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Es ist gut zu reisen im Gewahrsein.

Annette Kaiser und ich warteten – ohne zu warten – in einem Café am Flughafen München auf unseren Abflug nach Griechenland. Drei Spatzen saßen bei uns auf dem blanken Bistrotisch und teilten sich mit uns die Butterbrezen. Wir lachten mit ihnen und freuten uns am gelungenen Maß an Scheuheit und frechem Zugreifen.

Wir waren zusammen auf dem Weg zur Insel Kos. Von dort aus wollten wir mit dem Schiff noch weiter auf eine kleine, vom Tourismus weniger berührte Insel, nach Tilos.

Die Spatzen brachten ein bisschen Leben in diese kühle Stahl konstruktion des Flughafeninnenhofs. Noch war es herbst lich warm und der Kaffee schmeckte eben, wie er schmeckte.

Wir hatten vor, in Ruhe auf dieser kleinen Insel zu arbeiten. Aber eigentlich hatte die Arbeit schon Wochen vorher begonnen und war immer da, wo wir gerade auch waren. Das erste Mal erzählte mir Annette jetzt, hier unter der Vibration der abfliegenden Maschinen, von dem, was man als Urerfahrung oder Erleuchtungserfahrung oder wie auch immer bezeichnet.

Es fand in Indien statt, ich sage – fand statt, weil in dieser Erfahrung niemand da war.

Es ist niemand da, der wirklich erfährt. Die Erfahrung war, dass dieser Körper-Geist-Organismus absolut leer war – da war nichts! Und etwas hat das einfach so wahrgenommen. Das geschah während einer Meditation. Häufig geschehen diese Dinge auch mitten auf der Straße – es muss überhaupt nicht während einer Meditation sein.

Ich bin aufgestanden nach dieser inneren Schau – wenn man das so sagen darf – und wollte allein sein. Es war in Indien am Meer, und ich lief dann den Strand entlang und kam in ein kleineres Dörfchen. Wirklich schwierig, es überhaupt in Worte zu fassen – aber ich war plötzlich der Hund und der Floh im Hund und der Mensch und die Pflanzen –, es war ein All-Eins-Sein in jedem Wesen, in jeder Form. Alles, was vorhanden war, war gleichzeitig ich.

Dies war eine ganz leise Erfahrung. Ich wusste irgendwie, dass alles, was Form hat, letztlich der Tanz aus dem Nichts ist und wieder ins Nichts hineinführt. In jeder Form der Schöpfung tanzt das Eine. Niemand geht nirgendwo hin.

In meinem Falle war diese Erfahrung etwas sehr Leises. Ich wusste mit großer Klarheit, was wirklich ist, und etwas in mir hat verstanden, dass damit alle Wege aufhören. Damit gibt es nichts mehr zu tun, nichts mehr zu erreichen.

Erst im Laufe der Zeit merke ich, wie diese ursprüngliche Erfahrung in jeder Zelle dieses Körper-Geist-Organismus’ eine tief greifende Veränderung hervorbringt. Man spricht ja manch mal von so genannten Gipfelerfahrungen. Diese Gipfelerfahrung brauchte bei mir Zeit – das kann bei jedem Menschen anders sein –, das heißt, es braucht Zeit, damit diese innere Schau der Dinge ganz in den Alltag hineinschwingen kann und im alltäglichen Geschehen die Gipfelerfahrung mehr und mehr zu einer Plateau-Erfahrung wird, wie Jack Kornfield oder Ken Wilber das nennen, also in jedem Augenblick ist, im Sinne von: es ist, was ist.

Das Verrückte ist, dass da eigentlich nicht etwas ins Alltägliche hineinschwingt, sondern es ist gerade umgekehrt: Das, was immer da war und immer sein wird, ist nicht mehr mit Staub bedeckt. Nur die Fähigkeit des Menschen, es wahrzunehmen, hat sich gewandelt.

Auch wenn dieses Einschwingen manchmal Zeit braucht, ist doch nichts Neues geschehen und es ereignet sich auch nichts – außer, dass der Mensch wirklich sieht, was ist.

Wir sahen uns an. Wer sieht wen an? Ein Spatz auf der Stuhllehne legte den Kopf zur Seite und war ganz still. Wir auch. Die Stille hinter dem Lärm des Flughafens.

Erst im Flugzeug sprachen wir wieder. Es war klar, dass Annette in unserem ersten Gespräch auf Tilos erzählen müsste, welche Konsequenzen eine solche Erfahrung für sie hatte.

Jenseits aller Pfade

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