Читать книгу Später, Lena, später - Anne Karin Elstad - Страница 5
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ОглавлениеDie erste Zeit ist erfüllt von so viel Neuem, so vielem, das zum ersten Mal geschieht. Die erste Klassenarbeit, der erste Aufsatz und – das erste Schulfest.
Mit ein paar Klassenkameradinnen ist Lena den ganzen Samstagnachmittag mit Vorbereitungen beschäftigt. Haare legen, bügeln; herausgeputzt ziehen sie los.
Der Tanz hat schon angefangen. Lenas Hände werden vor Nervosität schweißnaß, als sie sieht, wie gut die anderen tanzen. Auf den Festen zu Hause hat sie sich auch zögernd am Swing versucht, aber das hier ist etwas ganz anderes. Eben hat sie sich noch so gut gefühlt, in weißer dünner Bluse, schwarzem Rock mit breitem Gummigürtel und roten Ballerinaschuhen. Jetzt kommt sie sich unbeholfen und verloren vor.
Als Kjell sie auffordert, würde sie sich am liebsten verstecken, traut sich aber nicht, ihre Unsicherheit zu zeigen. Dieser erste Abend ist so wichtig! Sie ist steif vor Konzentration.
„Ganz ruhig!“ sagt er und grinst, und nach und nach löst sie sich. Sie macht Fehler, falsche Drehungen, kümmert sich aber nicht darum, läßt sich von der Musik mitreißen. Routiniert führt er sie durch mehrere Tänze, und sie muß sich zusammenreißen, damit er nicht merkt, wie begeistert sie ist. In der letzten Zeit hat sie bemerkt, daß Kjell sie mit anderen Augen ansieht. Sie ist Gymnasiastin, nicht mehr die Kleine aus dem Laden zu Hause. Noch immer bewundert sie ihn, ist auch in ihn verliebt, hält sich aber sorgfältig an die Regeln. Wenn er anfängt, sich für sie zu interessieren – und sie spürt, daß er das tut – darf sie ihre Chancen nicht durch zu großen Eifer ruinieren. Auf ihre Weise kann sie an den Fäden ziehen, aber den Anstoß muß er geben.
Als ein langsamer Tanz gespielt wird, konzentriert sie sich ganz darauf. Eng tanzen, aber nicht zu eng, weich sein, aber nicht zu weich, über neutrale Themen reden.
„Quasselstrippe!“ sagt er.
„Bin ich das?“ lacht sie und sieht ihm in die Augen, und als er sie fester an sich drückt, als sie seine Wange an ihrer spürt, wird ihr ganz warm.
Sie weicht seinem Blick aus, als er sie an ihren Platz bringt, verbirgt ihre leuchtenden Augen, die sie verraten würden. Das hat sie gelernt, das können sie alle. Als er sich für den Tanz bedankt, fragt sie kurz: „Pflichttanz?“
„Nenn’s, wie du willst,“ antwortet er leichthin. „Muß ja aufpassen, daß sich das Lamm unter den Wölfen wohlfühlt.“
Danach lösen sich Lenas Spannungen. Ein Abiturient hat sie akzeptiert, und nun bemerken sie auch andere. Einer nach dem anderen fordert sie auf, und glücklich läßt sie sich mitreißen. Jetzt kann sie aufatmen, die Schande, den ganzen Abend Mauerblümchen spielen zu müssen, ist ihr erspart geblieben.
Wenn sie mit anderen tanzt, flirtet, spürt sie Kjells Augen und sie lacht übermütig. Das geschieht ihm recht! Er soll ja nicht glauben, sie käme angelaufen, sowie er mit den Fingern schnippt. Sie denkt daran, wie oft er ihr gegenüber überlegen und gleichgültig gewesen ist, als sie noch zu Hause war. Jetzt kann sie sich rächen, so tun, als sähe sie ihn nicht, doch ein Teil von ihr weiß die ganze Zeit, wo er sich gerade befindet.
„Lena, das ist hier nicht so wie zu Hause. Du solltest vielleicht ein bißchen vorsichtiger sein. Eine Neue kriegt hier leicht einen schlechten Ruf. Verstehst du, was ich meine?“ fragt Kjell, als er sie wieder auffordert.
Sie lächelt, aber sie versteht, was der Zorn in seinen Augen für sie bedeutet. Und für den Rest des Abends tanzen sie zusammen. Tanzen eng, tanzen weich, denn jetzt darf sie das. Er bringt sie nach Hause. Sie treffen sich am nächsten und am übernächsten Tag. Jetzt sind sie zusammen, endlich. Sie wird bald siebzehn und hat einen festen Freund.