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VII

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Eineinhalb Jahre später stand die Frau mit den glänzenden Zöpfen in einer Schlange an. Sie wohnte jetzt mit ihrem Jungen in einer Kaserne, in der Ecke eines riesigen Raums, die sie mit Decken abgetrennt hatte. Sie lebte so wie viele, die ihre Heimat verloren hatten. Ihr ursprünglicher Schmerz war abgeklungen, und die Gleichgültigkeit, die ihn verdrängt hatte, war bedrückend. Heute stand sie Schlange; heute wurden aus dem fernen Amerika geschickte Kleidungsstücke verteilt. Die Schlange wurde allmählich von dem dunklen Korridor der Kaserne geschluckt. Am Ende des Korridors öffnete sich hin und wieder eine Tür, und die Wartenden wurden in ein kleines Zimmer eingelassen. Dort lagen in Haufen Jacken und Kleider durcheinander. Mit einer Losnummer erhielt die dunkelhaarige Frau ein Bündel, das sich früher einmal Kleid genannt hatte.

Sie kehrte in ihre Ecke zurück, legte den geschenkten Schatz auf den Tisch und glättete ihn sorgfältig. Die dicke, schwere Seide gefiel ihr. Nur das Muster schien etwas zu prunkvoll. Und außerdem war das Kleid offenbar beim Versand, wie sie meinte, in der Mitte fast bis zur Taille auseinandergerissen. Gott sei Dank ließ sich dieser Mangel kaschieren. Die Frau suchte schnell aus einer Tabakdose Nadel und Faden heraus. Sie wunderte sich, dass sie sich heute zum ersten Mal geschickt und sorglos bewegen konnte. Das Fenster war geschlossen, sie öffnete plötzlich beide Flügel. Vor dem Fenster stand eine Linde, der würzige Geruch beschleunigte ihren Herzschlag.

Ach, dieser unablässige Wunsch zu leben. Es war Samstagnachmittag, gegen die abblätternden Wände schlug der Lärm des Lagers. Irgendjemand spielte auf dem Akkordeon eine polternde kleine Polka, irgendjemand spielte auf dem Platz mit lautem Geschrei Basketball, dort kreischte wahrscheinlich auch ihr Sohn herum, und an den Mauern der Kaserne rankten bis zum Dach hinauf die blechernen kleinen Ofenrohre der Lagerbewohner. Die Frau nähte schnell, nach nur einer Viertelstunde war von dem Riss nichts mehr zu sehen. Nun zog sie ihr abgetragenes graues Kostüm aus (das noch aus Litauen war) und schlüpfte in das neue Kleid. Am Fenster, neben dem Kruzifix, hing eine Spiegelscherbe. Die Frau drehte sich um sich selbst. Das Kleid war wie für sie genäht.

Ach, dieser unablässige Wunsch zu leben! Wahrscheinlich zum ersten Mal nach eineinhalb Jahren betrachtete sie sich aufmerksam. Das Gesicht der Frau kam ganz nah an die Scherbe heran. Ihre Zöpfe glänzten noch immer, ihre Augen funkelten leidenschaftlich! Nur diese winzigen Fältchen waren neu, aber sie waren im grellen Sonnenlicht nicht allzu sehr zu sehen. Sie versuchte sich selbst zuzulächeln und sah, dass ihre Lippen zittern. Sie sah sich auf die Lippen beißen, und von der Grimasse ihrer unteren Gesichtshälfte kamen ihr die Tränen. Die Frau ließ sich auf das Kasernenbett fallen. Die Tränen kamen ihr plötzlich, es waren viele, ihre Gesichtsmuskeln verkrampften sich zu einem unaufhaltsamen Tanz. Diese menschliche Maske im grellen Sonnenlicht war furchtbar und alt. Vor Tausenden von Jahren haben mit den gleichen furchtbaren Masken vor Schmerz die Urfrauen geschrien, die ihre Männer – die Beschützer – verloren hatten.

Auf dem armseligen Bett wand sich eine von glänzenden Zöpfen gekrönte Frau, und mit ihr wanden sich die üppigen bronzefarbenen Blumen, die ein wenig aussahen wie Sonnenblumen.

Apokalyptische Variationen

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