

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In Deutschland wird die Einführung eines derartigen verpflichtenden Filters weiterhin diskutiert. Zwar wurde der Anstoß zur Diskussion über die Verantwortung der Internetprovider grundsätzlich als positiv begrüßt. Andererseits wurde die mangelnde Effizienz eines solchen Filtersystems bemängelt und vor unerwünschten Nebenwirkungen gewarnt.[11] An vergleichbaren Bedenken scheiterte im Jahr 2011 bereits das Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (Zugangserschwerungsgesetz).[12] Hiermit wurden die großen Internetprovider verpflichtet, den Zugriff auf kinderpornographische Inhalte anhand einer vom Bundeskriminalamt herausgegebenen und täglich aktualisierten Liste zu sperren.[13] Nachdem das Gesetz Anfang 2010 zunächst in Kraft getreten war, wurde es bereits Ende 2011 wieder aufgehoben.[14] Grund für die Aufhebung waren erhebliche Proteste in Gesellschaft und Politik.[15] Kritisiert wurde dabei die umfassende Kontrolle der Internetkommunikation. Zudem wurde die Befürchtung geäußert, die Filterung von Inhalten könne auf weitere Problembereiche ausgeweitet werden, so dass das Internet einer weitreichenden Zensur unterworfen sei.[16] Ferner wurde auf die Gefahr verwiesen, dass legale Inhalte versehentlich gesperrt (sog. Overblocking) und dadurch die Meinungs- und Informationsfreiheit unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.[17] Dass Bedenken dieser Art durchaus gerechtfertigt sind, zeigt sich aktuell am Beispiel Großbritanniens. Hier wurden nicht – wie beabsichtigt – ausschließlich pornographische Inhalte, sondern teils auch harmlose oder sogar beratende Webseiten gesperrt.[18] Dennoch sind die auf freiwilliger Basis verwendbaren Jugendschutzprogramme derzeit die einzig sinnvolle und in Anbetracht der rechtlichen Vorgaben auch verhältnismäßige Alternative. Insbesondere vor dem Hintergrund einer ständig vernetzten Gesellschaft mit einem schier unermesslichen Umfang an telemedialen Inhalten sind Filterprogramme auch aus Anbietersicht die praktikabelste Lösung, ohne dabei eine abschreckende Vor- bzw. Zugangssperre zu errichten. Im Jahre 2012 wurde erstmals ein Jugendschutzprogramm staatlich anerkannt.[19] Tatsächliche Verhältnismäßigkeitsabwägungen lassen sich dabei beispielhaft an den Eignungsvoraussetzungen von Jugendschutzprogrammen belegen, welche die gesetzlich geregelten Anerkennungskriterien spezifizieren. Somit richtet sich die erforderliche Filterleistung nach dem sog. „Paretoprinzip“, wonach die geforderte Zuverlässigkeit eines Programms erst dann gegeben ist, wenn vier von fünf Angeboten zutreffend beurteilt wurden. Entscheidend ist dabei nicht nur das „Underblocking“, sondern insbesondere auch das „Overblocking.[20]

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Derartige Probleme machen deutlich, dass die Funktionsweise des Internets bei der konkreten Ausgestaltung einer Sperrmaßnahme keinesfalls unberücksichtigt bleiben darf. Weil die jederzeitige Verfügbarkeit einer nahezu unbegrenzten Informationsfülle maßgebliches Charakteristikum des Internets ist,[21] wirken zu großflächig ansetzende Sperrmaßnahmen den netzseitigen Grundprinzipien und damit auch der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit entgegen. Andererseits müssen Kinder und Jugendliche vor entwicklungsbeeinträchtigenden Einflüssen geschützt werden, die das Internet bereithält und mit hoher Geschwindigkeit verbreitet. Die Schwierigkeit besteht folglich darin, die Meinungs- und Informationsfreiheit mit den ebenfalls verfassungsrechtlich garantierten Belangen des Jugendschutzes im Wege praktischer Konkordanz in Einklang zu bringen.

Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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