Читать книгу Es wird eine lange Zeit in Frieden und Wohlstand kommen - und sie wird eingeleitet von den Frauen - Anne Wilson Schaef - Страница 9

Kapitel I Ausblick und Einführung in die Kapitel

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Unternehmen wir zu Beginn eine Fantasiereise in den Bereich des Science-Fiction: Stellen wir uns vor, wir Frauen dieses Planeten befänden uns in einem schrecklichen, ziemlich schrägen Science-Fiction-Film, der davon handelt, dass vor Urzeiten unser Planet von einer nicht-menschlichen Spezies eines anderen Planeten besetzt wurde. Diese Außerirdischen wollten ein Experiment durchführen und produzierten Menschen, die den Planeten „bearbeiten“ sollten.

Die Außerirdischen waren der Überzeugung, dass die von ihnen geschaffenen Wesen keiner nennenswerten Intelligenz, keiner Spiritualität und keiner höher entwickelten Lebensweise fähig wären. Einfach aus Spaß machten sie zwei Arten jener neuen Spezies und gaben ihnen unterschiedliche körperliche Merkmale, unterschiedliche chemische Funktionsweisen und unterschiedliche Gehirnstrukturen. Sie waren gespannt, ob diese neue Spezies ein ausgewogenes Miteinander entwickeln würde.

Sie konnten sich die Möglichkeit nicht einmal vorstellen, dass diese Geschöpfe sich auf eine Weise organisieren würden, dass sich die eine Art der Spezies über- mäßig entwickeln und dann versuchen würde, die andere zu versklaven und ihr einzureden, sie sei minderwertig, weniger intelligent, abhängig und deshalb weniger kompetent. Dass ihr eingetrichtert würde, es gäbe für sie keine Möglichkeit einer höheren Art von Intelligenz oder ein Verständnis für eine umfassen- dere Art von Spiritualität.

Die Außerirdischen waren glücklich über die sich entwickelnde männliche Dominanz, weil die „anderen“ mehr in Berührung mit ihrer wahren Spiritualität zu sein schienen. Durch diese Fähigkeit würden sie schwerer von ihnen zu kontrollieren sein, denn wer aus seiner eigenen Spiritualität heraus lebt, ist nur sehr, sehr schwer zu beeinflussen.

Was ist, wenn wir diese Science-Fiction-Geschichte tatsächlich gelebt haben? Und was ist, wenn – unglücklicherweise – ein Großteil der Spezies die ganze Zeit hartnäckig und unbewusst versucht, diesen Mythos auf diesem Planeten zu leben?

Was ist, wenn aufgrund ihres Verhaltens und des Versuchs, diese Gedankenmuster in die Tat umzusetzen, diese Spezies sehr einseitig geworden ist und unfähig, ihr körperliches, geistiges, emotionales oder spirituelles Potenzial zu er- reichen? Eine solche Spezies wäre nicht sehr interessant und bestimmt keine Bedrohung für ihre außerirdischen Schöpfer.

Es gab verschiedene Untergruppen, die einen Teil des uralten Wissens bewahrt hatten, doch sie wurden so sehr an den Rand gedrängt, dass ihr Einfluss nichts bewirkte, und die meisten von ihnen während der Zeit des Kolonialismus vernichtet wurden. Aber wir, wir Frauen, konnten nicht vollständig vernichtet werden, da wir zur Fortpflanzung der Spezies gebraucht wurden.

Was ist, wenn der „dominante Teil“ glaubte, Herrschaft und Unterwerfung seien „gottgegebene Realitäten“ – natürlich ihrer „Götter“ – und sie alle müssten die ihnen „zugewiesenen Rollen“ spielen?

Natürlich können wir alle sagen: „Das ist nur Science-Fiction.“ Und jene von uns, die gern Science-Fiction lesen, sind immer wieder überrascht, wie unheimlich zutreffend der Ausblick auf unser zukünftiges Wissen und unser zukünftiges Bewusstsein ist.

Das Faszinierende an Science-Fiction liegt darin, dass die Verfasser oft den Finger an einem Puls haben, den die Menschheit noch nicht „entdeckt“ hat.

Zum Beispiel liegt ein Großteil der Weltraumspiele, die mein Onkel und mein damals fünfjähriger Sohn im Garten hinter dem Haus meiner Großeltern unter der alten Platane spielten (als wir Buck Rogers und seine Begleiterin Wilma waren), heute nicht mehr im Bereich der Fantasie, sondern sind wirklich keit geworden.

Natürlich ist dies nur Science-Fiction, Fantasie. Und, es wird für uns nicht hilfreich sein, wenn wir diese Muster nicht sehen und nicht erkennen können, was sie für uns (abgesehen von ein paar wichtigen Ausnahmen!!) in den meisten Kulturen bedeuten, die auf diesem Planeten seit dem Auftreten der Menschen geschaffen wurden.

Es ist Zeit für uns Frauen, die Spinnweben tausender Jahre dominierender Fiktion aus unseren Köpfen wegzuwischen und ein wenig Verantwortung für das Chaos, in dem wir uns befinden, und ebenso für die Entfaltung des zukünftigen Lebens auf diesem Planeten zu übernehmen – wenn es noch ein Leben auf die- sem Planeten geben soll.

Es ist Zeit, die Schleier von unseren Augen zu reißen und hervorzutreten,

um unser Wissen und unsere Weisheit der Zukunft der Menschheit und allem Sein auf diesem Planeten angedeihen zu lassen. Kompetent zu werden in den Dingen, die Männer tun, wie Männer zu denken, wie sie zu fühlen, wie sie zu handeln und ihre Anerkennung zu erhalten, kann einfach nicht ausreichen. Wir haben die Situation viel zu lange sich selbst überlassen. Wir haben uns lange genug zurückgehalten.

Also, dieses Buch ist nicht auf Männer fokussiert oder wie man sich in einem von Männern dominierten System arrangiert, das sowieso nicht so gut da- steht. Das Thema ist deshalb nicht, was sie tun oder nicht tun. Das Thema ist vielmehr, was wir – die anderen – tun oder nicht tun. Nach Jahrhunderten beginnen wir zu erkennen, dass etwas sehr falsch gelaufen ist und dass wir, wenn wir nicht etwas unternehmen, alle miteinander mitsamt dem Planeten Erde körperlich, emotional und spirituell zerstört werden.

 Dieses Buch handelt davon, dass wir mit unserer Weisheit und unserer Sicht- weise zur Zukunft dieses Planeten beitragen können. Es geht nicht darum, einfach das zu tun, was uns passt, uns schützt oder was andere wollen.

Dieses Buch handelt davon, dass wir Frauen unsere Verantwortung übernehmen und unseren Platz in der Zukunft unserer Welt auf allen Ebenen einnehmen wollen. Wenn ich darüber spreche, was wir tun müssen, spreche ich über uns Frauen und BEZIEHE MICH NICHT AUF DIE MÄNNER. Ich spreche über uns Frauen. Wenn wir aus dem dualistischen Denken heraustreten, können wir das erkennen. Das „Wir“ bezieht sich nicht auf Männer. Es ist unser „WIR“.

Das Ungleichgewicht ist ein untragbarer Zustand und beeinträchtigt uns alle – abgesehen von ein paar wenigen kulturellen Ausnahmen, die die jeweils Herrschenden zu eliminieren versuchten. Ich kann verstehen, warum mein Cherokee-Stammesältester, ein Mann, mit solchem Stolz sagte: „Wir sind eine matrilineare Gesellschaft!“

 Es geht nicht darum, die dominierenden Systeme als „Realität“ zu akzeptieren. Es geht darum, die Notwendigkeit zu akzeptieren, für unsere Realität auf allen Ebenen individuell und kollektiv einzustehen.

 Für uns Frauen gehen zum jetzigen Zeitpunkt die Themen, denen wir uns stellen müssen, weit über Frauenthemen hinaus.

Für uns sind die Themen einfach. Sie sind nur nicht leicht.

 Wenn wir jene Art von Veränderungen vollziehen wollen, die dieser Planet ersehnt und erbittet, können wir das unmöglich erreichen, indem wir neuen Wein in alte Schläuche füllen.

 Wir müssen mit neuen Ohren zuhören und neue Worte sprechen.

 Wir müssen aktiv an einem Prozess teilnehmen, der uns nicht ermöglicht, das Ergebnis zu kennen oder vorauszusagen. Dabei müssen wir mit erfrischen- der Ehrlichkeit aus unserer tiefsten Wahrheit und Wirklichkeit heraus agieren. Wir werden alle unsere eigenen Anführerinnen sein.

 Es gibt einige indigene Gesellschaften, die aus einem anderen Paradigma he- raus gelebt haben. Die meisten von ihnen wissen aus ihrer tradierten Weisheit, dass eine Zeit kommen wird, in der jene Weisheit notwendig sein wird, um den Planeten zu retten. Die meisten von ihnen glauben, dass jetzt diese Zeit gekommen ist.

 Wenn wir jene indigene Realität kennenlernen und erfahren und wenn indigene Menschen unsere Realität kennenlernen und erfahren, sage ich voraus, dass sich beide auf bekanntem Terrain befinden werden.

 Teile der Menschheit wussten schon immer um eine umfassendere und höherrangige Ebene von Teilnahme an der Gesamtheit dieses Planeten Erde. Wir können von dieser Weisheit lernen.

Die zweite Phase der Frauenbewegung wies in die richtige Richtung, als sie sich auf das, was sie das Patriarchat nannte, konzentrierte und sich nicht nur auf spezifische Frauenbelange fokussierte, denn das Konzept des Patriarchats richtete sein Augenmerk auf einen systemischen Zugang zum Aufbau und Erhalt einer Gesellschaft – und nicht auf spezifische Frauenbelange. Dann ging dieser Fokus in den Einzelheiten dessen verloren, was ich in späteren Kapiteln als Symptome und Stopper bezeichne.

 Wir Frauen haben uns jedoch zu einem immer umfassenderen Verständnis hin bewegt. Und, wie der Weg der Menschheit als Ganzes auch, verlief unser Pfad auf dieser Reise ein wenig im Zickzack.

Doch scheinen wir als Menschheit heute einen Punkt erreicht zu haben, an dem wir erkennen, dass das alte Patriarchat einfach nicht funktioniert und dass es selbst in seiner besten Ausprägung die Bedürfnisse der Menschheit, der Natur insgesamt und des Planeten nicht erfüllen kann. Wir sind heute dabei, uns zu einem ganzheitlicheren System zu entfalten, und es ist klar, dass Frauen hierbei die Führung übernehmen und übernehmen müssen.

Lassen Sie mich eine Sache gleich zu Beginn dieses Buches klarstellen: Wir haben kein fertig ausgearbeitetes „neues“ System im Kopf, das wir dem Planeten aufzwingen wollen. Dies zu tun, würde bedeuten, den Inhalt der Evolution zu verändern (was für das alte System typisch ist) und entspricht nicht dem Prozess des Neuen – diese Herangehensweise funktioniert einfach nicht. Was wir anzubieten haben, ist nicht nur ein neuer Inhalt, sondern, viel wichtiger, eine Veränderung des Prozesses – der Art und Weise – etwas Neues zu tun. Das Geschenk und das Geniale liegen im Prozess des Ansatzes, mit welchem wir eine neue Art und Weise entwickeln wollen, um auf diesem kleinen Planeten miteinander und mit der Gesamtheit der Schöpfung in einer vollkommeneren Weise zu leben. Es ist nicht so, dass wir Frauen das Sagen haben wollen. Es ist einfach nur so, dass wir einen Punkt in unserer Evolution erreicht haben, wo uns sehr klar geworden ist, dass die Art und Weise, wie die Dinge geregelt wurden, kein sehr gutes Modell ist – für nichts.

Unsere erste Wahl wäre es, mit der Ganzheit des Planeten zusammenzuarbeiten, damit es der gesamten Schöpfung besser geht. Die meisten Männer brauchen vielleicht etwas Zeit dafür, einiges an dem Wissen aufzuholen, das wir als Unter- drückte erlangt haben. Und wir hoffen inständig, dass sie dies tun werden, denn aus unserer Sicht ist ein Ganzes, an dem sich alle intensiv beteiligen, viel besser. Der gegenwärtige Ansatz hat uns nicht davon überzeugt, dass „Männer die Antwort haben“ – niemand hat sie. Doch instinktiv wissen wir, dass volle Mitwirkung und Beteiligung am Ganzen eine größere Ganzheit schafft.

Wir glauben nicht einen Augenblick, dass wir die Antworten haben. Und, vielleicht, sind wir die Antworten.

Und aus diesem Mitwirken heraus werden sich neue Möglichkeiten ergeben. Tadel, Schuldzuweisungen, Ausreden sind jetzt unwichtig. Darüber solltenwir als Spezies längst hinweg sein. Es liegt in unserer Verantwortung, zu den inneren Tiefen unseres Wissens und unserer Weisheit zurückzukehren und dafür einzustehen, was wir als richtig und notwendig erkannt haben. In der Vergangenheit waren wir für diese Verantwortung (innerlich und äußerlich) nicht in der Lage.

Jahrhundertelang haben wir Frauen uns insgeheim auf diese Veränderung vorbereitet. Jahrhunderte der Unterwerfung und Unterdrückung haben uns auf diese Zeit vorbereitet. Nun sind die von den Männern unserer Spezies aufgebauten Strukturen, das Wissen, die Institutionen und die Herangehensweise an Wissen und Prozesse nicht mehr von Bedeutung – außer, um auf ihnen aufzubauen und sie hinter uns zu lassen. Jetzt ist die Zeit gekommen, wo wir möglicherweise in der Lage sind, das zu tun, was für uns selbst und für den Planeten getan werden muss.

Dies ist somit ein Buch über uns – starke, standhafte, geniale, zarte, kreative Frauen – wie wir alle. Frauen, die zögerlich, durchsetzungsstark (sogar aggressiv), ruhelos, hastig, wütend, sinnlich, lebendig und müde sind – wie wir alle. Dies ist ein Buch über die Frauen der Welt jetzt, in der Mitte des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts. Wir sind Denkerinnen und Macherinnen, so unterschiedlich wie Schneeflocken, und wir haben etwas miteinander gemeinsam, eine Wahrheit, die maßgeblich bestimmt, wer wir sind. Wir sind die, die wir sind in dieser Zeit, an diesem Ort und an diesem Punkt in der Geschichte. Aufgrund dieser unbestreitbaren Wahrheit unserer Identität haben wir wahrscheinlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, und wir sind verbunden – verbunden durch unsichtbare Fäden des Bewusstseins, welche weit über Hautfarbe, Religion, Nationalität und Kultur hinausreichen. Wir sind Frauen in und aus dieser Zeit.

Wenn Sie denken, dass an dem bisher Gesagten etwas dran ist, ist dieses Buch für Sie bestimmt.

Wie Eleanor Roosevelt sagte: „Wenn du die Maßstäbe und Wertvorstellungen eines anderen übernimmst, gibst du deine eigene Integrität auf. In dem Maße, wie du das Deine aufgibst, verlierst du als menschliches Wesen.“

Es wird eine lange Zeit in Frieden und Wohlstand kommen - und sie wird eingeleitet von den Frauen

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