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Tag 2

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Zum Glück musste heute keiner von uns zeitig aufstehen, denn es war Wochenende. Darüber war ich sehr froh, denn so konnte ich ausschließen, aufgrund Schlafmangel Fehler auf Arbeit durch Unkonzentriertheit und Gedankenabschweifungen zu begehen. Gleichzeitig blieb Florian und mir genügend Zeit, uns über den eventuellen Familienzuwachs Gedanken zu machen. Daher hieß die Tagesaufgabe für Florian und mich: Erläutern, Diskutieren, Überlegen und Abwägen.

Gleich nach dem gemeinsamen Familienfrühstück war es soweit. Trotzt längerem Schlafens und des Stärkens am Frühstücktisches zeigte die Uhr die Stunde neun an, draußen nieselte es und bei Temperaturen um die acht Grad Celsius, gepaart mit auffrischendem Wind, verspürten unsere Söhne keinerlei Drang, raus zu gehen. Viel lieber wollten sie drinnen spielen, in der beheizten Stube und in ihren Kinderzimmern. Mit einem Fünkchen Eigennutz gab ich ihren Wunsch nach, denn auch meine Lust hielt sich in Grenzen, früh am Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, bei Wind und Wetter, mich in die Feuchte zu stellen und neben der Beaufsichtigung der Zwerge zu bemerken, wie im Minutentakt die Füße kälter werden. Für die Variante blieb immer noch genug Zeit. Der Tag war noch lang.

Simon, Adrian und Valentin spielten ganz lieb miteinander. Mal in der Stube, dann in Adrians Zimmer oder in dem gemeinschaftlichen Kinderzimmer von Simon und Valentin. Die Größe der Wohnung ließ keine andere Variante zu, aber die Aufteilung passte gut. Adrian war vom Charakter eher ruhig und zurückhaltend und spielte gerne auch mal für sich alleine, im Gegensatz zu seinen zwei Geschwistern. Diese freuten sich stets über einen Spielkameraden. So behagte es Adrian, ein eigenes Zimmer nur für sich zu haben.

Ich brühte mir eine Tasse Tee auf und gesellte mich im Anschluss zu Florian auf unser Sofa. Von hier aus hatten wir das rege Gewusel der Kinder gut im Blick, welches sich gerade auf dem Teppich im Wohnzimmer abspielte. Wie es der Zufall so wollte, spielten die Drei in einer Seelenruhe und wir hatten Zeit, uns zu unterhalten.

Dicht neben Florian machte ich es mir gemütlich und hielt meine Tasse heißen Tee fest in den Händen. Vor meinem geistigen Auge suchte ich nach Worten, um das bevorstehende Gespräch wie eine Ansprache vorzutragen, doch als ich nach einmal tief Luft holen mit meiner Rede beginnen wollte, fiel mir Florian in mein unausgesprochenes Wort. „Nun erzähl, was hat die Ärztin gestern gesagt?“

„Also …“ Fast so, als würde ich Zeit herausschlagen wollen, stellte ich die Tasse mit dem Heißgetränk vorsichtig auf den Stubentisch ab und rekelte mich in eine aufrechte Sitzposition. Im Anschluss legte ich meine Hände in den Schoss und drehte meinen Kopf zu meiner Linken. Zu Florian. Er schaute mich mit großen Augen und einen fragenden Blick an.

„Meine Vermutung hat sich bestätigt. Florian, ich bin schwanger“, platzte es aus mir heraus.

Die Kinder waren so mit sich selbst beschäftigt und in ihrer Fantasiewelt gefangen, dass sie auf das Gesagte von uns nicht reagierten. Gut so. Je weniger sie mitbekamen, umso besser. Nicht, dass einer von ihnen am Montag im Kindergarten auf die Idee kommt, allen anderen im Morgenkreis von einem Baby in Mamas Bauch zu erzählen. Schon bei Kindern verbreitet sich ein Gerücht oder in diesem Fall eine Tatsache wie ein Lauffeuer, welches im Anschluss auf ihre Eltern überschwappte und diese die Neuigkeit natürlich weitergeben müssen. Wenn ich etwas in meinem bisherigen Leben gelernt habe, ist es die Gewissheit, dass sich die Gerüchteküchen sowie der Buschfunk rasend schnell verbreiten und noch zügiger, wenn es sich um heikle und prekäre Mutmaßungen handelt. Nicht auszumalen, dass dreiviertel der Bewohner unseres kleinen Örtchens in maximal zwei Tagen von meinen Zustand Bescheid wissen würden.

Florian sah mich entsetzt an und meinte entgeistert „Von wem?“

Das war das Einzige, was ihm dazu einfiel!?

„Was heißt denn hier von wem?“

Stotternd revidierte er „Also … ich meine … Wie kann das nur sein? Bei unseren Jungs haben wir verzweifelt und vergebens versucht, schwanger zu werden und nun einfach so?“

Ich nickte und stand noch immer genauso unter Schock, wie Florian jetzt.

„Wann soll das passiert sein? Wir haben doch aufgrund des Stresses und des Zeitmangels in der Vergangenheit kaum miteinander geschlafen und wenn, verhütet.“

„Ja, ich weiß. Ich bin genauso fassungslos und habe genauso reagiert wie du. Frau Doktor Funke konnte mir lediglich eine Zeitspanne der Befruchtung nennen, aber keinen genauen Tag. Ist ja schlussendlich egal. Doch sie meinte, dass eine Verhütung mit Kondom genauso sicher ist wie mit der Pille oder Vergleichbarem und zwar nicht vollumfänglich.“ Nervös wippte mein Fuß auf und ab und ich zupfte an einer Haarsträhne.

„Und die Unfruchtbarkeit?“

„Das Thema habe ich auch bei Frau Doktor Funke angesprochen. Wie oft haben wir davon gelesen, im Radio oder von Erzählungen gehört, dass bei Paaren nach Vollzug einer künstlichen Befruchtung es auf natürlichen Wege irgendwann geklappt hat. Meistens dann, wenn die Paare mit der Familienplanung abgeschlossen haben und überhaupt nicht mehr an das Thema rund um Babys denken.“ Florian nickte. Er gestand sich ein, dass es bei uns auch so war. „Da gehören wir also zu den Wenigen“, meinte er nachdenklich.

„So zu sagen.“

Ich erzählte Florian, dass ich in der siebten Schwangerschaftswoche war und bis zum Ende des dritten Monats ein Abbruch möglich wäre. Darüber hinaus nicht mehr, zumindest nicht in Deutschland.

„Lass uns realistisch und objektiv abwägen“, sagte Florian ganz kühl. Zu kühl, meines Erachtens. Einen Wutausbruch, Freudentränen, ein lautes Aufschreien, selbst in die Hände klatschen hätte ich akzeptiert und erwartet. Irgendeine Reaktion, aber er wirkte gefühlsneutral. Emotionslos und unglaubwürdig. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich schwanger werden konnte, betrug auch nur gefühlte und hochgegriffene fünf Prozent und nun zu glauben, dass ein kleines Wesen in meinem Bauch heranwuchs, war für ihn natürlich schwerer, als für mich. Ich hatte die Chance bei der Frauenärztin, unser Baby schwarz auf weiß zu sehen. Zu sehen, wie das Herz schlug. Es zu hören. Er nicht. Auch an meinem Bauchumfang konnte niemand eine Veränderung feststellen. Er musste meinen Erzählungen Glauben schenken.

„Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam, aber auch jeder für sich an diesem Wochenende darüber nachdenken, ob wir das Kind behalten oder nicht. Am Montag möchte ich gerne in der Frauenarztpraxis anrufen und eine Entscheidung mitteilen. Obwohl noch etwas Zeit ist, sitzt sie uns dennoch im Nacken und je weiter sich der Embryo entwickelt, umso schwieriger wird die Entscheidungsfindung für uns.“

Florian wollte meinem Wunsch nachkommen und schlug vor, solange sie so friedlich und ohne zu streiten spielten, vor unserem geistigen Auge eine Pro-und-Contra-Liste zu entwerfen. Adrian, Simon und Valentin beschlossen, in Adrians Zimmer zu gehen und dort zu malen. Das kam uns zugute. Ihren Wunsch stimmten wir zu und schnurstracks verschwanden sie aus dem Wohnzimmer. Die jeweiligen Zimmertüren blieben einen Spalt geöffnet, so dass wir bei diversen Disputen sofort und umgehend reagieren konnten. „So ruhig haben sie lange nicht mehr zusammen gespielt“, meinte Florian und dem konnte ich nur zustimmen. Als ob unsere Söhne geahnt hätten, dass ihre Eltern ein Vier-Augen-Gespräch führen mussten.

Ich wandte mich Florian zu, in dem ich mich gegenüber von ihm im Schneidersitz auf das Sofa positionierte. Bei einem so wichtigen Gespräch wollte ich Florians Augen sehen, seinen Gesichtsausdruck. Seine gesamte Mimik und Gestik. Einfach alles an ihm.

„Doch zuvor muss ich dich fragen, ist es ein Baby oder sind es mehrere? Eine erneute Mehrlingsschwangerschaft war bislang unser Hauptargument gegen ein erneutes Geschwisterchen und aufgrund familiärer Vorbelastungen nicht auszuschließen.“

Unsere Drillinge haben wir uns sozusagen im Zuge der künstlichen Befruchtung ausgesucht und gewollt und bewusst drei befruchtete Eier einsetzen lassen, aber was die Natur aus unserem Erbgut macht, das konnten weder wir, noch die Ärzte im Vorfeld sagen. Der aktuelle Stand war bislang eine nach wie vor bestehende Unfruchtbarkeit.

„Ja, es ist nur eins“, erwiderte ich Florian gegenüber. Ein leichtes Schmunzeln machte sich in seinem Gesicht breit und seine Augen wanderten nervös im Raum umher. Ich konnte förmlich sehen, wie auf einmal seine Gedanken kreiselten. Den Ausdruck kannte ich. Er malte sich vor seinem geistigen Auge etwas aus. Nichts Negatives, seinen Gesichtszügen nach zu urteilen. Dann ergriff er meine Hand und sah mir tief in die Augen. „Mmh, eins ist bei uns wie keins. Es würde sozusagen mitlaufen. Eins mehr zu den dreien fällt eigentlich gar nicht auf. Ich meine, stressiger kann es nicht mehr werden und außerdem hätte sie oder er drei größere Geschwister, die sich mit kümmern würden. So hast du in diesem Sinne sogar Unterstützung, die wir bislang nicht hatten.“

Was war mit Florian los? Schwankte er gerade von seiner festen Meinung ab? Malte er sich eine rosige Zukunft zu sechst aus? Nun, wo die Gewissheit eines Einzelkindes stand? Der Fall, der in unseren Überlegungen immer wieder herangezogen, aber aufgrund der Umstände sofort verworfen wurde. Vor etwa sechs Monaten haben wir im Zuge der Auseinandersetzung mit einem erneuten Familienzuwachs alle Babysachen und Kleinkindsachen, darunter zählten Klamotten, Spielzeug, Babyflaschen, Breilöffel, Schnullerketten, Schmusetücher und was werdende Eltern sich noch alles für ihren Nachwuchs anschaffen, entweder an Freunde weggegeben oder dem guten Zweck der Kindereinrichtung gespendet. Nunmehr müssten wir uns alles wieder neu anschaffen.

In Betracht zu ziehen ist dieses Glück der Geburt und dann ein kleines Wesen im Arm zu halten, das hatte nicht jeder. Wir vor ein paar Jahren schließlich auch nicht und nun ertappte ich mich selbst, wie ich mir die Frage stellte, ob das Ungeborene ein Junge oder ein Mädchen werden würde. Welche Augenfarbe würde es haben? Welche Haarfarbe? Sommersprossen? Wie schön es wäre, einen weiteren Jungen zu bekommen. Er könnte von seinen größeren Brüdern lernen, hätte dieselben Interessen, könnte manche Anziehsachen, Schuhe oder Mützen von seinen Geschwistern tragen und mit ihnen die gleiche Sportart ausleben. Ein weiterer Sohn für Florian. Er könnte sich als stolzer vierfacher Vater behaupten und all sein Wissen und seine Erfahrungen an seine Söhne weitergeben. Sein persönliches Vermächtnis von Generation zu Generation. Und ich? Ich wäre immer da, wenn sie ihre Mama brauchen. Um sie aufzufangen, zuzuhören, zu kuscheln, mit Rat und Tat zur Seite stehen und als Halt fungieren und mich eines Tages darüber zu freuen, wenn sie ihre erste Freundin uns vorstellen. Ein Mädchen, jetzt und nicht erst irgendwann als Freundin meiner Söhne oder auch als Schwiegertochter, das könnte mir aber auch gut gefallen und wäre schon schön. Florian empfinde garantiert auch so, aber ich als Mama noch viel mehr. Ich könnte mein Wissen und Können, was ich Jungs nur oberflächlich weitergeben könnte, ihr erklären und zeigen und wenn die Jungs mit ihrem Papa draußen Fußball spielen, mit meinem Töchterchen Zeit verbringen und könnte drinnen in der Küche mit ihr Kekse, Plätzchen oder Kuchen backen. Ich könnte ihr langes Haar kämmen, Zöpfe binden oder flechten und die schönsten Frisuren zaubern. Mit ihr zusammen stundenlange Einkaufsbummel zurücklegen und schöne Kleider kaufen, aber auch malen, basteln oder sie zum Singen im Chor oder zum Reiten begleiten und wenn sie größer ist, Schminktipps geben. Später, wenn sie in die Pubertät kommt, sich ihr Körper verändert und Haare an Körperstellen wachsen, an denen man nie Haare vermutet hätte, ihr mit mütterlichen Rat zur Seite stehen und sie bei den Besuchen zum Frauenarzt begleiten. Wenn sie das erste Mal verliebt ist, auf ihren ersten Kuss vorbereiten, bei ihrem ersten Liebeskummer zur Seite stehen und von meinen gesammelten Erfahrungen berichten, wie es nur eine Mutter zu ihrer Tochter kann und wie es meine Jungs später mir gegenüber wahrscheinlich nicht zulassen werden. Ja, all solche Dinge könnte ich mir gut vorstellen. Es sind kleine Dinge, aber solche, die ich mit meinen Söhnen nicht oder nur im Geringsten durchleben könnte. Ich denke, so empfinden alle Eltern. Männer wünschen sich mindestens einen Sohn, um ihre Ansichten, Kenntnisse und Wissen weiter zu vererben, Frauen eine Tochter. Keine Frage, dass selbstverständlich beide Geschlechter als Kinder sehr gewünscht sind. Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Drei Söhne hatte ich bereits, da bot es sich ein kleines Mädchen an. Sie hätte drei große Brüder, die sie beschützen und bildlich an die Hand nehmen würden. Auch eine schöne Vorstellung. So oder so, ich würde das Geschlecht nie erfahren. Was die Unterstützung der Kinder angeht, war das Argument von Florian gar nicht so abwegig. Immerhin waren sie bis dahin fast fünf Jahre alt und sehr gut als Spielkameraden oder kurzzeitige Aufpasser geeignet. Bislang halfen uns unsere Mütter und natürlich wir uns gegenseitig. Nichts von wegen `Kindererziehung ist Frauensache`. Bei Drillingen unmöglich. Die Mithilfe des Mannes ist zwingend erforderlich, denn auch eine Frau hat nur zwei Hände. Wobei wir bei dem nächsten Punkt angelangt wären, der dagegen spricht. Mittlerweile waren wir froh, dass wir den Alltag ohne Hilfe von Anderen meistern konnten. Die Urlaube waren zwar ganz einfach gehalten, meist in Ferienhäuser in unmittelbarer Nähe unseres Wohnortes und mit dem Auto bequem erreichbar, aber dennoch schön, da wir zu fünft fahren konnten. Ohne die Großeltern, nur wir als Familie. In den Anfangsjahren unvorstellbar, war seit letztem Jahr möglich. Auf niemanden Rücksicht nehmen und als Familie ohne die alltäglichen Pflichten wie Wäsche waschen, die Wohnung sauber halten, einkaufen gehen, den Tag und die Zeit miteinander zu genießen. Eine kleine Auszeit eben. Bis auf den Tisch decken und ab und an für alle zu kochen, hatte auch ich Urlaub. Selbst diese Aufgabe machte in unseren Urlaub Spaß, da alle mithalfen und wir zusammen agierten. Abgesehen von den Urlauben funktionierte der Alltag mittlerweile gut. Die Kinder folgten meistens, sonst wären es aber auch keine Kinder. Sie hörten auf das, was wir sagten, spielten miteinander oder jeder für sich und wurden in vielerlei Hinsicht selbstständiger, was Florian und mir den Alltag einfacher machte. Sie zogen sich selber aus und an, holten ihre Spielsachen oder Bücher eigenmächtig, gingen alleine auf Toilette, aßen und tranken und entwickelten allmählich Fantasie und Kreativität, so dass wir als Eltern nicht immer Anregungen zum Spielen geben mussten. Wenn, dann machten wir es zur Unterstützung und Förderung oder auch als Eigennutz, um mit unseren Söhnen Zeit zu verbringen. Wie niedlich es einfach ist, bei ihnen zu sitzen und mitzuspielen und in ihre Gesichter dabei zu blicken oder zu beobachten, wie die kleinen Hände versuchen, irgendetwas zusammenzubauen. Im Spielwahn mittendrin und wenn dann die Dinosaurier oder die Matchbox Autos zum Einsatz kommen, dann kann auch Florian noch einmal Kind sein. Die kleine Auszeit im alltäglichen Trott eben. Seit ein paar Monaten hieß es die Zeit mit den Kindern auszukosten und ohne die Unterstützung sowie Hilfe einer dritten Person zusammen mit den Jungs zum Beispiel einkaufen oder mit ihnen auf den Spielplatz zu gehen oder zu fünft Familienausflüge zu unternehmen. Ich alleine oder zusammen mit meinem Mann konnten wir die drei Jungs gut bewältigen. In diesem Zusammenhang steht die uns jeweils wiedergewonnene Freiheit und Freizeit, die nicht zu verachten ist und ganz wichtig für den jeweiligen Elternteil. Jeder konnte seinem Hobby nachgehen, sich eine Auszeit von etwa einer Stunde am Tag nehmen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Entweder spielte Florian mit den Kindern, so dass ich ohne Rücksicht auf andere Wege erledigen oder einfach mal die Seele baumeln lassen konnte. Im Gegenzug beschäftigte ich mich mit den Mäusen, so dass mein Mann in dieser Zeit Rasen mähen, zum Nachbarn auf ein Bierchen gehen oder Sport machen konnte. Auf diesen Freiraum haben wir fast vier Jahre lang gewartet und diesen wieder aufzugeben, war nicht gerade die beste Lösung. Mit einem Einzelkind kein Problem, von Geburt an. Während die Mutter mit dem Kind beschäftigt ist, kann der Vater etwas anderes erledigen. Mit Zwillingen oder in unserem Fall mit Drillingen nicht möglich. Mittlerweile konnte sogar ein Elternteil alle drei Kinder alleine ins Bett bringen, noch vor kurzem undenkbar. Natürlich dauerte die Prozedur deutlich länger und war im wahrsten Sinne eine Prozedur, aber machbar. Apropos ins Bett bringen, unsere drei Söhne bereiteten uns mit zweieinhalb Jahren die erste durchschlafende Nacht. Bei Mehrlingen war die Chance groß, dass immer mal ein Kind nachts wach wird und somit auch ich. Als alle drei die erste Nacht durchschliefen, machte ich vor Freude drei Kreuze im Kalender. Da waren sie zwei Jahre und sieben Monate. Hat auch lange genug gedauert, wie ich finde. Diese schlafreichen Nächte wieder herzugeben für ein Baby, dass spätestens aller vier Stunden gestillt werden will, dafür war ich momentan nicht bereit. Zu bedenken war schließlich, dass das Baby auch ein Schreikind sein kann oder Koliken hatte und ich nicht nur aller vier Stunden wach war, sondern im schlechtesten Fall die ganze Nacht. Dann müsste ich tot müde aus der Dunkelheit früh am Morgen bis spät abends wieder voll fit, munter, energiegeladen und gut gelaunt für alle vier Kinder da sein, wobei mich vermutlich die Älteren mehr auf Trab halten würden, als der kleine Wonneproppen. Allein daher wären mir mit einem Baby erneut eingeschränkt, benötigten wieder Beistand. Dabei ist auch zu bedenken, dass Florian mit den Jungs irgendwelche Abenteuer und Ausflüge unternimmt und ich mit dem Baby allein zu Hause säße. Zwar könnte ich mich an dem Kleinen erfreuen, aber ich würde von der Freude meiner Söhne nur durch Erzählungen teilhaben können, ihre Emotionen nicht mehr mittelbar mit ihnen teilen. Gut vorstellbar, dass ich mir dann wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen vorkäme. Ich wäre die Mama des Babys und nur noch passiv die der Jungs. Dieses Szenario war für mich unvorstellbar sowie unakzeptabel und nicht zu ertragen, dennoch möglich, denn mit einem Baby bin ich an Still- und Schlafzeiten gebunden und ein Fahrradausflug oder auf dem Trampolin mitspringen geht schlecht mit einem Kinderwagen in der Hand. Was dieses Szenario mit sich bringt, ist zusätzlich die Gefahr des Auseinanderlebens mit meinem Ehepartner. Gerade dann, wenn Florian mit unseren Söhnen auswärts unterwegs ist, sie kurz vor dem Abendessen wieder nach Hause kommen und ich einen Kurzbericht des Erlebten erfahre, bis ich im Anschluss des Mahles mit dem Baby tot müde ins Bett falle und die Zweisamkeit, Zärtlichkeiten oder einfach nur die Kommunikation auf der Strecke bleibt. Den Gedanken, Florian zu verlieren, wollte ich gar nicht fassen. Im Gegenteil, jetzt hatten wir die Möglichkeit, uns als Ehepaar wiederzufinden. Nichts nur als Eltern zu fungieren, sondern als Partner. Den anderen wieder so zu sehen und zu erleben, wie man sich einst in diesen verliebte. Ein weiterer Punkt konnte sein, dass die Jungs auf ihr kleines Geschwisterchen eifersüchtig sind und einen Machtkampf ausübten, wobei garantiert das Baby nicht gewann. Was wäre, wenn einer von den dreien oder alle um die Liebe und Aufmerksamkeit der Mutter ringen würden oder ihren Ärger, dass die Mama sich ausgerechnet im geforderten Moment um den Nachwuchs kümmern muss, an dem Baby verbal und körperlich ausließen? Nicht auszumalen, aber ich denke, diesen Punkt kann man außer Betracht lassen oder sich entsprechend so zurechtbiegen, dass wir ein weiteres Contra hatten. „Wir müssten umziehen“, ergänzte Florian weiter. „Stimmt. In Adrians Zimmer passt kein weiteres Bett, ganz zu schweige von dem Kinderzimmer von Valentin und Simon. Einen Raumteiler in unserem Schlafzimmer ist nicht möglich. Es bliebe also nur die Möglichkeit, eine Wohnung für insgesamt sechs Personen zu finden, was schwierig werden wird.“ „Oder teuer.“ „Da können wir dann schon über ein Eigenheim nachdenken.“ Wir gehörten jedoch nicht zu den Typen mit Eigenheim. Wir wohnten lieber zur Miete. Obwohl unsere derzeitige Wohnung einer Grundfläche eines Eigenheimes entsprach, konnten wir so die Pflichten an unseren Vermieter abgeben und wenn die Jungs groß sind und nach der Schule in verschiedene Städte zur Berufsausbildung oder Studium gingen, blieben wir in Anführungsstrichen „Alten“ zurück und wozu benötigten wir im Alter ein großes, leeres Haus. Später eine kleinere, altersgerechte Wohnung zu finden, schien für uns persönlich die beste Perspektive zu sein. „Und nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass ich nach der langen Elternzeit die Chance bekommen habe, einen Job in Teilzeit auszuüben, den ich schon immer machen wollte. Diese Möglichkeit bekomme ich nicht ein zweites Mal und wer entfristet schon eine Mutter in einer angehenden Führungsposition oder übernimmt sie nach der Probezeit, die sich vermutlich ständig Kind krank melden muss? Niemand. Ich kann mir heute schon sicher sein, dass beim Verkünden meiner Schwangerschaft ich umgehend meinen Schreibtisch räumen kann.“ Ein großer Aspekt für mich. Beruflich war ich am Ziel meiner Träume und die Angst sowie Gefahr, dies alles zu verlieren, überwog für mich als Argument, denn dieser Punkt war der Einzige, den wir nicht selbst beeinflussen konnten. Für alles andere fanden wir schon eine Lösung, aber für das Letztere nicht. Ich kann mich noch zu gut daran erinnern, wie ich eine Bewerbungsabsage nach der anderen erhalten habe und entsprechend demotiviert und traurig war. Und wie in den Vorstellungsgesprächen, die ich ab und an als kleine Aufmunterung hatte, unrechtmäßig nach dem Familienstand und Kindern gefragt wurde und mein Gegenüber „Ich habe Drilllinge“ gehört hat, mir dankend meine Bewerbungsmappe über den Tisch schob und sich ruckartig für das Gespräch bedankte und dieses beendet wurde. Die Qualifikationen waren plötzlich völlig uninteressant. Ziemlich unfair. Eine Beleidigung und Bestrafung zugleich an jede Frau, die Kinder hat. Natürlich ist ein krankes Kind nicht vorhersehbar, aber möglich. Genauso gut kann aber auch jeder selbst krank werden und ausfallen, Kind hin oder her. Nur diese Variante scheint kein Arbeitgeber in Betracht zu ziehen. Warum sollen denn immer nur die Mütter ausfallen und für höher qualifizierte Stellen nicht geeignet sein? Schwachsinn. Eine Mutter ist ein Multitalent und für einen Arbeitgeber unverzichtbar. Organisationsgeschick, sehr guter Umgang mit Menschen, Selbstbewusstsein, ein sicheres Auftreten, ein gepflegtes Äußeres, Teamfähigkeit, multitaskingfähig, selbstständiges Arbeiten, stressresistent, belastbar, all diese Stichpunkte kann jede Mama in ihrer Bewerbung auflisten und vorweisen. „Stellst du etwas fest, Conny?“, fragte mich Florian und streifte mir zeitgleich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Wir haben mehr Punkte gegen das Baby, als dafür?“, ergänzte er weiter. Stimmt, es stand elf gegen drei. Reichten dennoch die drei wenigen Punkte aus, um einen weiteren Nachwuchs zu befürworten? Völlig gleichgültig, wie viele Punkte für ein Kind sprachen, im Grunde genommen reichte ein einziger Punkt aus - die bestehende Schwangerschaft. Bei auftretenden Zweifeln fanden wir zahlreiche und gleichzeitig nichtige Punkte, den dem Einen widersprachen. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt“, untersetzte ich unsere Auswertung und sah dabei Florian direkt in die Augen. Fast schon wie ein kleines Kind, wenn es irgendetwas haben möchte und nicht bekommt. Doch in diesem Fall wollte ich nichts haben, oder doch? Sagte mein Unterbewusstsein etwas anderes? Nein, es ging nicht. Die Entscheidung gegen das Kind war das Vernünftigste und die Erste, die mir in den Sinn kam. „Conny, deine Meinung ist meine Meinung. Ich stehe hinter dir und deiner Entscheidung. Wir können darüber reden, abwägen, diskutieren, aber nur du hast das letzte Wort. Du musst die Entscheidung letztendlich treffen. Ich denke, es ist die Richtige. Die richtige Kopfentscheidung. Das Herz sagt etwas anderes, keine Frage. Du weißt, wie ich jetzt gerade fühle und darüber nachdenke, was wäre, wenn. Dafür kennst du mich in- und auswendig, aber es macht diese Alternativsuche nicht leichter. Also von daher ist alles richtig, egal was du tust. Ich bin auf jeden Fall für dich da und stehe an deiner Seite.“ Diese Worte von Florian zu hören, trafen genau in mein Herz. Es berührte mich so sehr. Ich sah, dass er rot unterlaufende, gläserne Augen hatte und nervös mit seinem linken Bein auf und ab wippte. Dies machte er nur in unangenehmen Situationen. In solchen Momenten wusste ich, warum ich ihn geheiratet habe. Egal, wie hoch die Höhen und tief die Tiefen in unserer Ehe waren, er stand immer zu mir und zu meinen Entscheidungen und unterstütze mich, wo er nur konnte. Dafür liebte ich ihn so sehr und mit dem, was er sagte, traf er immer auf den Punkt. So vernünftig all unsere gesammelten Argumente gegen das Baby waren, so hatte er mit dem Gesagten allerdings auch Recht. Die Tränen schossen auch mir in die Augen, ohne dass ich diese Reaktion beeinflussen konnte. Mein Herz meldete sich, das etwas anderes sagte. Tief in meinem Inneren wurde eine andere Meinung laut. War es vielleicht doch ein Fehler, gestern bei der Frauenärztin auf den Bildschirm geblickt zu haben und das kleine Wesen in mir zu sehen? Froh war ich, dass ich das ausgedruckte Ultraschallbild mir habe nicht mitgeben lassen. So konnte ich meine Gefühle relativ gut im Zaum halten, wenn ich das in meiner jetzigen Verfassung überhaupt so bezeichnen kann, und trug unsere in Anführungszeichen „Kopfentscheidung“ mit. Ich sah Florian an, sah in seine grünen Augen. „Ich hoffe, du verurteilst mich nicht beziehungsweise hasst mich nicht dafür. Immerhin töte ich ein kleines Lebewesen, einen Teil von dir und von mir. Unser gemeinsames Kind“, merkte ich wehmütig an. „Komm her“, sagte Florian und nahm mich fest in den Arm. Das war genau das, was ich in diesem Moment brauchte. Aufgefangen, getröstet und festgehalten zu werden. Plötzlich brach tiefe Traurigkeit über mich ein. Ich fing zu schluchzen und dann bitterlich zu weinen an. Ich realisierte die Neuigkeit von gestern und die damit verbundenen Konsequenzen und was ich mit der gefallenen Entscheidung uns allen, aber vor allem dem Baby antuen werde. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich als Mutter mich nicht über das Kleine freuen konnte, stattdessen mir als erster Gedanke in den Sinn kam, es wegmachen zu lassen und nach wie vor die Entscheidung stand. Bislang konnte ich mir nichts Schlimmeres vorstellen, als wenn einen meiner Söhne etwas Folgenschweres zustößt oder gar sterben würde und nun entschied ich mich bewusst gegen ein Kind, welches noch nicht einmal die Chance hatte, zu leben. Was war ich nur für ein Mensch? Ich hasste mich bereits jetzt schon so sehr dafür, machte mir mehr Vorwürfe, als einfach auf die Vernunft zu hören. Der Heulanfall war daher kein Wunder. Konnte ich eine Abtreibung tatsächlich vornehmen lassen? Irgendwie hoffte ich auf eine Umstimmung meines Gegenübers. Halt! Mein Unterbewusstsein arbeitete erneut gegen mich oder nur gegen mein schlechtes Gewissen, welches in mir erwachte? So oder so konnte ich momentan keinen klaren Gedanken mehr fassen und versank stattdessen in Wehmut, Trauer und Ärger.

Tag 2 - Mein Weinanfall … Mein Weinanfall blieb von unseren Kindern nicht unbemerkt. Sie eilten aus Adrians Kinderzimmer in die Stube und traten an das Sofa heran. Aufgereiht standen sie vor uns und legten mitfühlend ihre kleinen Hände auf meinen Rücken und Beine und fragten „Ist Mama traurig?“ oder „Was ist denn mit Mama? Hat sie ein Aua?“ oder „Warum weint Mama?“. Ein letztes Mal geschluchzt, dann löste ich mich aus der Umarmung meines Mannes, wischte mir die Tränen mit dem Handrücken weg und nahm das von Florian gereichte Taschentuch, um mir die Nase zu putzen. Ich sah zu meinen Kindern auf und bemerkte selbst, dass ich das erste Mal, seitdem sie auf der Welt waren, ihnen nicht direkt in die Augen sehen konnte. Dieser Zwiespalt, zum einen meine Kinder zu lieben und zum anderen eins nichts zu wollen. Ein Widerspruch in sich, wie ich fand. In jenem Moment appellierte mein Verantwortungsbewusstsein an die Moral, welche das mich soeben einnehmende schlechte Gewissen verdrängen zu versuchte. Ich strich den Kindern über das Haupt und versuchte sie mit den Worten „es ist alles gut“ zu beruhigen. „Mama war nur kurz traurig, aber jetzt ist alles wieder gut.“ Ich gab allen einen Kuss auf die Stirn, erhob mich von dem Sofa und schlich in die Küche, um mich mit dem Kochen des Mittagessens abzulenken und gleichzeitig der Situation durch gekonntes Überspielen zu entkommen. Immerhin sollten unsere Kinder von all dem nichts mitbekommen. Abgesehen davon, war die Zeit für das Zubereiten des Mahls für meine hungrigen Männer ran, denn erschreckender Weise stellte ich bei dem Blick auf die Wanduhr fest, dass es bereits elf Uhr fünfundzwanzig war. „Wir haben lange geredet“, dachte ich. Das war auch notwendig. Solch eine Entscheidung trifft man schließlich und Gott sei Dank nicht alle Tage und auch nicht einfach mal so. Diese muss gut durchdacht sein und abgewogen werden. Es war immerhin nicht solch eine Entscheidung, wie zum Beispiel ob ich Turnschuhe oder Sandalen anziehe und wenn ich im Laufe des Tages feststelle, es ist mir doch zu warm oder zu kalt an den Füßen, einfach das entsprechend andere Schuhwerk wähle und es für keinerlei Leben eine Konsequenz hat. Der jetzige Schiedsspruch war eine ganz andere Hausnummer, der einmal getroffen wurde, nicht mehr zu ändern war. Dies spielte natürlich in meinem Gedankenkarussell eine bedeutende Rolle. Dieses Endgültige, nicht Widerrufbare. Aus dem Wohnzimmer hörte ich besänftige Worte seitens Florian an unsere Söhne und dann schien das Thema für die Kinder schon erledigt gewesen zu sein. Kinder vergessen schnell und sind zügig für andere Dinge zu begeistern. Ich konnte mich gelassen dem Lieblingsessen unserer Dreikäsehochs, vermutlich auch allen anderen Kindern auf diesem Planeten, widmen: Nudeln mit Tomatensoße und Reibekäse. Kommt immer gut an, nicht nur bei den Kleinen. Während des Kochens ging ich gedanklich im Schnelldurchlauf das soeben geführte Gespräch durch und war nach wie vor von meinem ersten Entschluss überzeugt. Definitiv. Jegliche Abschweifungen waren nur falsche Gefühlsirrleitungen und so fand ich nach dem Essen die innere Ruhe, mich schlafen zu legen. Das letzte Mal, als ich Mittagsruhe hielt, war schon eine ganze Weile her. Ich glaube das war, als die Jungs nachts nicht durchgeschlafen und die Nacht zum Tage gemacht haben. Ich kann nicht sagen, ob ich aufgrund der anderen Umstände so müde war oder durch die innere Aufregung und Anspannung, dennoch musste ich die Chance nutzen, zusammen mit den Kindern für ein bis zwei Stunden zu schlummern. Aus der vorgenommenen Zeitspanne wurden hundertachtzig Minuten und hätte mich Florian nicht geweckt, hätte ich wahrscheinlich noch abends schlafend im Bett gelegen. So vernahm ich jedoch ein liebevolles Streicheln meines Handrückens. Beim Öffnen meiner Augen sah ich meinen Mann auf der Bettkante sitzen. Er lächelte. Das war genau das Lächeln, in welches ich mich verliebt hatte. Seine grünen Augen strahlten dabei so sehr und er schien so glücklich und zufrieden. Meinen Blick konnte ich nicht von ihm lassen und hielt diesen, als ich mich von der Seitenlage auf den Rücken drehte und beide Arme hinter dem Kopf verschränkte. Florian streifte die Bettdecke zurück und beugte sich über mich. „Hallo kleines Baby, hier ist dein Papa“, sprach er auf einmal zu meinem Bauchnabel, so als ob dieser ein Sprachrohr zu meinem Inneren sei. Verdutzt hob ich meinen Kopf und schaute stirnrunzelnd zu Florian. In Normalfall eine ganz süße und niedliche Geste, die vor Verzückung mir Gänsehaut bereiten sollte, nach dem vorhin geführten Gespräch mich aber eher zum Nachdenken und Verwundern brachte. Wir waren uns doch einig. Baute er gerade eine Bindung zu dem Ungeborenen auf? Über was unterhielten wir uns den gesamten Vormittag? Hatte ich alles nur geträumt? War es jetzt erst früh am Morgen, Zeit zum Aufstehen? Fand das Gespräch nur in meinem Traum statt? Schlief ich nach wie vor und die Hormone führten mich in die Irre? Es kam mir aber alles so real vor! Beugte Florian gerade wirklich über meinem Bauch oder war auch dies nur eine herbeigewünschte Einbildung? Für einen Moment lang zweifelte ich an mir selbst, doch dann holte mich die Besinnung ins Leben zurück. Das Gespräch am Vormittag fand statt, eine Entscheidung wurde gefällt und an der hielt ich fest. Fast schon so, als ob mir Florians Handlung unangenehm war, stieß ich ihn von mir weg und erhob mich aus dem Bett. „Sind die Kinder schon wach?“, lenkte ich unauffällig von meiner Abweisung ab und schlüpfte gleichzeitig in meine Hausschuhe. „Ja, sie warten auf dich im Wohnzimmer.“ Während Florian dies sagte und sich aufrichtete, lief ich zur Tür, nahm die Klinke in die Hand und bevor ich diese betätigte, blickte ich von unten empor zu Florian und entschuldigte mich mit den Worten „Es tut mir leid, ich habe die Jungs gar nicht gehört. Ich war einfach so knülle.“ Für meine Ablehnung gerade eben wollte ich mich nicht entschuldigen. Wir wollten das Baby nicht und je weniger wir uns mit dem Gedanken anfreundeten, dass ein kleines Wesen in mir ist, umso besser. Mein Mann trat vor mich, nahm mich in den Arm und flüsterte „Conny, dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen. Es ist alles gut.“ Nein, nichts war gut. Doch bevor sich erneut die Emotionen, die Gefühle sowie die Gedanken hochschaukeln und meine Erholung zunichtemachen konnten, die ich mir mit meinem dreistündigen Mittagsschlaf gerade errungen hatte, lösten wir unsere Umarmung und gingen zusammen aus dem Schlafzimmer zu unseren Kindern. Wie auf einer Hühnerstange saßen sie aufgereiht auf dem Sofa, mit Schokolade verschmierten Mündern. „Hallo Mami!“, schallte es mir freudig entgegen und mein Antlitz ließ die sechs Kinder-augen leuchten. Simon hatte meine braunen Augen geerbt, Valentin und Adrian hingegen die meines Mannes. Wir gesellten uns zu ihnen und der Nachmittag nahm seinen Lauf mit kuscheln, malen, basteln und mit den Rennautos spielen. Wir genossen bei dem vorherrschenden schmuddeligen Wetter die Zeit als Familie, gemütlich im Warmen, bis Florians Telefon schellte und unser Freund Luis uns zu einem gemeinsamen Grillen ab siebzehn Uhr einlud. Ich hörte lediglich Florian zustimmen und als er mir von dem ausgemachten Treffen berichtete, war meine erste Reaktion der entsetzte Blick aus dem Fenster. „Bei dem Wetter?“, fragte ich skeptisch nach. „Grillen?“ Selbst der Blick auf das Thermometer und den unveränderten acht Grad Celsius Außentemperatur trübte die Euphorie meines Mannes nicht. Luis und wir sahen uns mittlerweile tatsächlich seit einigen Monaten nicht mehr, obwohl er der beste Freund meines Mannes war. Umso weniger überlegte Florian über die Idee und war sofort Feuer und Flamme. Er meinte, Luis Freundin wäre dieses Wochenende da und die Nächsten wäre er bei ihr oder beide zusammen im Urlaub. Der normale Wahnsinn der zeitlichen Einschränkung beim Führen einer Fern- beziehungsweise Wochenendbeziehung als Paar. „Wir brauchen nichts mitzubringen, nur zu kommen, meinte Luis“, berichtete Florian. Mein Mann freute sich so sehr über die Einladung, da konnte ich nicht wiederstehen und willigte ein. Was für mich hieß, die bereits verstauten Wintersachen aus dem Schrank zu ziehen, so dass die Jungs wetterfest angezogen sind und mich auf das Vorhaben am Abend zu freuen.

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