Читать книгу Nico & Silas - falling for you - Annika M. - Страница 13
Kapitel 5
ОглавлениеMontag, 1. Juni
»Wie lange bist du schon wach?« Gähnend drehte ich mich auf die Seite, zog die Decke zu meinem Kinn und genoss die Wärme meines Bettes.
»Eine Stunde, vielleicht bisschen länger.« Silas grinste mich leicht an. Er saß auf der Matratze, die wir gestern aus dem Gästezimmer geholt hatten. Ursprünglich war ja der Plan gewesen, dass er im Gästezimmer schlief, doch nachdem wir den ganzen Abend gemeinsam verbracht hatten, wäre es komisch gewesen, wenn wir in getrennte Räume zum Schlafen gegangen wären. Nun saß er jedenfalls in dem großen Shirt, das ich ihm zum Schlafen gegeben hatte, vor mir. Neben ihm lag sein geöffneter Rucksack, sowie einige Stifte; auf seinen Beinen hatte er ein stabiles Notizbuch liegen. Es schien ihn nicht gestört zu haben, dass er vor mir aufgewacht war.
»Was machst du?«
»Hab‘ nur bisschen gezeichnet.« Neugierig setzte ich mich auf.
»Darf ich mir anschauen, was du gezeichnet hast?«
»Klar.« Silas nickte, während ich nach wie vor in meine Bettdecke gewickelt das Bett verließ und mich neben ihn auf die Matratze setzte. Er reichte mir sein Notizbuch, welches ich erfreut entgegennahm. Ich war gespannt, was er so zeichnete, kannte ich bisher nur den großen Wolf im Schuppen, der mir schon äußerst gut gefallen hatte. Vom Papier aus schaute mich eine schwarze Katze an. Ihre grünen Augen glitzerten voller Neugier und schienen dem Betrachter direkt in die Seele zu schauen. Mit erhobener Tatze und einem roten Wollknäuel vor sich, wirkte sie, als wolle sei einen zum Spielen auffordern. Die Art, wie Silas das kleine Wesen abgebildet hatte, gefiel mir.
»Zeichnest du nur Tiere?«
Entschieden schüttelte er seinen Kopf. »Eigentlich zeichne ich kaum Tiere, bin eher jemand, der Architektur sehr ansprechend findet. Habe aber vor ein paar Wochen begonnen, mehr mit Farben auszuprobieren, und seitdem habe ich vermehrt Tiere gezeichnet.«
Begeistert hielt ich das Notizbuch in meinen Händen.
»Willst du mehr sehen?« Schnell nickte ich, wobei sich ein Lächeln auf meine Lippen legte, als ich die Schüchternheit aus seinen Worten heraushörte. Zielstrebig blätterte Silas durch die Seiten, schien genau zu wissen, welche Zeichnungen und Skizzen er mir zeigen wollte.
Die Minuten vergingen wie im Flug, während ich mir seine Zeichnungen anschaute und wir über diese und Kunst im Allgemeinen sprachen. Ich erfuhr, dass Silas viel durch Bilder verarbeitete und dass es sich bei dem Buch, das ich beinahe ehrfürchtig in den Händen hielt, um eine Art Tagebuch handelte, in dem er regelmäßig Dinge festhielt, die ihn beschäftigten oder die er den Tag über gesehen hatte.
»Seit wann zeichnest du schon?«
Leicht hoben sich seine Schultern. »So gut wie immer, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass es mal eine Zeit gab, in der ich nicht irgendwas gemacht habe, was mit dem Zeichnen zu tun hat. Nur die Stile und Motive haben sich seitdem geändert.«
»Kannst du auch Porträts oder Menschen allgemein zeichnen?« In dem Moment, in dem ich die Frage gestellt hatte, kam sie mir schon wieder doof vor. Konnte nicht jeder, der sich mit Kunst beschäftigt oder gar einen eigenen Zeichenstil entwickelt hatte, Porträts zeichnen? Selbst meine im Kunstunterricht erstellten Werke erkannte man als solche, auch wenn sie nicht sonderlich schön oder ordentlich gemacht waren. Silas fand meine Frage allerdings nicht so doof, wie ich angenommen hatte, stattdessen grinste er leicht und nickte.
»Als ich damit begonnen habe, mit meinen Bildern Geld zu verdienen, habe ich anfangs nur Auftragsarbeiten von Leuten angenommen, die Porträts von sich oder von ihnen nahestehenden Menschen haben wollten«, erklärte er mir, weshalb ich meinen Blick erstaunt hob.
»Du verkaufst deine Bilder?«
Erneut nickte er. »Manche zumindest. Anfangs habe ich, wie gesagt, nur Auftragsarbeiten gemacht, bei denen es mich nicht gestört hat, dass ich das Original nicht mehr besitze. Jetzt, da online ein paar Menschen auf mich aufmerksam geworden sind, habe ich angefangen, Prints von bestimmten Bildern zu verkaufen, sodass ich erstens das Original behalten und zweitens mehr als nur eine Version eines Bildes zu Geld machen kann.« Fasziniert betrachtete ich ihn von der Seite, während seine Aufmerksamkeit nach wie vor auf seinem Notizbuch lag. Ich hatte mich schon immer gefragt, wie Menschen, die ihre Kunst im Internet präsentierten und verkauften, im realen Leben waren.
Im Internet sah es so einfach aus, das Leben kreativer Menschen schien unkompliziert und angenehm zu sein, künstlerisch veranlagte Leute schienen den ganzen Tag nichts anderes zu tun als ihrer Leidenschaft, ihrem Hobby nachzugehen. Umso spannender fand ich es, ausgerechnet Silas begegnet zu sein, und nun durch ihn die Möglichkeit zu haben, einen ungefilterten Eindruck der Realität zu erlangen.
»Verdienst du viel mit deinen Bildern?«, erkundigte ich mich. Ich hatte genauso wenig das Gefühl, dass es sich um eine unangebrachte Frage handelte, wie Silas die Frage zu stören schien. Im Gegenteil, er sah aus, als würde es ihm gefallen, dass ich mich für seine Kunst interessierte. Wir hatten es auf eine sonderbare Weise geschafft, so miteinander umzugehen, dass wir uns nicht scheuten, irgendwelche Fragen zu stellen, sondern dem Gefragten die volle Entscheidung überließen, welche der Fragen er beantworten wollte.
»Viel nicht gerade, aber da ich bis auf Nahrung bisher keine wirklichen Ausgaben hatte, hat es mit den anderen Sachen zusammen immer gut gereicht.«
»Was für andere Sachen?« Wenn es nach mir ginge, würden wir den restlichen Tag genau so verbringen. Es gefiel mir, wie wir uns langsam etwas besser kennenlernten, sodass sich unsere Informationen über den anderen nicht mehr nur auf Oberflächlichkeiten bezogen. Es kam mir vor, als würden wir uns schon deutlich länger kennen. Auch unser Umgang miteinander fühlte sich vertraut an, als würden wir uns seit Monaten regelmäßig treffen. Nicht, dass mich das störte, ich war es nur nicht gewohnt, so schnell einen tiefen Zugang zu einem neuen Menschen zu finden.
»Graffitis zum Beispiel. Ich mache das zwar nicht oft, aber manchmal fragen Schulen, Jugendhäuser oder ähnliche Einrichtungen an, ob ich allein oder mit ein paar Freunden Wände oder ganze Gebäudefassaden gegen Bezahlung verzieren möchten, wozu wir nicht nein sagen. Kennst du die als Dschungel gestaltete Wand der Humboldtschule?« Ich nickte, weshalb er weitersprach. »Da zum Beispiel habe ich mitgearbeitet. Ich mag solche Projekte, da sie Farbe in die Stadt bringen, ohne dass es sich um nervige Tags an irgendwelchen Hauswänden handelt.«
»Wie ist es dazu gekommen? Dass dich Schulen und so direkt fragen?«
Etwas planlos zuckte Silas mit seinen Schultern. »Ich würde mal sagen durch gemeinsame Kontakte. Angefangen hat es damit, dass die Eltern von einem Bekannten von mir Lehrer oder Pädagogen an einer Schule waren und die Idee zu so einem Projekt hatten und dabei den Bekannten um Hilfe gebeten haben. Der hat mich dann gefragt, ob ich Bock hätte sowas zu tun und danach ist es durch Empfehlungen weitergegangen.«
»Schon krass, wie sich sowas entwickelt.«
Silas nickte zustimmend, während ich mich aus meiner Decke schälte. Langsam wurde mir warm, jetzt, da ich hellwach war. Auch mein Magen deutete mir an, dass es an der Zeit war, etwas zu frühstücken, doch noch wusste ich dies gekonnt zu ignorieren. Die Unterhaltung war zu interessant, als dass ich sie an diesem Punkt abbrechen wollte.
»Ich war einfach jemand, der seinen eigenen Weg gehen wollte, und jetzt habe ich einen gut laufenden kleinen Onlineshop und kann mich größtenteils durch meine Kunst finanzieren. Auch wenn es manchmal anfangs schwer sein sollte, glaube ich fest daran, dass jeder auf eine ähnliche Art das machen kann, was er will.
Sobald man einmal damit begonnen hat, auf sich aufmerksam zu machen, ist das alles gar nicht so kompliziert. Klar, der ganze Mist mit Anmeldungen von Freiberuflern oder Gewerben und Sachen wie Krankenversicherungen sind nervig und man hat ständig das Gefühl, dass man es doch nicht hinbekommt, aber wenn man dran bleibt, wird das schon.«
Silas‘ Gesicht nahm einen leichten Rotton an, so als sei ihm klargeworden, dass er in seine Gedanken abgedriftet war und diese direkt mit mir geteilt hatte. Doch mir gefiel es, wie zuversichtlich er klang. Wie sicher er sich war, dass er einen Weg finden würde, der zu ihm und seinen Interessen passte.
Es hörte sich so einfach an und vielleicht war es das ja auch, sobald man seine Angst einmal überwunden hatte. Es gehörte eine gewisse Portion Mut dazu, seinen eigenen Weg zu gehen, doch Silas schien das beste Beispiel dafür zu sein, dass dieser Mut belohnt wurde. Der einzige Weg, herauszufinden, was für einen selbst funktionierte, war eben, es auszuprobieren.