Читать книгу Märchenaugen - Annette Bethmann - Страница 8
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Das Zimmer war leer, ich hatte schon alles aufgeräumt, und wartete nur noch auf die Kinder, um Abendbrot zu machen. Da saß ich nun und überdachte diesen Moment. Es war so real gewesen, so wirklich. Es war einfach unvorstellbar. Ich dachte an alles Mögliche. Zwerge, Feen, Engel.
Und mit einem Mal blieb mein Blick an der Federboa hängen, die noch an meinem Türgriff hing. Zu Weihnachten hatte ich sie mir erspielt, das war das erste Weihnachten für mich gewesen, ohne Verpflichtung. Ich hatte die Kinder und Ihn zu seiner Familie geschickt und war zu meiner Familie gegangen. Zu meinen Geschwistern und in mein Elternhaus. Nur für diesen einen Abend. Und es war sanft und ruhig gewesen. Vertraut, aber neu vertraut.
Die Dinge waren noch da, nicht alle, viele waren verschwunden, aber es gab Dinge, die geblieben waren. Das Bild meines Vaters, am Steuerrad seines Bootes. Großaufnahme in Ölzeug. Über dem Küchentisch.
Alte Photos von meiner Großmutter auf der Kommode. Die Wanduhr, mit ihrem Knarren, wenn die Zeiger die zwölf passierten. Alt und wie durch ein Wunder neu vertraut.
Sie hatte alles so schön gerichtet, für uns – ihre Kinder. Es gab feine Sachen zu essen, und an alles hatte sie gedacht. Und sie hatte sich gefreut, unsere Mama, uns alle in den Arm zu nehmen. Aber hinter ihrer Freude spürte ich auch ihre Angst. Die Angst, ob sie durchhalten würde, ob sie dem Druck des Abends mit uns allen standhalten würde, oder ob ihre dünne Schutzschicht brechen würde.
Sie hielt, sie musste nicht mehr weinen, sie war anders geworden. Ruhiger und selbstsicherer. An diesem Abend, hatten wir uns gemeinsam um den Wohnzimmertisch gesetzt und Schrottwichteln gespielt. Mit dieser Idee war meine Schwester gekommen, um unnütze aber schöne Dinge weiterzugeben. Wir hatten einen Heidenspaß gehabt, beim Reihum geben, beim Auspacken und beim Bestaunen von diesen Dingen. Und am Ende hatte jeder etwas das ihm gefiel. In meinem Schoss lag eine weiße Federboa.
„Wie Engelsflügel“, dachte ich.
„Bloß, wo war der Engel?“
Ich blickte in all die vertrauten Gesichter. Meine Schwester lachte mich an. „Wenn du sie nicht magst, dann wirf sie weg, du weißt ja, dass darf man, beim Schrottwichteln“.
Und nun hing sie hier, an meiner Zimmertür, als hätte der Engel sie kurzerhand abgelegt, wie ein kleines, zartes Nachthemd, untauglich für den täglichen Gebrauch, nur sonntags und zu Feierlichkeiten zu benutzen.
Ich hatte sie nicht weggeworfen. Ich hatte sie mitgenommen, mit nach Hause und aufgehängt. Einmal gefaltet, wie Flügel, mit den Federn nach unten.
Ich ließ diesen Gedanken los und er fiel leicht wie eine Feder von mir ab. Ganz automatisch ging ich nach unten um für meine Kinder das Abendbrot zu richten. Als sie später am Abend in ihren Betten lagen, war ich so erschöpft und ausgelaugt, dass ich mich entschied einfach schlafen zu gehen. Aber mein Kopf gab keine Ruhe, meine Gedanken umkreisten all diese Dinge, das Hier und Jetzt, das sich so sehr auf die Suche nach Gefühlen gemacht hatte, nach Dingen, die etwas anderes schienen, als sie waren oder waren sie alle nicht wirklich anders gewesen? Ich ertappte mich dabei, dass ich immer wieder auf meine Holzverkleidung schaute, um mir zu beweisen, dass es doch nicht alles geträumt gewesen war, aber ich konnte schauen soviel ich wollte, es war nichts da.