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3.1 Übertragungstechnik

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Unter den klassischen Rundfunkverbreitungswegen wird das Breitbandkabelnetz in Deutschland meist als der Königsweg bezeichnet, da zumindest bis zum Jahr 2014 die meisten Fernsehhaushalte über diese Infrastruktur ihre Rundfunksignale bezogen. Trotz etwas rückläufiger Anschlusszahlen sind noch immer ca. 46 % der deutschen Fernsehhaushalte an diese Infrastruktur angeschlossen. Das überregionale Kabelverteilnetz wurde vormals von der Deutschen Bundespost zu Beginn der 80er Jahre aufgebaut und besteht teilweise noch immer aus einer Vielzahl einzelner Teilnetze, in die über sog. Kabelkopfstationen die in der Regel satellitär oder teilweise auch terrestrisch herangeführten Programmsignale eingespeist werden. In der Vergangenheit wurden die kleineren Teilnetze meist über AMTV-Richtfunkstrecken mit Programmsignalen versorgt, damit nicht an jeder einzelnen Kabelkopfstation der kostenintensive Empfang und die Programmaufbereitung aller Programme separat erfolgen muss.[60] Im Zuge der Modernisierung der Kabelnetzinfrastruktur, die durch eine Frequenzerweiterung und Einrichtung eines Rückkanals gekennzeichnet ist, wurden sowohl die Netzelemente im Verteilnetz als auch die Hausverteilanlagen weitgehend durch moderne Netzkomponenten ersetzt, so dass die Netze überregionaler Kabelnetzbetreiber ganz überwiegend aus Glasfaser bestehen. Insbesondere wurden aber die Teilnetze bzw. „Kabelinseln“ mittels großer Glasfaserringe miteinander verbunden, so dass die ehemaligen AMTV-Richtfunkstrecken oder auch der lokale Satellitenempfang durch eine leitungsgebundene Versorgung abgelöst wurden. Hierdurch entstehen teilweise große Netzcluster, die zumindest bei den drei großen Netzbetreibern Vodafone, Unitymedia und Telecolumbus mehrere Bundesländer umfassen.

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Bei der Verbreitung von Rundfunkinhalten von der Signalquelle bis zum Zuschauer werden verschiedene Verbreitungsetappen, sog. Netzebenen, unterschieden. Die Netzebene 1 verbindet die Studiotechnik des Programmveranstalters mit einer terrestrischen Sendestation, einem Satelliten-Uplink oder direkt mit einem Kabelnetz. Auf der Netzebene 2 wird das Programmsignal vom Satelliten-Uplink zu dem Satelliten-Transponder im All und von dort auf die Erde zurück zu einer Satelliten-Empfangsanlage (z.B. Kabelkopfstation oder einer Direktempfangsanlage) gesendet. Auf der Netzebene 3 werden die empfangenen Rundfunksignale durch die Kabelnetze großflächig in die Stadtgebiete bis in die Straßenzüge zu den einzelnen Häusern verteilt. In den Wohnhäusern befinden sich die sog. Hausverteilnetze (Netzebene 4), welche über die meist im Keller gelegenen Übergabepunkte mit dem Kabelnetz der Netzebene 3 verbunden sind und von dort aus die einzelnen Wohneinheiten versorgen. In den Wohnungen selbst wird das Fernsehgerät mit einem Antennenkabel (Netzebene 5) an das Hausverteilnetz angeschlossen. Anders als international üblich, existiert in Deutschland die strukturelle Besonderheit, dass die Eigentumsverhältnisse an der Netzebene 3 und 4 überwiegend getrennt sind. So wird die Netzebene 3 in der Regel von den Kabelgesellschaften Vodafone, die die Kabel Deutschland erworben hat, und Unitymedia betrieben. Die Netzebene 4 wird nur teilweise von den vorgenannten Gesellschaften der Netzebene 3 betrieben. Vielmehr steht die Netzebene 4 entweder im Eigentum von professionellen Netzebene 4-Betreibern, der Wohnungswirtschaft oder von Endkunden. Die sog. Netzebene 4-Betreiber (wie beispielsweise teilweise die Telecolumbus) schließen sich entweder an die Netze der Netzebene 3-Betreiber an, um die Rundfunksignale aus deren Netzen zu empfangen und an die Endkunden weiterzuverkaufen, oder aber sie bauen eigene Kabelkopfstationen auf (eigene Netzebene 3-Technik) mit denen sie kleinere Netzinseln bestehend aus Netzebene 3 und Netzebene 4 mit Rundfunksignalen versorgen. Der Bereich der Endkunden besteht zum einen aus großen Wohnungsbaugesellschaften, die die Rundfunksignale für ihre Mieter beziehen und diesen im Rahmen der Nebenkostenabrechnung[61] in Rechnung stellen und zum anderen aus Privatleuten, die beispielsweise in Einfamilienhäusern das Hausverteilnetz selbst errichtet haben und dieses selbständig betreiben.

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Das herkömmliche Kabelnetz wird in einem Frequenzbereich von ca. 40–862 MHz genutzt. In diesem Frequenzspektrum werden die vorhandenen Kabelkanäle überwiegend für digitale Dienste wie Digital-TV, Video-On-Demand, Internet und Telefonie verwendet. In den meisten Kabelnetzen werden jedoch in der Regel noch über 30 Kanäle in analoger Form für Fernseh- und Radioangebote verwendet. Im Gegensatz zu einem analogen Kabelkanal können auf einem digital genutzten Kabelkanal statt nur einem in der Regel 12–16 Fernsehprogramme in SD-Qualität verbreitet werden. Vor dem Hintergrund der immer weitergehenden Nachfrage nach Übertragungskapazitäten für die Verbreitung von HD-Programmen, der Nutzung interaktiver Dienste wie Video-On-Demand sowie der steigenden Nachfrage nach High-Speed-Internetzugängen ist die Umwidmung der noch vorhandenen analogen Kabelkanäle für eine effizientere, digitale Nutzung die notwendige und logische Folge.

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Ihre wesentliche Stärke entfalten die Kabelnetze jedoch erst im Fall der Einrichtung eines Rückkanals, mit dessen Hilfe über das Breitbandkabelnetz auch ein Internetzugang geschaffen werden kann und hierbei auf der Basis der DOCSIS 3.0 Technologie hohe Übertragungsgeschwindigkeiten von 500 Mbit/s angeboten werden können. Mit der Einführung des DOCSIS 3.1-Standards wird die Leistungsfähigkeit der Kabelnetze noch erweitert, so dass Internetgeschwindigkeiten von über 1 Bbit/s standardmäßig möglich sind. Dabei wird das Internet als „always on“-Medium verwendet, so dass entweder eine vom genutzten Datenvolumen unabhängige Flatrate angeboten wird, oder nur für die empfangenen bzw. versendeten Datenmengen, nicht aber für die „Online-Zeit“, Entgelte berechnet werden. Durch die Entwicklung der vormals unidirektionalen Rundfunkverteilnetze zu rückkanalfähigen Kommunikationsnetzen, die hohe Internet-Bandbreiten zur Verfügung stellen, können die Breitbandziele der Bundesregierung (Internetzugänge mit über 50 Mbit/s sollen 100 % der Bevölkerung zum Jahr 2018 technisch zur Verfügung stehen) erreicht werden. Über den Internetzugang wird in der Regel auch Telefonie (sog. „Voice over IP“), angeboten. Das gemeinsame Angebot von Rundfunk, High-Speed-Internetzugang und Telefonie (sog. „Triple-Play“) über denselben Kommunikationsweg macht das Kabel zu einer zukunftsorientierten und ökonomisch attraktiven Infrastruktur, die nicht mehr nur als reines Rundfunkverteilnetz genutzt wird, sondern vielmehr eine Kommunikationsinfrastruktur bereitstellt, über die eine Vielzahl multimedialer Dienste zu empfangen sind.

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