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Kapitel 5 - Nick

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»Ni­cki, hal­lo?« Jo schnippst vor mei­ner Na­se mit sei­nen lan­gen Fin­gern he­rum, ver­sucht so, mei­ne Auf­merk­sam­keit zu er­lan­gen.

Ich ver­drän­ge ei­ne klei­ne Blon­di­ne mit Scho­ko­la­den­augen und nied­li­chen Som­mer­spros­sen aus mei­nen Ge­dan­ken, wen­de mich statt­des­sen mei­nem Freund zu. »Mhh?«, ant­wor­te ich, nip­pe da­bei an mei­nem Bier. So rich­tig schmeckt es mir heu­te nicht, aber ich trin­ke es den­noch.

»Was ist denn mir dir los? Sal­ly flir­tet dich seit zwei Stun­den an und du? Du bist blind und taub für ih­re Rei­ze. Da­bei gibt sie sich sol­che Mü­he. Wenn du nicht bald an­beißt, wird sie die Kral­len aus­fah­ren. Oder bist du da­rauf aus?«

Sal­ly, wen in­te­res­siert schon Sal­ly, den­ke ich an­ge­wi­dert. Sie hat mich vor ei­ni­gen Mo­na­ten zu ih­rem neu­en Ziel aus­er­ko­ren und geht mir da­mit to­tal auf die Ner­ven. Sie ist ei­ne die­ser Frau­en, die sich mit ge­wis­sen Din­gen schmü­cken muss. Ge­treu dem Mot­to: Schau, was ich ha­be, al­so be­nei­de mich da­rum. Ich pas­se an­schei­nend per­fekt in ihr Beu­te­sche­ma, nach­dem sie bei dem An­walt kei­nen Er­folg ge­habt hat. Dann eben ein Po­li­zist. Sie will mich als Trop­häe, et­was, mit dem sie an­ge­ben kann. Ihr Ge­tue ist an­stren­gend.

»Lass ihn, Jo. Nick hat heu­te von ei­ner wun­der­schö­nen Un­be­kann­ten ei­nen Korb kas­siert«, wirft Brad ein, wo­für ich ihm ge­gen den Arm bo­xe. Er ist die letz­te Tratsch­tan­te.

»Dir ver­traue ich nie wie­der et­was an«, knur­re ich ver­är­gert. »Und es ist kein Korb ge­we­sen.« Nett, dass er noch Salz in die Wun­de streu­en muss. Er hat recht, ich bin es nicht ge­wöhnt, Kör­be zu kas­sie­ren.

»Wer gibt dir ei­nen Korb? Das kann ich nicht ver­ste­hen.« Sal­ly, die Mag­gi im Schlepp­tau hat, stößt zu uns auf die Ter­ras­se. Mag­gi gibt Jo ei­nen Kuss auf die Wan­ge, wo­rauf­hin er sei­ne Freun­din zu sich auf den Schoß zieht und sei­ne Na­se an ih­rem Hals reibt, ehe er ihr et­was ins Ohr flüs­tert. Sie ki­chert lei­se, wirft ihr ro­tes Haar zurück und strahlt in die Run­de.

»Nick hat ei­ne, war­te, wie sind sei­ne Wor­te ge­we­sen? Klei­ne, un­be­kann­te Fee ge­trof­fen«, stich­elt Brad weiter und ich fra­ge mich ernst­haft, wa­rum er mein be­ster Freund ist. Ich muss drin­gend über un­se­re Freund­schaft nach­den­ken und tei­le ei­ne Kopf­nuss aus.

»Halt die Fres­se, du Lo­ser.« Ich ver­dre­he die Augen, muss aber ein we­nig schmun­zeln, denn ich weiß, dass er mich nur är­gern will.

»Das sind ja ganz neue Tö­ne.« Mag­gi beugt sich neu­gie­rig vor, wäh­rend Sal­ly ver­är­gert die Lip­pen auf­ein­an­der­presst, da­bei die Ar­me vor der Brust ver­schränkt, je­doch nicht, oh­ne ih­re Brüs­te ins rech­te Bild zu rü­cken. Klar, dass ihr die­ses The­ma nicht passt. Sie sieht Kon­kur­renz, ob­wohl ich gar kein In­te­res­se an ihr oder sonst ei­ner Freun­din ha­be. Freun­din­nen be­deu­ten Ver­ant­wor­tung, die ich nicht ein­ge­hen will. Es ge­fällt mir so, wie es ist.

»Die Schnal­le, die wir mit ih­rem Kö­ter am Strand ge­se­hen ha­ben?«, fragt Sal­ly säu­er­lich, spitzt die Lip­pen.

»Ihr habt sie ge­se­hen? Ist sie so se­xy, wie un­ser Nick sagt, oder hat er ge­flun­kert?«

»Sie ist hübsch«, stimmt Mags zu »So­weit ich mich er­in­ne­re. Ich ha­be sie nur kurz ge­se­hen.«

»Hübsch? Durch­schnitt, un­te­rer Durch­schnitt, wenn über­haupt«, mur­melt Sal­ly, wo­rauf­hin ich ein ge­nerv­tes Knur­ren un­ter­drü­cke. Es ist arms­elig, dass sie an­de­re Frau­en im­mer­zu schlecht macht. Als wä­re sie das ein­zi­ge weib­li­che We­sen auf der Welt, wel­ches at­trak­tiv ist – da­bei macht ihr Cha­rak­ter sie oft mehr als häss­lich.

»Sie hat ge­sagt, sie wohnt hier«, plap­pert Brad weiter. Mir platzt ehr­lich gleich der Kra­gen. Er ist so ei­ne La­ber­ta­sche, wirk­lich un­fass­bar.

»Ach, sie hat das Haus der al­ten Frie­da ge­mie­tet?« Mags greift nach Jos Fla­sche und nimmt ei­nen tie­fen Schluck. Jetzt hat sie mei­ne Auf­merk­sam­keit. Mags ist Im­mo­bi­lien­mak­le­rin, teilt sich ei­ne Fir­ma mit ih­rer Mutter. Ein al­ter Fa­mi­lien­be­trieb, der die Häu­ser auf der In­sel ver­mie­tet und ver­kauft. Sie weiß alles über je­den. Wa­rum bin ich nicht eher auf die Idee ge­kom­men, sie zu fra­gen?

»Das hat doch ewig leer ge­stan­den, die­ses win­zi­ge Ding.« An­ge­wi­dert ver­dreht Sal­ly die Augen. »Wer will schon in solch ein klei­nes Rat­ten­nest zie­hen?« Sal­lys Ar­ro­ganz ist so un­at­trak­tiv, dass ich ihr es am liebs­ten an den Kopf wer­fen möch­te, doch lei­der ist ihr Dad­dy mein Chef, der wür­de das gar nicht so wit­zig fin­den, wenn ich sei­ner Prin­zes­sin den Kopf wa­sche. Die­se ver­wöhn­te Gö­re.

»Immer­hin ge­hört es ihr und nicht Ma­mi und Pa­pi.« Brad pro­stet ihr zu. Ih­re Augen blit­zen ver­är­gert auf, wäh­rend ich in mein Bier grin­se. Da­mit hat Brad wie­der Plus­punk­te bei mir ge­sam­melt.

»Wen in­te­res­siert dei­ne Mei­nung, du …«, gif­tet Sal­ly, doch be­vor es aus­ar­tet, lenkt Mags die Auf­merk­sam­keit auf sich.

»Mum hat er­zählt, dass es vor zwei oder gar drei Wo­chen ver­mie­tet wor­den ist. So­gar bar ge­zahlt für die er­sten drei Mona­te. Ko­misch, oder? Wer zahlt so et­was denn bit­te bar?« Mags schüt­telt den Kopf. »Uns soll es egal sein, weg ist weg. Vom Leers­te­hen wird es je­den­falls nicht bes­ser.« Sie hat recht, das ist mehr als ku­ri­os und in mei­nem Kopf be­gin­nen sich Fra­gen an Fra­gen zu rei­hen. Bar be­zahlt? Da­zu ihr Ver­hal­ten? Der Po­li­zist in mir er­wacht zum Le­ben, will den Fall lö­sen. Ich wit­te­re Ge­heim­nis­se auf zehn Me­tern Ent­fer­nung.

»Viel­leicht ge­hört sie zu die­sen Leu­ten, die kein Konto ha­ben, weil sie sich be­ob­ach­tet füh­len. Soll es ja ge­ben.« Jo grinst, zuckt dann mit den Schul­tern. »Die­se Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker und so.«

»Oder ihr Freund«, brum­me ich miss­mu­tig. Den Glücks­pilz wol­len wir ja nicht ver­ges­sen.

»Freund? Nein, Mum hat ge­sagt, dass die Frau allei­ne ein­ge­zo­gen ist. Nee, war­te, mit ih­rem Hund, ei­nem Dal­ma­ti­ner mit nur ei­nem Ohr. Ihr wisst ja, wie wis­sens­dur­stig Mum ist.« Mags grinst und pro­stet uns zu.

Dann hat sie mich al­so an­ge­lo­gen, die­ses Biest. Na war­te, man sieht sich im Le­ben immer zwei­mal. Vor al­lem auf die­ser In­sel. Sie hat mich nur los­wer­den wol­len und ich ha­be es nicht ge­checkt. Ich Voll­trot­tel.

»Soll ich sie mal durch­leuch­ten?« Brads Mund­win­kel wan­dern nach oben, sein Ton ist mehr als zwei­deu­tig. Jetzt fängt er sich wirk­lich ei­ne Kopf­nuss von mir ein, ei­ne ge­wal­ti­ge Kopf­nuss.

»Du kannst mal die Klap­pe hal­ten, du Horn­och­se«, fei­xe ich. »Du bist schlim­mer als die Dop­pel­kopf­run­de der al­ten La­dys. Ehr­lich. Dir ver­traue ich nichts mehr an. Und du wirst sie nicht durch­leuch­ten. Nie­mand macht das, klar?«

Wir flach­sen hin und her, wo­bei ich ver­su­che, nicht die gan­ze Zeit an die klei­ne Fee zu den­ken, die sich in mei­nem Kopf fest­ge­setzt hat und nach wie vor ein gro­ßes Fra­ge­zeichen hin­ter­lässt. Ver­dammt, ich bin neu­gie­rig. Ich will sie ken­nen­ler­nen, un­be­dingt. Aber ir­gend­wie be­un­ru­higt mich das auch. Mir geht ge­ne­rell nie­mand so un­ter die Haut. Den­noch schwirrt hier ein Ge­heim­nis um­her und das will ich lö­sen. Kei­ner von uns ist der klas­si­sche Be­zie­hungs­typ, bis auf Jo na­tür­lich, als er sich in Mags ver­liebt hat. Jetzt kann ich sie mir oh­ne ein­an­der nicht mehr vor­stel­len. Bei­de gibt es nur noch im Dop­pel­pack. Lei­der hängt da auch oft Mag­gis An­häng­sel dran – Sal­ly. Auf die könn­te je­der hier ver­zich­ten. Sie hat sich in den Jah­ren ein­fach in ei­ne an­de­re, ma­te­riel­le Rich­tung ent­wi­ckelt als wir.

Wir wech­seln das The­ma, be­die­nen uns hung­rig am Grill. Theo, ei­ner un­se­rer Freun­de, fei­ert sei­ne Be­för­de­rung und schmeißt das rie­si­ge Bar­be­cue. Er ar­bei­tet in ei­ner gro­ßen Kanz­lei auf dem Fest­land als An­walt. Ihn hat Sal­ly vor mir er­obern wol­len. Mehr als ei­ne wil­de Nacht ist für ihn je­doch nicht drin ge­we­sen. Die­ses mor­gend­li­che hin- und her­pen­deln wä­re mir wirk­lich zu an­stren­gend, aber er geht in dem, was er tut, voll­kom­men auf. Da­bei ist es nicht nur ein­mal vor­ge­kom­men, dass Jo ihn mit sei­nem Kut­ter rü­ber­fah­ren hat müs­sen, weil er sei­ne Fäh­re ver­passt hat. Theo ist das letz­te Faul­tier. Ich hät­te nie ge­dacht, dass er das durch­zieht und An­walt wird, da­zu noch so er­folg­reich. Es passt nicht zu der Nie­te, die ich ken­ne und wel­che nie Haus­auf­ga­ben ge­macht hat.



Lei­der kommt der näch­ste Mor­gen viel zu früh. Die Par­ty­nach­we­hen las­sen nicht lan­ge auf sich war­ten, al­so kau­fe ich mir un­ter­wegs ei­nen star­ken Kaffee im Diner, be­vor ich die Wa­che be­tre­te. Ich kann be­quem zur Ar­beit lau­fen und mei­ne Pau­se am Strand ver­brin­gen, ein po­si­ti­ver Aspekt der klei­nen In­sel. Die Dienst­be­spre­chung ist er­eig­nis­los, was sich vor­teil­haft auf mei­nen Brumm­schä­del aus­wirkt. Hier pas­siert nicht viel. Ge­ra­de jetzt, wo die Saison zu En­de geht, ist es ru­hi­ger denn je. Im Som­mer wird sich das wie­der än­dern, es wird klein­ere Delik­te ge­ben, leich­te Ein­brü­che in Autos, Diebs­täh­le am Strand, doch jetzt ist chil­len an­ge­sagt. Manch­mal glau­ben ein paar Jugend­li­che, hier auf den Putz hau­en zu kön­nen, ein aus­ge­ar­te­ter Jung­ge­sel­len­ab­schied oder ge­le­gent­lich bö­se Buben, die der Mei­nung sind, sie kön­nen die Fe­rien­häu­ser kna­cken. Aber sonst? Zeit­wei­se fehlt mir et­was Ac­tion, wo­von ich frü­her in der Groß­stadt mehr als ge­nug ge­habt ha­be. Doch dann den­ke ich an das Meer vor der Tür und die Sehn­sucht nach dem Ner­ven­kit­zel wird et­was klei­ner. Es ist auch nicht un­be­dingt ver­kehrt, in kei­ne Schie­ße­rei zu ge­ra­ten, und ei­nen ent­span­nen Ar­beits­tag zu ha­ben. Frü­her, auf dem Fest­land, hat es ei­ni­ge brenz­li­ge Si­tua­tio­nen ge­ge­ben, die da­zu ge­führt ha­ben, dass ich das The­ma Fa­mi­lie und Freun­din erst mal ab­ge­hakt ha­be. Der Ge­dan­ke, je­man­den zurück­zu­las­sen, ist mir zu­wi­der und nach dem er­sten Streif­schuss, der mich er­wischt hat, so­wie­so. Sie Nar­be da­von tra­ge ich als Mah­nung an mich selbst.

»Jungs, ab mit euch!« Der Chief nickt uns zu und alle schwir­ren lang­sam aus, um für Recht und Ord­nung zu sor­gen … Oder auf der Pro­me­na­de Kaffee trin­ken, Kat­zen von Bäu­men ho­len – was auch immer der Tag so brin­gen mag.

»Ich fahr ei­ne Run­de Strei­fe.« Ich neh­me ei­nen Schluck vom Kaffee, der zu ei­ner kal­ten Brü­he ge­wor­den ist, an­gle mir noch schnell das Kuchen­stück, wel­ches un­se­re Schreib­kraft mir je­den Tag mit­bringt. Sie lä­chelt mich schüch­tern an, wo­rauf­hin Brad die Augen gen Himmel ver­dreht. Ein wei­te­rer Schluck des kal­ten Kaffees lässt mich die Na­se rümp­fen. »Igitt!« Ich wer­fe den Be­cher in den näch­sten Müll­ei­mer, wäh­rend ich zum Strei­fen­wagen schlen­de­re, da­bei den Kuchen es­se. Ver­mut­lich ist es un­fair von mir, Car­las Kuchen an­zu­neh­men, da es ein of­fe­nes Ge­heim­nis ist, dass sie für mich schwärmt, aber was soll ich ma­chen: Ich lie­be Kuchen und tue ihr da­mit ja nicht weh. Da­vor hat sie für Brad ge­schwärmt und da­vor … Ach, was weiß ich. Es gibt nicht so viele Sing­les auf der In­sel. Sie ist ein lie­bes Mäd­chen und ich ge­nie­ße den Kuchen, so­lan­ge die Schwär­me­rei an­hält.

Mein Freund stöhnt auf. »Du willst zum Haus der al­ten Frie­da, oder? Mann, Nick, lass das Mäd­chen doch, wenn sie so schlau ist, dir aus dem Weg zu ge­hen. Stell dir vor, was Sal­ly mit ihr macht, soll­te sie ihr in die Que­re kommt.«

»Sal­ly?« Ich la­che auf. »Sal­ly ist unin­te­res­sant. Du weißt, dass da nichts läuft. We­der heu­te noch ir­gend­wann. Wir pas­sen so gut zu­sam­men wie Hund und Katz, wir wür­den uns die Augen aus­krat­zen. Ich will mir ja nur mal das Haus an­schau­en und gu­cken, ob alles okay ist. Ist es nicht wich­tig, dass die neu­en Bür­ger sich si­cher füh­len? Dass wir sie will­kom­men hei­ßen? Wo sind dei­ne gu­ten Ma­nie­ren ge­blie­ben?« Ich grin­se, set­ze mei­ne Son­nen­bril­le auf, sa­lu­tie­re vor mei­nem Freund. Da­mit se­he ich aus wie die Poli­zis­ten aus den schlech­ten Fil­men im Fern­se­hen, aber das ist mir egal.

»Si­cher? Du bist wie der bö­se Wolf, wenn du so grinst. Es macht so­gar mir ein we­nig Angst. Das Mäd­chen kann sich warm an­zie­hen und ei­nem leid­tun. Du bist doch sonst nicht so pe­ne­trant.« Brad schüt­telt den Kopf über mei­ne Hart­nä­ckig­keit.

»Ich weiß nicht, sie reizt mich«, ge­be ich zu, wo­rauf­hin er mich wis­send be­äugt.

»Oho, lo­ve is in the air …« Er wa­ckelt mit den Augen­brau­en, doch ich ig­no­rie­re sei­ne blö­den Sprü­che. Da­mit kriegt er mich nicht, ich bin kei­ne zwölf mehr, wo das funk­tio­niert hät­te.

Ich set­ze mich in den Dienst­wagen, Brad schwingt sich ne­ben mich, was mir gar nicht passt. »Was wird das denn?«, knur­re ich ihn an. Er wird de­fi­ni­tiv nicht mit­kom­men, das kann er sich ab­schmin­ken. Es wür­de mei­ne gan­zen Plä­ne zu Nich­te ma­chen, um in Ru­he mit ihr re­den zu kön­nen.

»Ich will die­ses be­son­de­re Mäd­chen se­hen. An­schei­nend hat sie dir den Kopf ver­dreht. Brad schnallt sich an, fährt sich durch das ra­spel­kur­ze blon­de Haar und schenkt mir das brei­tes­te Lä­cheln, wel­ches ich je ge­se­hen ha­be.

»Ver­giss es, steig aus! Außer­dem ver­dreht mir nie­mand den Kopf.« Ich win­ke ihn weg, doch er ist stur. Er dreht sich, immer noch grin­send wie ein Trot­tel, nach vor­ne und trom­melt aufs Ar­ma­tu­ren­brett. Ich has­se ihn ge­ra­de ein ganz klein we­nig, wie man gu­te Kum­pel in sol­chen Mo­men­ten eben hasst.

»Los, los! Wir ha­ben ein Da­te. Ich kann es kaum er­war­ten.«

Ich um­klam­me­re das Lenk­rad, schaue ihn ab­wer­tend von der Sei­te an. Gott, wie er ner­ven kann, wenn er es drauf an­legt. Er ist so neu­gie­rig wie die al­ten Fisch­weiber. »Ernst­haft? Du gehst mir auf den Sack, Brad. Steig aus!« Be­feh­le ich, doch er lacht nur.

»Ich wer­de mit­fah­ren. Stell dir vor, sie ver­klagt dich hin­ter­her, weil du ihr ih­re Rech­te nicht vor­ge­le­sen hast? Da­für sind Kol­le­gen da. Nichts zu dan­ken, mein Lie­ber. Oder du ge­rätst in ei­ne Schie­ße­rei? Da brauchst du dei­nen Part­ner, da­für bin ich da. Das ist mein Job.« Ich ver­dre­he die Augen. Schie­ße­rei? Hier? Schon klar!

»Ich will sie nicht ver­haf­ten, nur ein Hal­lo da­las­sen.«

Brad grinst noch brei­ter, wenn das über­haupt mög­lich ist. »Aha, al­so doch zu ihr. Von we­gen nur mal Strei­fe fah­ren, das kannst du dem Chief so ver­kau­fen, aber nicht dei­nem be­sten Freund.« Mei­ne Mund­win­kel wan­dern nach oben. Er­tappt. »Oder hast du Angst, dass sie auf mich ab­fährt? Hm? Ist es das? Kann ich ver­ste­hen, Kum­pel.« Er klopft mir auf den Arm, schaut mich ge­spielt mit­lei­dig an. »Das bist du ja ge­wohnt.«

Wir dis­ku­tie­ren noch ei­ni­ge Mi­nu­ten hin und her, ehe ich das Auto star­te, Brad na­tür­lich weiter­hin im Ge­päck. Mein be­ster Freund kann sehr hart­nä­ckig sein, so­fern er will, und wir wür­den ver­mut­lich noch in vier Stun­den hier sit­zen, wenn ich ihn nicht mit­neh­me. Viel­leicht soll­te ich ihn un­ter­wegs ein­fach raus­wer­fen. Ver­dient hät­te er es ja, ei­ne Über­le­gung ist es de­fi­ni­tiv wert.

Die Fahrt zum Haus ist kurz, nicht mal drei­ßig Mi­nu­ten spä­ter bie­gen wir vom Haupt­weg auf den Kies­weg ein, der nach oben zum Grund­stück führt. Sie wohnt na­he den Klip­pen, weit weg von den Tou­ris­ten­rum­mel, in dem leicht vom Wind und Ge­zeiten ge­präg­tem Häus­chen, de­ren gel­be Far­be lang­sam ab­blät­tert. Aber ge­ra­de die­ses Aus­se­hen ver­leiht die­sem win­zi­gen Haus ei­nen ge­wis­sen Char­me, der sich nicht be­strei­ten lässt. Mit et­was Zu­wen­dung könn­te da­raus et­was Ex­klu­si­ves wer­den, vor al­lem weil ih­re Aus­sicht gi­gan­tisch sein muss, so dicht, wie sie am Ab­hang wohnt. Ein di­rek­ter Blick auf das Meer – es muss ein Ge­fühl der völ­li­gen Frei­heit sein, hin­aus zu schau­en, wenn man dort mor­gens mit sei­nem Kaffee steht. Ei­nen kur­zen Mo­ment fra­ge ich mich, wie­so ich nie auf die Idee ge­kom­men bin, das klei­ne Haus zu kau­fen. Es wä­re für mich eben­falls per­fekt ge­we­sen.

Lost Island

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