Читать книгу Wie die Sonne in der Nacht - Antje Babendererde - Страница 7
ОглавлениеDer Schein roter Flammen flackerte auf seiner nackten Brust mit den lehmigen hellen Streifen und warf seinen tanzenden Schatten auf die uralten Steinmauern. Vor langer Zeit hatten seine Vorfahren hier gelebt, gehofft und geträumt. Träume, die die Mauern nicht vergessen konnten. Pueblo Ánima war eine Wohnstatt der Geister und er war von ihren Stimmen gerufen worden. Die Ewigen Wesen verfolgten ihn in seinen Träumen, flüsterten ihm ins Ohr, wenn er schlief, und versuchten, ihn in ihre Welt zu holen, damit er die alte Ordnung der Welt wiederherstellen konnte.
Denn er war der Auserwählte, vom selben Blut wie der große Po-se-yemo, der vor Hunderten von Jahren in einer Höhle in diesen Bergen geboren war. In seiner Kindheit hatte Po-se-yemo gehungert, er war schwach und unbedeutend gewesen – so wie er selbst. Doch später hatte er die Menschen mit seiner Fähigkeit, Regen zu machen, überzeugt, und sie erkannten in ihm ihr Oberhaupt.
Po-se-yemo lehrte die Menschen die Regeln spirituellen Lebens und wie man Adobe-Dörfer baute. Als das getan war, entzündete er ein Feuer, das niemals erlöschen durfte. Wenn die Menschen diese heilige Flamme am Leben hielten – so prophezeite er –, würde er eines Tages zurückkehren, um sie von den Eindringlingen, die über das Meer kommen und das Land überschwemmen würden, zu befreien. Nur er war dazu bestimmt, die Pueblo-Völker wieder zu einem mächtigen Stamm zu vereinen.
Er legte neue Äste ins Feuer und Funken stoben bis zur mächtigen Felsdecke, die sich über die Mauern der Klippensiedlung wölbte wie eine schützende Hand. Er erhob sich und sein Schatten an der Mauer wurde größer und mächtiger, so wie er es auch bald sein würde. Es war an der Zeit, Po-se-yemos Prophezeiung zu erfüllen.
Dazu brauchte er die Hilfe von Lightning Man.
Doch der Regen-Katchina, er ruhte im Verborgenen im Pueblo der Seelen. Einem Ort, wo sich das Wissen der Ersten Alten verdichtete, ein Ort, wo Macht und Zeit zusammentrafen.
Und Lightning Man war zornig auf ihn, weil er einen Fehler begangen hatte. Er hatte getötet. Doch er hatte es für die Zukunft seines Volkes getan und manchmal waren Opfer eben erforderlich.
Ein großer Schatten tauchte hinter seinem Schatten auf und trotz des Feuers bekam er eine Gänsehaut, spürte, wie kalte Angst durch seine Adern kroch.
»Ich bringe das in Ordnung«, flüsterte er. »Ich bin deiner würdig und werde dich nicht enttäuschen. Ich schwöre, ich bringe es wieder in Ordnung, Lightning Man.«