Читать книгу Sommer der blauen Wünsche - Antje Babendererde - Страница 12

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Ein frischer Wind bläst aus Richtung Meer über die grünen Schafweiden und außer mir ist mal wieder keine Menschenseele unterwegs. Auf Höhe des Farmhauses der Campbells geht das Weidegras in Strandhafer über und der sandige Boden ist übersät von Kaninchenlöchern. Durch ihre Gänge, die in der fragilen Dünenlandschaft immer wieder zusammenbrechen, sind an einigen Stellen tiefe Schluchten entstanden.

Auf dem Kamm einer grasbewachsenen Düne hinter dem Cottage bleibe ich stehen, denn von hier oben ist der Blick über die Bucht atemberaubend. Sie erstreckt sich rechter Hand bis zum Ende der Halbinsel Faraid Head mit ihren großen hellen Sanddünen und linker Hand bis zu den schwarzen Klippen am Golfclub hinter dem Friedhof. Wolkenschatten jagen über den beinahe weiß leuchtenden Sand und auf der glitzernden Fläche des Meeres tanzen weiße Schaumkronen. Wellen brechen und zeichnen verschlungene Muster aus Licht und Schatten. Ich liebe diese Lichtspiele, jeden Tag sind sie anders.

Ein Möwenschwarm schwebt über dem Strand und ich wünschte, ich hätte die Freiheit, so zu fliegen wie sie. Der frische, salzige Wind, der vom Meer ins Landesinnere weht, greift in meine Haare. Mit geschlossenen Augen hebe ich die Arme, bewege sie wie Schwingen, als auf einmal durch das Rauschen der Brandung menschliche Worte dringen. Im ersten Moment glaube ich an eine Sinnestäuschung, doch dann öffne ich die Augen und folge den Worten, bis ich ganz nah an der Graskante über dem Strand stehe und die Stimme, die ich nun erkenne, laut und deutlich höre.

Direkt unter mir, auf meinem Lieblingsplatz, sitzt Arran in seinem Rollstuhl. Seine Rechte umklammert eine fast leere Flasche mit einem Rest bernsteinfarbener Flüssigkeit. Er trägt nur sein dünnes blaues Longshirt und schlottert vor Kälte. Von Schluchzern unterbrochen, stammelt er gälische Worte vor sich hin, abgerissene Laute, die wie ein verzweifeltes Mantra klingen.

Mein Herz zieht sich zusammen. Ich verstehe die Worte nicht, aber den Tonfall. Gebannt von seiner rauen, schmerzerfüllten Stimme, mache ich noch einen Schritt nach vorn. Da löst sich unter meinen Füßen ein Stück der Böschung, Sand und Pflanzenteile rieseln nach unten und das Mantra verstummt abrupt. Langsam dreht Arran den Kopf zu mir herauf. Scheinbar dauert es eine Weile, bis er mich durch Tränen und Alkoholnebel erkennt.

»Wie lange stehst du schon dort oben?«, fragt er mürrisch.

»Lange genug.«

»Verschwinde, okay?«

Alles an ihm ist abweisend, doch so leicht lasse ich mich nicht vertreiben. Arran ist betrunken und offenbar todunglücklich, in diesem Zustand darf ich ihn nicht allein lassen. Ein paar Meter entfernt hat sich eine Decke im blaugrünen Schottenkaro um ein Büschel Strandhafer gewickelt. Der Wind muss sie von Arran fortgerissen haben.

Ich setze mich an die Graskante und springe nach unten auf den Strand. Dann hole ich das Plaid und schüttele den Sand aus. Als ich zu Arran auf die Plattform steige, dreht er den Kopf von mir weg wie ein bockiges Kleinkind und fährt sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Ich sehe, dass sein Hemd voller feuchter Flecke ist.

»Welchen Teil von verschwinde hast du nicht verstanden, Carlin Black?«, knurrt er mit zusammengebissenen Zähnen. Seine Schultern verspannen sich, als ich ihm das Plaid umlege. Arran verströmt eine Geruchsmischung aus Schweiß, Whisky und … Thymian?

»Lehn dich mal ein Stück nach vorn«, sage ich so sanft wie möglich. Arran rührt sich nicht. Sein Gesicht ist voller grauer Schatten, die Augen sind gerötet. Ihm so nah zu sein, versetzt mein Inneres gehörig in Aufruhr, aber ich bin fest entschlossen, ihm Erste Hilfe zu leisten.

»Ich bin kein Invalide und du nicht meine Krankenschwester, okay?«, blafft er mich an.

»Okay«, seufze ich, wickele Arran so gut es geht in die Decke und stopfe sie an den Seiten fest. Er hört nicht auf zu zittern. Seine Zähne klappern und sein Atem riecht scharf nach Whisky. Plötzlich beginnt Arran zu lachen. Es ist das Lachen eines Rotzbesoffenen. Die Möwen über uns stimmen mit ihren schrillen Schreien in sein trauriges Gelächter ein.

»Kriege ich auch einen Schluck?« Ich setze mich neben Arran auf die Bank und reibe meine kalten Hände. Ich trinke keinen Alkohol, nie. Na ja, fast nie. Aber ich will an die Flasche kommen, um zu verhindern, dass der Rest auch noch in Arrans Blut landet und er hier erfriert. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund mag ich ihn nämlich. Und ein Schluck Whisky wird mich schon nicht umhauen … zumindest hoffe ich das.

Arran hält inne und sieht mich verblüfft an. Dann reicht er mir die Flasche. »Slàinte, nighean dubh. Eins zu null für dich. Übrigens: Schicke wellies.« Er grinst schief.

»Prost«, erwidere ich lächelnd und nehme einen winzigen Schluck. »Puh«, stoße ich im selben Augenblick hervor und huste. Es ist der erste Whisky meines Lebens. Er brennt sich einen Weg durch meine Kehle bis in den Magen. Von dort steigt unerwartet angenehme Wärme in mir auf.

Arran lacht mich aus, aber es liegt nichts Überhebliches in seinem Lachen. In seine Augen kommt wieder ein bisschen Leben. »Nicht übel, was? Schön torfig und salzig«, nuschelt er. »Das ist ein Talisker Dark Storm, erstklassiger fünfundvierzigprozentiger Single Malt.«

Ich habe keine Ahnung von Whiskysorten, aber Dunkler Sturm passt. »Was machst du hier, Arran? Dich zu Tode trinken?« Ich schüttele die fast leere Flasche.

»Aye.« Schlagartig verschwindet das Grinsen aus seinem Gesicht. »Zu Tode trinken mit uisge beatha, dem Wasser des Lebens. Das gefällt mir.« Arrans Akzent ist so schottisch, dass ich ihn kaum noch verstehe. Er beugt sich zu mir, zieht mir den Talisker aus der Hand, und ehe ich es verhindern kann, leert er den Rest der Flasche in einem Zug. Mit Gebrüll schleudert er sie in Richtung Meer.

Erschrocken springe ich auf, habe keine Ahnung, wie ich Arran helfen kann, der offenbar mit seinem Schicksal hadert. Mein Herz wünscht sich sehnlichst, ihn zu trösten. Aber Ma hat immer gesagt, man macht keinen Mut durch Trost. Und da ich rein gar nichts über diesen Jungen weiß, wären selbst gut gemeinte Worte eine Gratwanderung.

»Sag mir, was ich tun kann, okay?«

Arran öffnet den Mund und ich sehe in seinen Augen, was er antworten will. Schnell schüttele ich den Kopf. »Verschwinde ist keine Option.« Ich schenke ihm ein entschlossenes Lächeln.

»Ach komm schon, Carlin, tu mir den Gefallen. Ich will einfach nur alleine sein.« Die plötzliche Wärme in Arrans Stimme überrascht mich. So als würde er das Gegenteil von dem meinen, was er gesagt hat.

»Ich kenne dich überhaupt nicht«, erwidere ich. »Warum soll ich dir einen Gefallen tun?«

Arran schnaubt ungläubig. Dann hustet er, lacht und flucht, alles gleichzeitig.

»Was hast du vorhin auf Gälisch gesagt?«, frage ich. Arrans Miene verdüstert sich schlagartig. Sein Blick wird leer und jede Spur einer Regung verschwindet aus seinem Gesicht. »Tut mir leid«, stammele ich, »ich … wollte dir nicht zu nahe treten.«

In diesem Moment ruft jemand Arrans Namen. Eine Frau in Arbeitsjeans, grünen Gummistiefeln und roter Windjacke kommt über den Steg.

»Arran«, sagt die Frau ärgerlich, als sie bei uns angelangt ist. »Verdammt, ich suche überall nach dir.« Sie riecht nach Schaf und Dung. Offenbar kommt sie von der Farm.

Arran schließt die Augen und kneift seine Lippen zu einem Strich zusammen.

»Und wer bist du?«, wendet sich die Frau mit skeptischem Blick an mich.

»Carlin«, sage ich. »Silke Mackenzie aus Little Caladale ist meine Grandma.«

Das Gesicht der Frau hellt sich auf. »Mairead Campbell. Freut mich, dich kennenzulernen, Carlin. Silke hat mir von dir erzählt. Ich bin Arrans Tante.« Mairead wirft einen Blick auf ihren in seinem Rollstuhl zusammengesunkenen Neffen, stemmt die Hände in die Hüften und seufzt kopfschüttelnd. »Was machst du nur, Arran? Hast du wieder getrunken?«

»Eine ganze Flasche Whisky«, bemerke ich und verdrehe die Augen. »Er ist total hinüber.«

Arran wendet den Kopf, um mir einen vernichtenden grünen Blick zuzuwerfen. Ich hole die leere Flasche vom Strand und lege sie in seinen Schoß.

»Also dann«, sagt Mairead entschieden, »ab nach Hause mit dir, mein Junge. Besser, du schläfst erst einmal deinen Rausch aus.«

Arran erkennt offenbar, dass er gegen zwei keine Chance hat. Genervt löst er die Bremsen des Rollstuhls und rollt über den Steg in Richtung Cottage. Doch der Dunkle Sturm kreist in seinem Blut, sodass er nicht fahrtauglich ist und beinahe von den Bohlen in die Dünen kippt. Mairead und ich springen hinzu, um ihn in der Spur zu halten. Aber so betrunken Arran auch ist: Er hat Kraft und will sich nicht helfen lassen. Immer wieder legt er seine Hände an den Greifring und blockiert den Rollstuhl.

»Arran, lass das!«, schimpft seine Tante.

Er lässt los und wir kommen ein paar Meter voran, bevor er erneut an den Greifring fasst und den Rollstuhl ausbremst. »Lass es, du Idiot, oder ich rufe deinen Vater an«, ruft Mairead ärgerlich.

Ihre Androhung wirkt. Arran verschränkt die Arme vor der Brust wie ein trotziges Kind. Wortlos schiebt Mairead ihn vor die Tür des Cottage, die sich mit einem Zahlencode öffnen lässt.

»Ich gehe dann mal«, sage ich.

»Cheers, Carlin!« Mairead nickt mir zu. »Und danke für deine Hilfe. Grüß Silke von mir.«

Ich beuge mich über Arrans Gesicht und sehe ihm direkt in seine rot geränderten Augen. »Cheers, Arran.«

Er schweigt. Nur seine Mundwinkel zucken wütend.

»Ich habe Mairead Campbell getroffen und soll dich von ihr grüßen.« Gran und ich sitzen in der Küche, sie hat ein Glas Wein vor sich stehen und erledigt Papierkram. Ich trinke Tee. »Und ihren Neffen, den habe ich auch kennengelernt.«

Gran schaut mich über den Rand ihrer schwarz gerahmten Lesebrille stirnrunzelnd an. »Maireads Neffen?«

»Arran«, sage ich. »Meergrüne Augen und rote Haare.«

»Arran Mackay«, stößt Gran hervor, als würde sie den Namen des Teufels aussprechen. »Heiliger Strohsack, was will der denn hier in Caladale?«

Vor Schreck bleibt meine Hand mit dem Teebecher auf halbem Wege in der Luft stehen.

»Gib dich bloß nicht mit diesem üblen Burschen ab, Carlin«, wettert sie. »Er ist ein arroganter Mistkerl, genauso wie sein Vater, Lord Reay.«

Übler Bursche? Arroganter Mistkerl? Lord?

Ich stelle den Becher auf den Tisch und blicke Gran fragend an. Höre Arrans raue Stimme, mit der er mich nighean dubh nennt. Okay, vorhin am Strand hat er sich tatsächlich wie ein Mistkerl aufgeführt. Wie ein betrunkener, sehr verzweifelter Mistkerl. Doch ich sehe das schlotternde Häuflein Unglück in seinem Rollstuhl vor mir und denke, dass er ja durchaus Grund hat, neben der Spur zu sein.

»Der Lord ist Arrans Vater?«

Gran nickt. »Alastair Mackay, alter schottischer Adel.« Sie nimmt einen ordentlichen Schluck Rotwein »Du erinnerst dich: der hiesige Großgrundbesitzer, der sein Clanland an einen Fremden verkaufen will.«

Oje. Arrans Vater ist der Landlord. Also hat er mir auf dem Friedhof die Wahrheit erzählt – abgesehen von den Feenmärchen natürlich. Vielleicht habe ich deshalb das Gefühl, ihn verteidigen zu müssen. »Also, ich finde Arran nett.«

»Nett!« Gran stellt ihr Glas so heftig auf den Tisch zurück, dass Wein über den Rand auf die Tischplatte schwappt und sie die Papiere zur Seite schieben muss.

»Na ja … ein bisschen«, rudere ich erschrocken zurück.

Gran stößt mit einem Finger nach mir. »Dieses Wort im Zusammenhang mit Arran Mackay ist ein einziger Widerspruch. Meergrüne Augen … tsss!« Sie schüttelt den Kopf. »Lass dich bloß nicht mit ihm ein, Carlin. Bevor er nach Glasgow ging, war er der größte Herzensbrecher in der Grafschaft Sutherland und ein Raufbold noch dazu.«

Wow, denke ich. Arran scheint in der Gegend einen echt legendären Ruf zu haben. Mistkerl, Raufbold und Herzensbrecher. Das muss vor dem Rollstuhl gewesen sein.

»Woher kennst du ihn so gut?«

»Jeder hier kennt Arran Mackay, Kindchen. In seinem letzten Schuljahr war ich noch Lehrerin an der Highschool in Kinlochbervie und hatte Englisch- und Kunstunterricht in seiner Klasse. Arran ist klug, aber er war hochnäsig und rotzfrech. Von wegen Aristokratie und gute Erziehung. Trotzdem hatte er einen ziemlichen Schlag bei den Mädchen. Vermutlich wegen seiner meergrünen Augen und dem Geld seines Vaters.«

»Was ist denn mit seinen Beinen passiert?«

»Mit seinen Beinen?« Gran zieht eine Augenbraue nach oben.

»Weißt du das gar nicht?«

»Was weiß ich nicht?«

»Na ja, Arran sitzt im Rollstuhl.«

Gran schweigt eine Weile nachdenklich. Schließlich sagt sie:

»Dann stimmt es also, dass er seit dem Unglück querschnittsgelähmt ist und nicht mehr laufen kann. Ein paar Leute aus Caladale meinen, es geschähe ihm recht.«

»Was?« Entgeistert starre ich Gran an. »Das ist ja abscheulich. Wie kann man so etwas auch nur denken?« Ich muss tief Luft holen. »Was für ein Unglück? Was ist ihm denn passiert?«

»Ich habe dir doch von dem Unfall mit dem Müllwagen erzählt, bei dem der junge Crofter gestorben ist, Finlay Morrison. Fin war in Glasgow, weil er Arran dort besucht hat. Zu Schulzeiten waren sie Freunde.«

Oh. Mein. Gott. Kalte Finger umklammern mein Herz und drücken zu. Arran hat etwas Furchtbares erlebt und ich fühle mich wie betäubt von seinem Unglück.

»Fin«, sagt Gran kopfschüttelnd, »er war ein guter Junge. Ein echter Morrison, immer höflich und hilfsbereit. Hat sich um seinen kranken Vater, seine Mum und die Croft gekümmert. Seit seinem tragischen Tod ist die Familie am Boden zerstört.«

Der gute Junge ist tot, denke ich, und der üble Bursche hat überlebt. Keine leichte Bürde für Arran Mackay, der in seinem Rollstuhl und in diesem hübschen Cottage in den Dünen festsitzt.

Gran schaut an mir vorbei aus dem Fenster. »Ich frage mich, was Arran in Caladale will. Der Sprössling des Lords hat sich hier seit Jahren nicht mehr blicken lassen. Und er wohnt auf der Farm, sagst du?«

Ich zucke die Achseln. Mir ist klar, dass ich vor Gran besser nicht zu viel Interesse an Arran Mackay zeigen sollte, doch ich kann einfach nicht aufhören, sie über ihn auszuquetschen. »Leben Arrans Eltern in Glasgow?«

»Nein. Seine Lordschaft hat ein schickes Jagdhaus in den Bergen.« Gran fuchtelt mit ihrer linken Hand in Richtung Westen. »Aber er zieht es vor, in London zu leben. Ein, zwei Mal im Jahr kommt er hier rauf, um die Pacht von den Croftern zu kassieren oder mit seinen englischen Freunden Hirsche und Moorhühner zu jagen. Absentee Landlord, nennt man das, abwesender Landbesitzer. Arrans Mutter ist schon seit acht Jahren tot. Catriona Mackay ist beim Schwimmen in der Bucht ertrunken, das war, kurz bevor ich hergezogen bin. Die Leute munkeln, sie hätte sich das Leben genommen, weil sie unglücklich war in ihrer Ehe mit dem Lord.«

Ich grabe meine Schneidezähne in die Unterlippe, bis es schmerzt. Es ist noch furchtbarer, als ich dachte. Eine Welle des Mitgefühls für Arran überrollt mich. Am liebsten würde ich auf der Stelle noch einmal losgehen und an die rote Tür des Cottage klopfen. Denn mir scheint, er kann einen Freund ebenso gut gebrauchen wie ich. Aber ich fürchte, damit wäre Gran ganz und gar nicht einverstanden.

In meinem Zimmer fahre ich den Laptop hoch und gebe Arran Mackay in die Suchmaske ein. Zuerst erfahre ich, dass Arran eine kleine Insel vor der Westküste Schottlands ist. Dann finde ich drei Einträge seines Namens auf Facebook, aber keiner davon gehört zu meinem Arran. Einer ist ein berühmter Fußballspieler, der zweite ein verheirateter Mann, der dritte Arran Mackay ist eine junge Frau.

Der zukünftige Lord Reay scheint nicht in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Auf Wikipedia finde ich neben dem Tartanmuster und dem Wappen auch das Motto des Clans Mackay: Manu forti! – Mit starker Hand. Und ein Foto von Vater und Sohn bei einem Clantreffen, beide in voller Montur: Tartan mit Felltasche, Weste und Stricksocken. Arran mit kurzem Haar und ernstem Gesicht. Da muss er dreizehn oder vierzehn gewesen sein.

Mir kommt eine Idee und ich klicke mich durch die Schulwebseite der Highschool von Kinlochbervie. Tatsächlich werde ich fündig. Ein Videoclip von Arran Mackay. Darauf ist ein Junge mit windzerzausten blonden Haaren zu sehen, der auf einer Wiese neben einem Steinhaufen steht und sich als Finlay Morrison vorstellt. Er lädt seine Zuschauer auf eine kleine Zeitreise ein. Zurück in die Steinzeit, dann Eisenzeit, Römerzeit, die Wikinger, die Highland Clearances und schließlich begibt er sich wieder in die Gegenwart und die Zukunft. Das Video geht nur fünfzehn Minuten, aber ich bin beeindruckt, wie lebendig und anschaulich die lange, wilde Geschichte dieses Landstriches in so kurzer Zeit geschildert wird.

Ich suche weiter auf YouTube und dort hat ein Arran Mackay etliche Tiervideos eingestellt. Ich klicke mich durch spielende Seeotter, silbern schimmernde Seehunde, die sich in einer kleinen Bucht sonnen, springende Lämmer und den Flug großer Möwen. Die Filme sind nicht länger als drei oder vier Minuten, aber sie fangen die Tiere in ihrem Wesen wunderbar ein und mir ist klar, dass der Filmer dazu viel Geduld und Liebe gebraucht hat. Leider sind sämtliche Videos älter als drei Jahre und mehr finde ich nicht über Arran.

Als ich eingerollt in meinem Bett liege, kreisen meine Gedanken um den bevorstehenden Landverkauf. Caladale hat sich längst in mein Herz genistet. Ich liebe alles hier und hege die Hoffnung, auch in Zukunft immer mal wieder Zeit bei Gran zu verbringen. Aber was, wenn Caladale dann nicht mehr derselbe Ort ist?

Sommer der blauen Wünsche

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