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Kapitel 2

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Samstag, 30. Mai

Müde stand ich auf, zog mir ein Shirt über den Kopf und lief barfuß die Treppe hinunter. Aus der Küche vernahm ich die typischen Geräusche des Wasserkochers, wie sie beinahe jeden Morgen in unserem Haus zu hören waren.

»Morgen«, murmelte ich verschlafen, als ich durch die Tür trat und mich auf den Stuhl fallen ließ, der mir am nächsten stand. Lia, meine Mutter, wartete mit einer Kaffeetasse in der Hand vor dem Toaster, dass ihr Frühstück fertig wurde. Erstaunt schaute sie mich an.

»Schon wach? Obwohl Ferien sind?« Sie lächelte und schien nichts dagegen zu haben, dass ich ihr beim Frühstück Gesellschaft leistete. Es war recht still am Tisch. Wir waren beide keine Menschen, die morgens viel redeten, wenn es nicht etwas gab, das uns so beschäftigte, dass es nicht länger warten konnte. Doch in letzter Zeit war nichts passiert, das sich lohnte, schon jetzt angesprochen zu werden.

Lia wusste, wie ich meine Ferien am liebsten verbrachte. Sie musste die Woche über arbeiten, weshalb sich gemeinsame Aktivitäten, wenn überhaupt, nur fürs Wochenende planen ließen. Wir kamen gut miteinander aus, konnten den anderen genau einschätzen und störten uns nicht daran, dass wir in den Ferien nicht mehr als sonst gemeinsam unternehmen konnten.

Ich mochte meine Beziehung zu Lia, welche sich erst nach dem Tod meines Vaters gefestigt hatte. Normalerweise gab es kaum etwas, bei dem ich das Gefühl hatte, dass ich es nicht mit ihr besprechen konnte; einige wenige Male war ich sogar versucht gewesen, ihr von dem blonden Typen und seiner Wirkung auf mich zu erzählen, bisher hatte ich mich aber dagegen entschieden. Zwar wusste sie von dem Zusammenstoß, da sie nach meinem verletzten Knie gefragt hatte, doch mit keiner Silbe hatte ich erwähnt, wie sehr mich der junge Mann in seinen Bann gezogen hatte.

Nach dem Frühstück stellte ich das benutzte Geschirr zur Seite, während sich Lia in Richtung Wohnzimmer verzog. Ich würde die Küche später ordentlicher aufräumen, doch es zog mich nach draußen, weshalb ich nicht länger meine Zeit damit verschwenden wollte, den Abwasch zu erledigen. Nach kurzem Überlegen ließ ich mein Fahrrad an seinem Platz im Flur stehen und ging zu Fuß los.

Wir hatten das Glück, am Stadtrand zu wohnen und gleichzeitig ein verhältnismäßig großes Waldstück in unserer Nähe zu haben, sodass ich einen Großteil meiner Freizeit dort verbrachte. Vor allem als Kind hatte ich mir nichts Besseres vorstellen können, als den ganzen Tag die unzähligen Trampelpfade zu erkunden, auf Bäume zu klettern und auf Baumstämmen zu balancieren. Doch anders als bei vielen meiner Bekannten, war meine Liebe zur Natur und besonders zu diesem Wald nicht verschwunden, als ich älter wurde. Nur zu gern ging ich auch jetzt noch stundenlang die vertrauten Wege entlang, nur hatte ich mittlerweile nicht mehr so viel Zeit dafür, wie es früher der Fall gewesen ist.

Etwas ziellos lief ich durch den Wald, drehte mich manchmal um, wenn die Geräusche der kleinen Waldtiere in den Büschen und Bäumen mich erschreckten, und genoss es, draußen zu sein. Obwohl mich die Schule nicht störte, mochte ich die Ferien und die Tatsache, dass ich den ganzen Tag machen konnte, worauf ich Lust hatte. Stundenlang durch den Wald laufen. Die Stadt immer wieder neu erkunden. Bei Bedarf neue Leute kennenlernen. Alles Dinge, die deutlich mehr Spaß machten, wenn man nicht im Hintergrund daran dachte, dass es Hausaufgaben gab, die man noch zu erledigen hatte.

Ich verließ den breiten Hauptweg, um in die Richtung eines Schuppens zu laufen, welchen ich vor Jahren durch Zufall bei einem meiner Streifzüge entdeckt hatte. Obwohl das alte Dach schon einige Löcher aufwies, befanden sich die Wände, Fenster sowie die Tür in einem tadellosen Zustand.

Im Inneren war es aufgrund der verdreckten kleinen Fenster die meiste Zeit des Tages schummrig, doch wie durch ein Wunder konnte man trotz der Bäume nachts durch die Löcher im Dach den Sternenhimmel betrachten. Vorausgesetzt es war eine wolkenlose, sternenklare Nacht.

Der Schuppen befand sich abseits der meisten Waldwege am Rande einer Lichtung und schien schon seit Jahren keinen Besitzer mehr zu haben, der sich an das Dasein dieses kleinen Gebäudes erinnerte. Dennoch konnte ich nicht die einzige Person sein, welche ihn im Laufe der Zeit entdeckt und genutzt hatte.

Die Innenwände waren von vielen Graffitis bedeckt und die Tatsache, dass ab und zu neue dazukamen, bestätigte meine Vermutung.

In den Ecken des Innenraumes lagen einige alte Matratzen, auf welchen ich schon die ein oder andere Nacht verbracht hatte, wenn mich das Gefühl überkommen hatte, wieder etwas Abstand zwischen mich und den Rest der Welt zu bringen. Ich genoss das Wissen, dass es diesen Schuppen gab, dass ich hier sein konnte, wann immer ich wollte, ohne währenddessen für jemanden erreichbar zu sein. Es war mein Rückzugsort, den ich weder mit Samantha noch mit einer anderen Person teilte.

Der Weg zum Schuppen war mir mittlerweile so vertraut, dass es nicht lange dauerte, bis ich die alte Tür aufstieß und ins Innere trat. Normalerweise schaute ich mich kurz um, bevor ich mich auf eine der Matratzen neben der Tür fallen ließ. Wann immer ich hier war, verbrachte ich die meiste Zeit auf dieser Matratze, lauschte den Geräuschen des Waldes oder hörte Musik. Ich mochte dieses Nichtstun, dieses Abschalten, was hier so viel besser funktionierte, als es an anderen Orten der Fall war. Der leicht modrige Geruch sowie die Ruhe um mich herum wirkte so beruhigend auf mich, dass es nicht nur einmal passiert war, dass ich während des Musikhörens früher oder später eingeschlafen war.

Diesmal wurde meine Aufmerksamkeit von einem neuen Graffiti gefesselt, weshalb ich mich nicht setzte, sondern stattdessen zu der Wand lief, die der Tür gegenüberlag, und das Kunstwerk von Nahem betrachtete. Es nahm bestimmt die Hälfte der Wand ein und prangte über kleineren Kritzeleien. Ein einsamer weißer Wolf hatte seinen Kopf gen Himmel erhoben und heulte einen großen gelblichen Mond an, welcher leicht von grauen Wolken verhangen war. Ich wusste nicht, was mich so faszinierte, doch ich spürte das Verlangen, meine Hand auszustrecken und über die frische Farbe zu fahren. Vorsichtig strich ich über den Wolf, der so verlassen aussah.

»Gefällt es dir?«

Erschrocken fuhr ich herum. Mein Blick schnellte in die hinterste Ecke des Raumes, aus welcher die Stimme gekommen war.

»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, wusste aber nicht, wie ich sonst auf mich hätte aufmerksam machen sollen. Und mich die ganze Zeit schlafend zu stellen, wäre auch nicht unbedingt das Schlauste, ich weiß ja nicht, wie lange du hierbleibst.«

Mit einer geschmeidigen Bewegung war der junge Mann aufgestanden und auf mich zugekommen, hielt aber eine gewisse Distanz zu mir. Mein Herz raste, ich hatte nicht damit gerechnet, dass jemand hier sein könnte. Innerlich verfluchte ich mich selbst, denn wer betrat ein fremdes Gebäude, ohne sich anschließend umzuschauen, ob man allein war? Nur, weil ich bisher noch niemanden hier angetroffen hatte, hieß das nicht, dass es nie dazu kommen würde, wie sich nun deutlich zeigte.

Ich beruhigte mich erst wieder, als ich dem Blick des jungen Mannes begegnete. Es waren die gleichen dunkelbraunen Augen, die mir die letzten Wochen nicht hatten aus dem Kopf gehen wollen. Überrascht betrachtete ich ihn genauer, doch bis auf seine Augen und die Stimme deutete nichts auf den Typen hin, welchen ich umgefahren hatte. Seine Haare waren nicht mehr wasserstoffblond, sondern schwarz und deutlich länger; leicht strähnig hingen sie ihm in die Stirn und hinter den Ohren. Seine Kleidung sah so aus, als habe sie die Erfindung des Bügeleisens nicht mitbekommen, doch sein Style gefiel mir. Das Shirt war ihm einige Nummern zu groß, aber dieser Look passte zu seinem Auftreten.

Ich blickte ihm wieder ins Gesicht und bemerkte, dass auch er mich aufmerksam betrachtet hatte. Als mir auffiel, dass ich bisher nichts gesagt hatte, räusperte ich mich nervös, ohne zu wissen, was ich von mir geben sollte. Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ihn schien mein Verhalten weder zu verwundern, noch zu stören. Es amüsierte ihn nur.

»Ich bin übrigens Silas. Und du der Typ, welcher mich vor ein paar Wochen über den Haufen gefahren hat.«

Die Hitze schoss mir in die Wangen und ich hoffte, dass es ihm aufgrund des spärlichen Lichtes nicht auffallen würde. Sein leichtes Auflachen zeigte mir, dass dem nicht so war. Ich beschloss, dies geflissentlich zu ignorieren.

»Ähm ... ja. Ich bin Nico.«

Stumm standen wir voreinander, betrachteten die Bewegungen des anderen. Ich für meinen Teil versuchte, nicht so nervös zu wirken, wie ich es war. So wie ich mich kannte, ließ mich dieser Versuch nur noch unruhiger aussehen. Doch ich wusste beim besten Willen nicht, wie ich dieses unangenehme Schweigen durchbrechen sollte. Wie ich diese Situation am besten meistern sollte.

Am liebsten wäre ich wieder gegangen, hätte mich umgedreht und vergessen, dass dieser Moment überhaupt existiert und ich mich wie ein Trottel benommen hatte, der nicht mehr als ein paar zusammenhängende Worte herausbrachte. Nur die Tatsache, dass mir seine Augen die letzten Wochen nicht aus dem Kopf gegangen waren und ich nicht nur einmal gehofft hatte, ihm erneut zu begegnen, ließ mich an Ort und Stelle verharren. War das hier nicht genau das, was ich mir gewünscht hatte? Ich hatte die Gelegenheit den Typen, Silas, kennenzulernen. Ich musste nur damit anfangen. Doch stattdessen starrte ich ihn wie bekloppt an.

»Du scheinst kein Mensch der vielen Worte zu sein.« Sein Tonfall machte deutlich, dass ihm unsere, wohlgemerkt sehr einseitige, Unterhaltung gefiel.

Erneut räusperte ich mich, bevor ich antwortete. »Meistens eher nicht, nein.«

»Was heißt meistens?«

Ihm schienen meine kurzsilbigen Antworten nichts auszumachen. Stattdessen zeigte er mit seinem Blick echtes Interesse an dieser Unterhaltung. Mein Interesse war mindestens genauso groß, nur gelang es mir nicht, das zum Ausdruck zu bringen. Umso erleichterter war ich, dass er Fragen stellte. Auch wenn ich auf diese Weise nicht viel von ihm erfahren konnte.

Da mir auffiel, dass wir nach wie vor seltsam in der Mitte des Raumes voreinander standen, schaute ich die uns am nächsten liegende Matratze kurz an. Silas folgte meinem Blick und schien zu bemerken, was mich an der Situation störte. Synchron setzten wir uns in Bewegung und ließen uns auf der Matratze nieder. Es herrschte nach wie vor ein gewisser Abstand zwischen uns, der groß genug war, um niemanden in peinliche Situationen durch versehentliche Berührungen zu bringen, aber zu klein, um eine Unterhaltung unangenehm werden zu lassen.

»Also, in welchen Momenten redest du mehr als gerade?«

Kurz überlegte ich, ob ich mir etwas einfallen lassen sollte, was mich besser als die Realität dastehen ließ, doch ich entschied mich dagegen. Wenn man nicht direkt mit der Wahrheit herausrückte, verstrickte man sich nur immer weiter in Lügengebilde, die früher oder später eine Bekanntschaft zerstören würden.

»Wenn ich betrunken bin.« Silas lachte kurz, während ich zu verhindern versuchte, dass meine Wangen schon wieder heiß wurden. »Oder wenn ich mit den richtigen Leuten zusammen bin.«

Aufmerksam schaute er mich von der Seite an. »Ich hatte angenommen, dass du einer dieser Menschen bist, die mit den richtigen Leuten um sich herum erst recht still sind. Du wirkst so, als könntest du dich dann entspannen und würdest kein Gespräch brauchen, um dich wohlzufühlen.«

»Brauche ich auch nicht zwangsläufig. Ich mag es, stundenlang neben meinen Freunden zu sitzen und ihren Gesprächen zuzuhören. Aber wenn der Augenblick passend ist und ein interessantes Thema aufkommt, dann fällt es mir schwer, leise zu bleiben.«

Froh, dass er nicht weiter auf das Alkohol-Thema eingehen wollte, entspannte ich mich in seiner Gegenwart etwas. Das Gespräch ging in eine gute Richtung, nun musste ich nur den richtigen Moment abwarten, um ihm meine Fragen zu stellen. Wobei mir auffiel, dass ich gar nicht wusste, was ich ihn fragen wollte. Ich wollte ihn zwar kennenlernen, doch hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte.

Still saßen wir nebeneinander, ohne dass die Stille unangenehm wurde. Ich bemerkte, dass Silas mich nach wie vor von der Seite betrachtete, während mein Blick erneut von dem weißen Wolf eingefangen wurde. Mir fiel ein, wie er mich gefragt hatte, ob mir das Graffiti gefalle.

»Der Wolf ist von dir?«

Aus den Augenwinkeln nahm ich sein Nicken wahr.

»Ja. Bin aber nicht zufrieden damit. Es fühlt sich falsch an, als würde etwas fehlen. Ich komme nur nicht darauf, was genau mich daran stört.«

Ich drehte meinen Kopf, um ihn aufmerksam anzuschauen. Ich hatte angenommen, dass dies zu einem leicht unangenehmen Blickwechsel führen würde. Es erstaunte mich, dass er, anders als erwartet seinen Blick senkte und sich ein minimaler Hauch von Röte auf seinem Gesicht ausbreitete. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich realisierte, dass er gar nicht gemerkt zu haben schien, wie er mich anstarrte.

»Ich mag ihn, wie er ist.«

Erneut wurde es still zwischen uns, Silas scharrte mit seinen Füßen auf dem Boden, während ich meinen Blick zum wiederholten Male zu dem großen Wolf wandern ließ. Ich wusste selbst nicht genau, was mich an ihm so faszinierte, doch dieses Kunstwerk vor mir berührte mich auf eine intensive, ehrliche Art und Weise.

»Warum sieht er so traurig und einsam aus?«

»Was meinst du?« Silas schaute mich fragend an, weshalb ich mit dem Kopf zur Wand deute.

»Der Wolf. Warum sieht er so einsam aus?«

Er folgte meinem Blick und zuckte mit den Schultern. Seine Stirn legte sich nachdenklich in Falten. Ich bereute es, meine Frage gestellt zu haben. Es handelte sich schließlich um Kunst und die beste Kunst entstand aus einem selbst, indem man etwas Persönliches ausdrückte. Wahrscheinlich ging es mich nichts an.

»Sorry, ich wollte nichts Unpassendes sagen.«

Erstaunt begegnete sein Blick dem meinen. »Hast du nicht. Mir ist nur durch deine Frage klar geworden, dass ich mir nie Gedanken über solche Dinge gemacht habe. Ich mache immer nur, was sich gut anfühlt, und höre erst auf, wenn ich zufrieden bin oder mir klar wird, dass eh nichts mehr zu retten ist und jede Minute, die ich mich weiter damit beschäftige, nur verschenkte Zeit ist.

Mir war nicht bewusst, wie der Wolf wirkt. Aber ich habe auch nicht damit gerechnet, dass es jemanden interessieren würde, weshalb etwas, das ich geschaffen habe, so aussieht, wie es eben aussieht. Deine Frage war nicht unpassend, ich habe nur absolut keine Ahnung, wie ich sie beantworten soll.«

* * *

Den Großteil des Tages verbrachten wir auf eine ähnliche Art und Weise. Wir saßen nebeneinander, redeten hin und wieder und schwiegen ansonsten. Mit der Zeit gelang es mir, trotz seiner Anwesenheit meine Gedanken schweifen zu lassen und mich in verschiedenen Gedankengängen zu verlieren.

Als ich gegen Mittag Hunger bekam, ärgerte ich mich darüber, nichts von zu Hause mitgebracht zu haben. Meine leichte Verärgerung ließ erst nach, als Silas einige Snacks aus seinem Rucksack zutage förderte. Ich freute mich, jemanden neben mir sitzen zu haben. Es war so anders, als wenn ich mit meinen Freunden Zeit verbrachte.

Silas war anders. Er schien ein ausgeprägtes Menschenverständnis zu haben und es war, als könne er meine Gedanken lesen. Er ließ mich in Ruhe, wenn ich nachdachte, und verwickelte mich in Gespräche, sobald er merkte, dass mir langweilig wurde.

Er war ein faszinierender Gesprächspartner. Er wusste, wie er seine Fragen stellen musste, wie er mich zum Reden bringen konnte. Einige Male verstummte ich mitten im Satz, da mir klar wurde, dass ich schon wieder vollkommen ausschweifend auf irgendeine Frage geantwortet hatte, während er neben mir saß und zuhörte. Er sollte kein falsches Bild von mir bekommen, weshalb ich all meine Sätze mit Begründungen und Erfahrungen ausschmückte, um ihm zu zeigen, warum ich dachte, wie ich dachte, warum ich antwortete, wie ich antwortete. Ihn schien das nicht zu stören, er hörte mit einer Geduld zu, wie ich sie bisher an niemandem erlebt hatte.

Irgendwann gegen Abend wusste ich, dass ich mich auf den Heimweg machen sollte. Wenig begeistert stand ich auf und schaute auf Silas hinunter, welcher mich mit einem leichten Lächeln anschaute.

»Du bist oft hier, nicht wahr?« Ich nickte, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entsprach. Ich war nicht oft hier, doch mit der Aussicht, ihn von nun an öfter zu sehen, dachte ich mir, dass es am besten wäre, einfach zu nicken. So wunderte er sich später nicht, weshalb ich zwar meinte, nicht oft hier vorbeizukommen, ihn aber dennoch immer wieder dort traf. Zumindest war das meine Hoffnung. Ich wollte nicht, dass es bei diesem einen Tag blieb, ich wollte mehr Tage wie diesen erleben. Sehr viel mehr solcher Tage.

»Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns demnächst mal wiedersehen, wohl ziemlich hoch.« Er grinste mich breit an und ich glaubte zu wissen, dass er genau wusste, dass ich normalerweise nicht so oft, wie behauptet, hier war.

Kurz hatte ich das Bedürfnis, mich zu ihm hinunter zu beugen und ihn zu umarmen, doch diesen Gedanken verdrängte ich schnell. Wir kannten uns kaum und hatten erst einen Tag miteinander verbracht. Ich wusste nicht, wie er zu solchen Dingen wie Umarmungen stand; nicht jeder mochte es, von anderen umarmt zu werden. Somit erwiderte ich nur sein Lächeln, murmelte ein paar Abschiedsworte und verließ den Schuppen.

Es war noch nicht sehr spät, dennoch wurde der Wald von der einsetzenden Dämmerung beherrscht. Meine Kopfhörer fanden wie gewohnt ihren Platz in meinen Ohren, während ich mit schnellen Schritten nach Hause lief.

So gern ich abends oder nachts unterwegs war, der Wald war mir bei Dunkelheit nicht geheuer. Außer, wenn ich im Schuppen lag und vorhatte, die Nacht dort zu verbringen. In diesem Fall hatten die Geräusche des Waldes sogar eine beruhigende Wirkung auf mich.

Ein großer Teil in meinem Inneren bedauerte es, dass ich mich von Silas verabschiedet hatte, und wünschte sich, dortgeblieben zu sein.

Der rational denkende Teil meines Kopfes machte mir aber klar, dass es das einzig Vernünftige gewesen war, zu gehen.

Ich ließ den Wald hinter mir und betrat unser Haus, während sich die zwei Teile in meinem Inneren miteinander stritten.

Nico & Silas - falling for you

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