Читать книгу Sommer der blauen Wünsche - Antje Babendererde - Страница 9
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»Radio Scotland« berichtet über den Brexit, Fischfangquoten, über unbeständiges Wetter und ansteigenden Temperaturen. Gran und ich frühstücken zusammen, danach fährt sie zu ihrer Minischule nach Durness, wo der Unterricht um neun Uhr beginnt. Um neun! Dreizehn Kinder in zwei Klassenräumen. Was für ein idyllisches Schüler- und Lehrerleben.
Gleich nachdem Gran fort ist, rufe ich Dr. Heller an, die Psychiaterin meiner Mutter im St. Hedwigs Krankenhaus in Berlin. Sie ist eine gute Ärztin und ich vertraue ihr. Denn Dr. Heller will das Beste für meine Mutter, aber auch für mich. Sie hatte mir geraten, für eine Weile zu meiner Oma nach Schottland zu ziehen, und hat dafür gesorgt, dass das Jugendamt einwilligt. Ich frage sie nach Ma.
»Mach dir keine Sorgen, Carlin«, sagt sie, »deine Mutter ist hier in guten Händen.« Das heißt: Ma geht es nicht gut. Was zu erwarten war. Es dauert mindestens drei Wochen, bis die Antidepressiva anfangen zu wirken.
Ob Dr. Heller inzwischen weiß, was ich getan habe?
Als Ma das erste Mal sagte, ich wäre ohne sie vermutlich besser dran, war ich zu Tode erschrocken. Ein paar Tage später stand sie auf dem Balkon und starrte sehnsuchtsvoll in die Tiefe. Ich hatte den sozialpsychiatrischen Dienst gerufen, aber Ma hatte die Ärztin bloß ausgelacht. Unten, auf der Straße, hatte Dr. Heller sich Zeit genommen und mir erklärt, dass die bipolare Störung meiner Mutter ein herzloses Ungeheuer mit zwei Gesichtern ist. Eines, das auch mich verschlingen kann, wenn ich nicht auf mich achtgebe.
»Ich will dich nicht anlügen, Carlin, aber wenn deine Mutter ihre Tabletten nicht nimmt, kann sie Dinge tun, die sie eigentlich nicht will«, hatte sie gesagt. »Trotzdem darf ich sie nicht gegen ihren Willen in die Psychiatrie einweisen. Das kann ich nur dann, wenn eindeutig feststeht, dass sie eine Gefahr für sich selbst oder für andere darstellt.«
Ma hatte mir das mit dem sozialpsychiatrischen Dienst übel genommen. Ob ich wirklich ins Heim will, hatte sie mich gefragt. Danach hatte sie ein paar Wochen lang ihre Tabletten genommen und alles lief gut. Bis sie wieder das Gefühl überkam, nicht mehr sie selbst zu sein und nicht mehr malen zu können. Für Ma zählt nichts außer Leidenschaft. Sie muss brennen, sonst fühlt sie sich tot. Also hörte sie irgendwann auf, ihre Tabletten zu nehmen, und alles begann wieder von vorn.
Ich weiß, Ma liebt mich. Und auch wenn es in den vergangenen drei Jahren durchaus manchmal Gründe gab, daran zu zweifeln, hätte sie mir nie auch nur ein Haar gekrümmt. Jedenfalls nicht absichtlich. Aber in ihrer letzten manischen Phase – wir wollten endlich zusammen für ein Wochenende an die Ostsee fahren – hat meine Mutter mit hundert Sachen auf der Landstraße plötzlich den Rückwärtsgang eingelegt. Und zwar, weil wir gerade an einem abgestorbenen Baum vorbeigerast waren, der ihr gefiel und den sie unbedingt malen wollte.
Wir überschlugen uns einmal und blieben auf dem Dach liegen. Zum Glück ist, abgesehen von ein paar leichten Blessuren, keinem von uns beiden etwas passiert. Aber das Auto musste verschrottet werden und aus dem Ostseewochenende wurde natürlich nichts.
»Gib ihr und dir Zeit«, bittet mich Dr. Heller. »Deine Mutter geht gerade einen steinigen Weg und es wird Rückschläge geben. Aber sie ist stark.«
»Hat sie nach mir gefragt?«
»Noch sagt sie nicht viel.«
»Ma braucht mich«, sage ich mit bebender Stimme.
»Nein, Carlin. Wir haben oft genug darüber gesprochen. Du willst sie retten, aber das kannst du nicht. Das kann nur sie selbst. Wir helfen ihr dabei und kümmern uns gut um sie. Ich melde mich bei dir, wenn es Veränderungen gibt, okay?«
»Ja … okay. Sagen Sie ihr, dass ich an sie denke.«
»Das mache ich.«
Ich lege auf und atme tief durch. Lege mein Berliner Leben ab wie ein Kleidungsstück, das mir nicht mehr gefällt. Dass ich aber auch nicht wegwerfen kann, weil ich es irgendwann wieder anziehen muss. Doch daran will ich jetzt nicht denken.
An diesem Vormittag statte ich dem Plastic Bay Studio einen Besuch ab, das von Jon und Jenny betrieben wird, zwei jungen Engländern, die beschlossen haben, dem quirligen London den Rücken zu kehren und in der Einsamkeit zu leben. Sie sammeln regelmäßig die Strände der Umgegend nach Plastikmüll ab, aus dem sie Dinge herstellen, die in Meeresfarben leuchten. Bunte Seifenschalen, Uhren, Mobiles oder Plastikfliesen. Im Sommer bieten sie Plastikworkshops für Touristen an.
»Wenn du also Plastikmüll findest am Strand, dann weißt du, wo du ihn loswerden kannst«, sagt Jenny. Sie hat lockiges mahagonifarbenes Haar und üppige Kurven. Ich schätze sie auf Ende zwanzig, genauso wie Jon, einen riesigen Kerl, der mit seinem Bart und seinem Zopf ein wenig aussieht wie Jason Momoa aus Game of Thrones.
»Wenn du Lust hast, kannst du ja mal mitfahren, wenn wir die Strände um Kinlochbervie absuchen«, schlägt er vor.
»Ich bin dabei.« Ich gebe Jon meine Handynummer und mache mich wieder auf den Weg, denn als Nächstes will ich das alte Pfarrhaus in Augenschein nehmen, das auf dem Foto so riesig ausgesehen hat und von dessen Existenz man innerhalb der Kolonie überhaupt nichts ahnt.
Vom letzten Haus am westlichen Ende der Künstlerkolonie führt ein gepflasterter Pfad an einer efeubewachsenen Mauer entlang, die das Old Manse umgibt. Am Ende der Mauer stoße ich auf eine weiße Holzpforte, die mit einem Riegel verschlossen ist. Dahinter verläuft die Old Manse Road, ein grasbewachsener, von Steinmauern gesäumter Weg nach Kinlochbervie, einem rund zwanzig Kilometer entfernten Ort an der Westküste mit einem kleinen Fischereihafen und einer Highschool.
Bunte Hennen staksen pickend und gackernd durchs Gras. Zottelige schwarzgesichtige Mutterschafe mit ihren Lämmern stehen auf dem Weg und glotzen mich an. Die Lämmer sind süß, aber als ich auf sie zugehe, laufen sie blökend davon.
Aus einem der Schornsteine des alten Pfarrhauses – einem großen, einstöckigen Gebäude mit vier Giebeln, diversen Anbauten und alten Sprossenfenstern – steigt Rauch und in der Luft liegt ein schwerer, brandiger Geruch. Einziger Schmuck an der grau verputzten Fassade, die in Richtung Berge weist, ist der weiße, pavillonartige Wintergarten mit allerlei grünen Pflanzen darin. Neugierig laufe ich die Mauer entlang bis zu einem verwitterten Gartentor aus Eisen und plötzlich steht die Frau wie aus dem Nichts vor mir. Wildes silbergraues Haar wogt um ihren Kopf, ihr Gesicht ist dunkel und zerfurcht wie eine Walnuss.
»Hallo … ähm … guten Tag«, stottere ich und denke: Mitja hat recht, sie sieht wirklich aus wie eine Hexe.
Die Alte fasst sich ans Herz und schnappt nach Luft. Sie starrt mich aus weit aufgerissenen hellblauen Augen an, als wäre ich ein Geist, und stolpert zwei Schritte rückwärts. Dabei stößt sie gegen einen Zierstein und fällt mit einem heiseren Schrei rücklings ins Gras.
Oh mein Gott. Das Tor quietscht wie ein Möwenschrei, als ich es aufschiebe und mit zwei Schritten bei ihr bin. »Haben Sie sich wehgetan?« Ich gehe neben der Alten auf die Knie. Sie trägt einen bunt gewebten Schal über einem langen Rock und ihre Füße stecken in schief getretenen Lederschuhen. Die Kleidung wirkt ein wenig verwahrlost, aber die Augen der Frau sind klar und ihr blauer Blick ist durchdringend.
»Ishbel?«, fragt sie mit wackliger Stimme.
Ich reiche ihr beide Hände und sie ergreift sie. Ihre Hände sind knochig und von Altersflecken übersät, aber überraschend warm und kräftig. »Nein, ich bin Carlin, Carlin Schwarz. Die Enkelin von Silke Mackenzie.« Muffiger Geruch steigt aus den Kleidern der Frau und ich frage mich, ob es jemanden gibt, der sich um sie kümmert, oder ob sie ganz allein in diesem riesigen Haus wohnt. »Können Sie aufstehen, wenn ich Ihnen helfe?«
Sie nickt und ich ziehe sie vorsichtig auf die Beine. Ihr Körper ist leicht wie ein dürres Stück Holz. »Soll ich nicht doch lieber Hilfe holen?«
Die Alte schüttelt den Kopf. »Ich brauche keine Hilfe, mir geht es gut.« Doch sie lässt mich nicht los.
»Es tut mir leid, dass ich Sie so erschreckt habe, das wollte ich nicht.« Auf einmal fühle ich mich unbehaglich unter ihrem eindringlichen Blick. Aber noch wage ich es nicht, ihr meine Hände zu entziehen, aus Angst, sie könnte wieder umfallen, wenn ich loslasse.
»Schon gut, Mädchen. Du hast mich nur an jemanden erinnert, den ich vor langer Zeit gekannt habe.« Ihre Augen bekommen einen feuchten Schimmer. »Carlin, sagst du?«
Ich nicke.
»Ich bin Brigid, Brigid Munro.« Endlich lässt sie mich los, aber nur um ihre erdverschmierte Hand zu heben, als wolle sie mein Gesicht berühren.
Unter dem Wirbel an verwirrenden Gefühlen, der die alte Frau und mich auf einmal umgibt, halte ich die Luft an. Der Blick aus diesen klaren blauen Augen dringt haltlos in mein Inneres und mein ganzes Wesen offenbart sich ihr. Fast meine ich, warme Finger auf meiner Haut zu spüren, doch Brigid lässt ihre Hand wieder sinken, ohne mich tatsächlich berührt zu haben.
Mittlerweile kommt mir das alles schräg vor. »Ich … muss jetzt gehen.« Ich flüchte vom Grundstück der seltsamen Alten und mache erst halt, als ich unten am Meer stehe und das Rauschen der Wellen mich auf andere Gedanken bringt.
Als Gran am Nachmittag von der Arbeit kommt, ist sie abgespannt und ihr Knie schmerzt. »Na, wie war dein Tag, Kleines?«
Ich koche uns einen schwarzen Tee, den wir im Wohnzimmer trinken, und erzähle ihr von meiner Begegnung mit Brigid Munro. »Gibt es denn jemanden, der sich um sie kümmert?«, will ich wissen. »Die alte Lady kommt mir ein bisschen verwahrlost vor.«
»Geordie Mackinnon aus dem SPAR bringt ihr regelmäßig Lebensmittel und zweimal im Monat schaut Peggy, die Gemeindeschwester, vorbei. Aber sonst, nein. Ein paar von uns kaufen Eier bei ihr, aber die meisten Einheimischen meiden sie. Brigid hat schon immer sehr zurückgezogen gelebt, was die Fantasie der Dorfbewohner angefeuert hat.«
Gran erzählt mir, dass sich jede Menge Gerüchte um die alte Frau ranken. »Einige behaupten, sie sei reich und hätte haufenweise Geld im Haus versteckt. Andere meinen, sie wäre eine Cailleach, eine Hexe.« Gran amüsiert sich über mein Gesicht. »Hier in Caladale passiert nicht viel, Schätzchen, also denken sich die Leute Geschichten aus. Das war vor Hunderten Jahren schon so. Jedenfalls ist vor ein paar Jahren jemand nachts ins Old Manse eingebrochen und seitdem lässt Brigid – abgesehen von Peggy – niemanden mehr ins Haus. Sie ist damals schlimm gestürzt und hat lange im Krankenhaus gelegen.«
»Sie hat mich Ishbel genannt«, sage ich, »das war seltsam.«
»Ishbel?« Gran mustert mich mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Ja. Als ich ihr aufgeholfen habe, hat sie mich angesehen wie einen Geist und Ishbel zu mir gesagt. Gleich darauf hat sie sich entschuldigt und gemeint, ich hätte sie an jemanden erinnert, den sie vor langer Zeit gekannt hat.«
»Malcolms jüngere Schwester, deine Großtante Ishbel …«, erwidert Gran nachdenklich. »Sie ist irgendwann in den Fünfzigerjahren nach Amerika ausgewandert.«
»Lebt sie noch?« Ich wusste gar nicht, dass mein Großvater eine Schwester hat, und die Aussicht auf schottische Verwandtschaft macht mich neugierig.
»Tja, keine Ahnung. Sie hat den Kontakt zu ihrer Familie damals völlig abgebrochen. Aber wer weiß, vielleicht haben die beiden Frauen sich ja gekannt. Möglich wäre es.«
Gran holt ein altes, in braunes Leder gebundenes Fotoalbum aus ihrem Zimmer, das wir uns zusammen ansehen. Es beginnt bei der Hochzeit von Malcolm Mackenzies Eltern und mir wird bewusst, dass mein Vater eine deutliche Ähnlichkeit mit seiner Großmutter Annagh hat. Dieselben großen Augen und das kräftige schwarze Haar. Aber Gran und ich schlucken beide geräuschvoll, als wir auf ein Foto der achtzehnjährigen Ishbel stoßen. Ich bin ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.
»Das erklärt wohl, warum Brigid so erschrocken war«, bemerkt Gran. »Wenn sie Ishbel gekannt hat, dann muss sie geglaubt haben, ein Geist stehe vor ihr.«
»Weißt du denn gar nichts über deine Schwägerin?«
»Nein. Malcolm hat kaum über seine Schwester gesprochen. Was seltsam war, denn ich hatte immer das Gefühl, er vermisst sie.« Ich schaue mir Ishbel noch einmal genauer an. Sie hat dieselben, weit auseinanderstehenden hellen Augen wie ich, denselben Mund, sogar den gleichen skeptischen Gesichtsausdruck, den ich aus dem Spiegel kenne.
»Verrückt, oder?«, meint Gran.
Allerdings. – Ob Brigid Munro mir etwas über meine Großtante erzählen kann? Denn dass Ishbel den Kontakt zu ihrer Familie völlig abgebrochen hat, macht mich neugierig.
»Tut mir leid, Kleines, dass ich mich im Moment nicht mehr um dich kümmern kann«, holt Gran mich aus meinen Gedanken. »Wenn Ferien sind und mein Knie wieder in Ordnung ist, werden wir zusammen etwas unternehmen, das verspreche ich dir. Wir fahren in die Berge und nach Cape Wrath. Besichtigen die Smoo Cave und fahren zum Shoppen nach Inverness.«
»Mach dir um mich keine Gedanken, Gran«, beruhige ich sie mit einem Lächeln. »Hier gibt so viel zu entdecken für mich, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.«
Auf einer alten Wanderkarte zeigt mir Gran, wo ich gefahrlos entlanglaufen kann, und sie markiert ein paar sehenswerte Orte. Die Reste eines steinzeitlichen Rundturmes am Faraid Head, eine kleine Bucht, in der ganzjährig Robben zu sehen sind, und die Überreste einer Felsenfestung aus der Eisenzeit, die von den Wikingern zerstört wurde. Ich nehme die handliche Karte an mich, voller Neugier auf all diese Orte. Doch insgeheim wünsche mir sehnlichst, es gäbe jemanden, mit dem ich sie gemeinsam erkunden kann.
»Du brauchst auf jeden Fall wellies«, bemerkt Gran, »daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Am besten, wir fahren gleich mal zum SPAR und kaufen dir welche.« In Schottland heißen Gummistiefel wellies und tatsächlich wäre es praktisch, welche zu besitzen.
Der kleine Supermarkt in Caladale ist höchstens anderthalb Kilometer entfernt, aber es regnet, also steigen wir in Grans Skoda und sie lenkt ihn in Richtung Dorf. Vor der zur Bootswerkstatt umfunktionierten Kirche lädt ein graubärtiger Mann in Arbeitskluft Farbeimer von einem zerschrammten Kleinlaster. Den Regen scheint er überhaupt nicht wahrzunehmen, Grans Skoda dagegen schon. Er winkt uns und Gran winkt zurück. Eine zarte Röte überzieht ihr Gesicht.
»Hast du einen Verehrer?«, frage ich amüsiert.
»Das war Gavin MacLeod«, antwortet Gran. »Er repariert alles.« Es klingt nicht so, als wolle Gran mehr über den Mann preisgeben, und ich hake nicht weiter nach.
An der pinkfarbenen Bushaltestelle in der Mitte des Dorfes steht der Schulbus und Jungen und Mädchen in Schuluniformen steigen aus. Weiße Poloshirts, marineblaue Hosen oder Röcke und flaschengrüne Strickjacken. Der Nieselregen scheint ihnen nichts auszumachen. Ein Mädchen sticht aus der Schülergruppe hervor. Ihr Kopf ist umgeben von wilden Korkenzieherlocken. Schottenhaar, karottenrot. Sofort kommt mir Merida in den Sinn, die tapfere Disney-Prinzessin aus meinem Lieblingsfilm, als ich acht oder neun war, mit der ich damals gerne befreundet gewesen wäre.
»Das ist der Schulbus aus Kinlochbervie«, erklärt Gran und biegt auf einen kleinen Parkplatz.
Der SPAR-Laden ist in der Hand der Familie Mackinnon und hat alles vorrätig, was man zum Leben braucht. Von den Lebensmitteln des täglichen Bedarfs, über Zeitschriften, Batterien, Heftpflaster, Wäscheleinen, Regenjacken, Windeln, Schraubenzieher, Wandersocken und Campingbedarf bis zu wellies, von denen Gran mir ein Paar kauft, obwohl ich heftig protestiere. Rosa glitzernde Prinzessinnengummistiefel, andere gibt es nicht in meiner Größe.
Der Ladenbesitzer Angus Mackinnon, ein grimmig aussehender Mann mit schütterem Haarkranz und unglaublich großen Segelohren, wechselt kaum ein Wort mit uns. Sein Sohn Geordie hat die Ohren von seinem Vater geerbt, aber zum Glück nicht dessen Unfreundlichkeit.
Als ich mich überwinde und ihn nach Tampons frage, die ich auch bei meinem dritten Rundgang nicht finden kann, läuft sein Gesicht rot an und er beginnt zu stottern. Dann führt er mich um ein Regal herum und zeigt verschämt ins unterste Fach. Ich bedanke mich lächelnd, da lächelt er auch, immer noch puterrot im Gesicht.
»Ich glaube, Geordie mag dich«, neckt mich Gran, als wir den Laden verlassen. Es hat endlich aufgehört zu nieseln. Neben ihrem Skoda parkt ein schlammbespritzter, verbeulter Land Rover. Davor lehnt ein junger braunhaariger Typ mit Undercut und wuscheligem Pony, der sich mit einem älteren Mann in Arbeitskluft unterhält.
»Glaub mir, Scobie«, sagt Wuschelpony, »diesmal meint das Arschloch es ernst. Seine Lordschaft will uns das Land unterm Hintern weg verschachern und dann können wir alle hier einpacken.« Ich habe Mühe, ihn zu verstehen, so stark ist sein breiter Dialekt.
»Weißt du, wer der Käufer ist, Pat?«, fragt der Alte grummelnd. Bartstoppeln zieren sein Kinn und ihm fehlen ein paar Zähne im Unterkiefer. »Hab gehört, er will einen Freizeitpark aus unserem jahrhundertealten Weideland machen.«
»Aye, das hab ich auch gehört. Wird irgend so ein stinkreicher Snob sein, der nichts anderes als die Jagd im Sinn hat. Von wegen Freizeitpark.«
Als wir ins Auto steigen, nicken uns beide einen Gruß zu und die Blicke des jungen Typen verfolgen mich, bis ich eingestiegen bin. »Wen meint er mit Seine Lordschaft?«, frage ich, als Gran den Wagen wieder in Richtung Künstlerkolonie lenkt.
»Alastair Mackay, den Grundbesitzer, dem hier in der Gegend große Landgüter gehören. Er will seine estates an einen Wildfremden verkaufen und das wird eine Menge Ärger in Caladale geben. Alastairs Pächter hoffen seit Jahren darauf, sich endlich von ihrem Landlord freikaufen zu können.«
Landlord? Freikaufen? Ich kann kaum glauben, was ich da höre. Bin ich hier etwa im finsteren Mittelalter gelandet?