Читать книгу I get a bird - Anne von Canal - Страница 10
Оглавление[Handschriftlich auf einem Briefbogen des FEK; fragmentiert; offenbar zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten notiert. Anm. d. Hrsg.]
Friedrich-Ebert-Krankenhaus
DRK-Fachklinik
Hahnknüll GmbH
Hahnknüll 58
24537 Neumünster
Mitfühldreck. Ich hätte nicht gebremst. Ich hätte sie im toten Winkel liegen lassen. Für die Tram.
[Teespuren, Text verschmiert]
Das ist zu viel. Ich schlafe nicht. Citalopram 20. Die Brunslow hat 2 × 1 auf die Schachtel gekliert. Ich glotze an die Küchenwand und schrecke jedes Mal zusammen, wenn das Scheinwerferlicht drüberwischt. Das Licht ist laut. Es macht solchen Lärm. Meine Schrift so krakelig! Der Mund ist voll Sand, und das Zahnfleisch blutet. Stimmt nicht, aber wenn ich mit der Fingerspitze den Kiefer berühre, quietscht es. Es quietscht. Es quietscht. Alles ist so trocken, meine Lippen platzen auf. Ich muss trinken. Sudan ist tot. Vierzig Ranger bewachen seine Tochter und seine Enkelin. Aber die sind unfruchtbar: Auch Pech. Wo ist die Tasse? Die FEK-Tasse …
[ein Stück der Seite abgerissen]
Gesetzlicher Pauschalbetrag für Auslagenerstattung! Wahrscheinlich setzt die das Porto von der Steuer ab! Rubrik: Vertrauensbildende Maßnahmen für potenzielle Gegner im Individualverkehr/ÖPNV. Verpiss dich in den toten Winkel.
Ich wollte die verschissenen 20 Euro zurückschicken. Der Fahrer vom Transportdienst, der mich um 5.30 zur Therapie abholt, hat an der Ecke gehalten und mir einen Briefkasten gezeigt.
Ich habs nicht hingeschafft. Er hat das für mich erledigt. Ob da keine Adresse draufsoll, hat er gefragt. Schreib »Freiburg«, habe ich gesagt, und er hat genickt. Freundlicher war er nie wieder.
Unbedingt mit (Dr.!) Brunslow sprechen wg.
[schwer zu entziffern]
Das FEK-Logo auf der Tasse wächst mir in den Kopf, bis zum Stammhirn. Aber die Tassen leuchten so sauber und solide. Nach zwei Wochen hat die Brunslow gesagt, ich sei ein Zwischending. Nicht ganz hier und nicht ganz dort. Die Art meiner Einweisung hätte das auf skurrile Weise deutlich gemacht. Deshalb würde sie mich gerne in die Tagesklinik überweisen. Dort würde sie auch behandeln. Nur will sie von mir: »Eine gewisse Selbstständigkeit und Eigenmotivation. Für einen Behandlungserfolg wäre eine vertrauensvolle Zusammenarbeit eine wichtige Grundlage, daher ist eine eigene Behandlungsmotivation unabdingbar. Hilfreich ist ebenfalls ein ausreichender sozialer Bezugsrahmen, denn das soziale Umfeld ist Teil des Therapiekonzepts.« Ich hatte nur die Tasse im Kopf und die Vorstellung, sie könnte mir nützlich sein. Ihr Blabla habe ich mit verständnisvollem Nicken beantwortet. Sie war zufrieden und hat die Medikation umgestellt. Sozialer Bezugsrahmen, padamm! Vertrauensvolle Zusammenarbeit, Padamm! Eigene Motivation, PADAMM! Das Klauen war nicht so schwierig. Nur musste ich zwei Tage warten, bis sie mich endlich nach Hause gefahren haben. Schwierig, die Tasse so lange zu verstecken. Vorgestern Nacht war ich so weit. Ich wollte sie zerbrechen und mir mit den Scherben –
Aber sie ist aus Kunststoff. Es hätte mir auffallen sollen, als ich sie anfasste. Ich habe sie gegen die Wand geworfen und gegen das Fenster, bis die Lambrecht empört an der Wohnungstür gerappelt hat. Ich habe mich auf den Boden gekauert und, nachdem ich mir die fünf Quadratmeter große Kamelhaardecke aus dem Mund operiert hatte, versucht, den Therapieplan der Tagesklinik aufzusagen. Vergeblich. Dabei war ich immer gut im Behalten. Beweis! Aber der Tagesplan? Was, ja. Wann, nein. Einzel- und Gruppentherapie/Ergotherapie/Bewegung/Entspannung/Sport/Soziales/Kompetenztraining/Verhaltenstherapie/Kunsttherapie/Außenaktivitäten/Familiengespräche/Angehörigenberatung (HAHA!!)
[die folgenden vier Notizen stehen auf einzelnen Post-its, im Weiteren akribisch getippt]
Es werden 6 Wochen.
Um die 40 Tage.
Dann soll alles gut sein?
Ich muss etwas beweisen.