Читать книгу Das schwarze Schaf - Annette Röder - Страница 10
ОглавлениеKapitel 5
Winnewurp konnte es kaum glauben. Er hatte das Abenteuer tatsächlich überlebt! Völlig außer Puste, aber ohne einen Kratzer war er zurück in seine Höhle gekommen. Nachdem die Anspannung wie eine vollgesaugte Zecke von ihm abgefallen war, fühlte sich Winnewurp schwalbenleicht. Summend tänzelte er in seinem Kessel um die herumliegenden Strohblumen. Es gab bestimmt nicht viele Maulwürfe, die sich in die Höhle des bitterbösen Wolfs gewagt hätten. Und noch weniger, die sich getraut hätten, die Bestie auch noch anzusprechen. Wahrscheinlich gab es sogar nur einen einzigen, nämlich ihn, Dr. W. Winnewurp! Seine Enkel würden ihn eines Tages für diese Tat als Superhelden feiern!
Bester Laune zog Winnewurp die Wurzel aus dem Loch zur Vorratskammer. Er musste nicht lange suchen, bis er im Knäuel den Jahrhundert-Regenwurm entdeckte. Sorgfältig knotete ihn Winnewurp frei und klemmte ihn sich unter den Arm. Nachdem er genauso sorgfältig das Loch zur Vorratskammer verschlossen hatte, machte er es sich mit seinem Festmahl auf dem Teppich gemütlich. Die Erdbrocken, die von Texels Getrampel noch überall herumlagen, würde er später aufsammeln und entsorgen. Jetzt galt: Erst das Vergnügen, dann die Arbeit! Das hatte er sich wirklich verdient. Winnewurp entrollte den Regenwurm. Schnupperte, schleckte, schmatzte und wollte gerade herzhaft in den Popo beißen … da schepperte es über seinem Kopf, als ob die Sonne selbst auf die Weide von Baskeltorp gestürzt wäre.
Doch diesmal wusste Winnewurp sofort, dass es nur einen einzigen Grund für solch einen Krach geben konnte: Texel, das schwarze Schaf! Er beschloss, das Getöse einfach zu überhören. Ungefähr zwei Schleimschlecker lang hielt er den Vorsatz auch durch. Dann bebte seine Wohnung unter den Erschütterungen so sehr, dass es schneckenhausgroße Erdklumpen und die letzte Strohblume von der Decke regnete. Wenn das so weiterging, würde noch der ganze Kessel einstürzen. Das wollte Winnewurp lieber nicht riskieren. Er musste Texel also wohl oder übel wieder in seine Schranken weisen. Mit einem entnervten Seufzer legte er den Regenwurm beiseite, schob sich nach oben und streckte den Kopf aus dem Maulwurfshügel. Natürlich hatte er sich nicht getäuscht. Direkt über ihm sprang Texel mit allen vieren in die Luft. So ähnlich wie Vicki, die Tochter des Bauern, die stundenlang auf ihrem Riesen-Trampolin herumhüpfte. Hatte das Schaf noch mehr Schrauben locker, als Winnewurp zunächst vermutet hatte? Oder war es vielleicht sogar von einer Fledermaus gebissen worden und an Tollwut erkrankt?
»Texel!«, rief Winnewurp ihm zu, »Trainierst du gerade für die Bocksprung-Olympiade?«
Dabei gab er Obacht, dass ihn keine von Texels Klauen traf.
Texel schien tatsächlich schon mit ihm gerechnet zu haben. Es wirkte überhaupt nicht überrascht, sondern wendete mit einer eleganten Drehung und streckte Winnewurp die Nüstern entgegen. »Da bist du ja endlich! Ich springe hier herum, damit du herauskommst. Es gibt da ein Problem!«, antwortete es. »Ein schlimmes, schreckliches, schaflebensgefährliches Problem! Und nur einer kann mir dabei helfen, nämlich du, Doktor W. Winnewurp!«
Winnewurp krabbelte aus dem Haufen und betrachtete Texel genauer. Das schwarze Fell in seinem Gesicht wirkte fahl, und die Augen glänzten fiebrig. Sein Atem ging schnell. Das Schaf sah so schlecht aus, dass sich Winnewurp sofort Sorgen um seine Gesundheit machte.
»Um Himmels willen,« rief er aus. »Was ist denn los?«,
Texel stieß ein mitleiderregendes Mäh aus und fragte: »Steht das W in deinem Namen für Willi oder Walter?«