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Küchengeist

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Ich sehe zu Ihr auf. Sie steht an der Spüle und wäscht Essenstöpfe ab. Ich rieche mein Essen, das dort oben auf dem Küchenschrank steht. Der Geruch von Fleisch und gekochten Kartoffeln wabbert bis zu mir runter, vermischt mit dem Geruch des warmen Spülwassers aus dem Edelstahlbecken. Ich höre das Knistern der auf dem Wasser platzenden Schaumblasen. Dein Essen ist noch zu heiß, sagt sie, während sie ihren rechten Zeigefinger in die warme Masse drückt und anschließend die Hand wieder ins Spülwasser taucht. Ich fiepe kurz auf vor Anspannung, Speichel sammelt sich in meiner Schnauze. Sie stellt einen großen glänzenden Edelstahltopf auf die Abtropfblechriffel der Spüle. Ich kann mein Essen nicht sehen, ich bin zu klein. Meinen Kopf in den Nacken gelegt, meine Ohren seitlich abstehend, versuche ich mit glänzenden Augen zu erfassen was oben so vor sich geht. Ein großer blanker Deckel wird gegen den Topf gelehnt. Weißer Schaum läuft wie Sabber vom gewölbten Deckel runter. Ich scanne jede ihrer Bewegungen genau ein. Mein kleiner Kopf geht wie beim Betrachter eines Tennismatch von links nach rechts und wieder zurück, so wie sie mit ihrer vom Waschwasser schrumpeligen Hand weitere Töpfe und Deckel schrubbt und sie nacheinander aus dem Becken holt. Auf dem Topf-Deckel-Turm am Spülbeckenrand legt sie zum Abschluss ein Tassenhandtuch.

So, es ist fertig, sagt sie, während mein Essen an ihrer Hand nach unten schwebt. Ich trippele ungeduldig hin und her um zu sehen, wo mein kleiner Napf auf den Fliesen landen wird.

Und während ich meine rosa Zunge in die auf meinem Essen lecker duftende Flüssigkeit tauche, streicht sie hauchzart mit ihrer Hand über meinen Kopf und verlässt die Küche. Unbeirrt davon sehe ich nicht auf, sondern schlabbere konzentriert die warme würzige Flüssigkeit auf, bis ich mit meinen Zähnchen die ersten festen Essensbrocken zu fassen bekomme. Ich hebe kauend meine Schnauze, damit die Stücke nach hinten rutschen und ich sie schlucken kann. Stecke meine Nase wieder in den Napf und greife mit meinen kleinen Zähnchen das nächste saftige Stück Fleisch. Meine Schnurrbarthaare streifen dabei über den kleinen Napfrand. Essenströpfchen bleiben an den Tasthaaren hängen. Es gibt nur mich und das Essen, der köstliche Geschmack auf der Zunge wenn ich das Essen im Maul zerbeiße, die Duftmoleküle die explosionsartig dabei auf meinem Gaumen freigesetzt werden, um meine Nase tänzeln, sich in meinem Fell absetzen. Herrlich.

Es rappelt, es scheppert, es knallt und poltert. Metall trifft auf Metall. Rutschende, schleifende Geräusche über den feuchten Beckenrand rutschendes Metall, hohe Töne vom Beckenboden wieder aufspringender Deckel werden von den steilen Seiten des Metallbeckens reflektiert und schließlich von den tiefen Poltertönen der schweren Töpfe erdrückt.

Panisch springe ich vom Napf weg, ein Dröhnen hallt in meinem Kopf, schrilles Kreischen in meinen Ohren, der Kopf scheint platzen zu wollen. Ich wetze los, weg vom Küchengeist, kriege gerade soeben auf allen Vieren rutschend die Kurve übers Esszimmerparkett und bleibe verängstigt im Wohnzimmer stehen.

Sie geht in die gefährliche Küche, kommt im nächsten Moment wieder und sieht mich an. Alles an mir drückt Angst aus. Meine Rute zwischen meinen Oberschenkeln geklemmt, mein Kopf nach unten geneigt, mit hängenden Lefzen und mit hängenden Ohren schaue ich sie aus großen Augen von unten blickend an. Sie redet beruhigend auf mich ein, ich soll ihr in die Küche folgen. Sie geht vor, ich komme aber nicht nach. Da gehe ich nicht wieder rein. Sie kommt unversehrt aus der Küche zurück, schaut mich mit gerunzelter Stirn an. Dann holt sie meinen Napf aus der Küche und stellt ihn auf halben Weg zu mir auf den Esszimmerboden ab. Er ist noch halbvoll, das rieche ich. Unsicher gehe ich da rauf zu, stecke meine Nase rein und sehe dabei in geduckter Haltung vorsichtig in Richtung Küche. Mein Herz puckert noch wie wild, mein Hals wirkt wie zugeschnürt, ich schmecke kaum was ich esse.

Aber es bleibt ruhig. Zaghaft fresse ich den Rest.

Am nächsten Tag gehe ich mit ihr zusammen in die Küche, sie redet mit mir, macht sich einen Kaffee, rührt mein Essen aus dem Kühlschrank mit warmen Wasser an, stellt es auf dem Fußboden ab und geht raus. Sie will mich doch wohl nicht alleine lassen. Ich gehe ihr hinterher. Sie geht wieder in die Küche zurück. Sie setzt sich auf einen Holztritt, ihren warmen Kaffeebecher mit beiden Händen festhalten, erzählt sie mir was. Sie schaut mich fragend an und dann meinen Fressnapf. Ok, denke ich, das geht. Ich fange an zu fressen. Sie sitzt dicht neben mir, der Kaffee aus ihren Becher auf ihren Knien dampft vor sich hin. Sie nimmt kleine Schlucke Kaffee und beobachtet mich. Ich passe auf das sie dableibt. Es bleibt ruhig.

Auch am dritten Tag kam der Geist nicht wieder. Sie setzt sich nur noch kurz zu mir auf ihren kleinen Holzhocker. Es ist Ok. Ich habe keine Angst mehr.

Der Geist ist weg.

Gismo, Frauchen und der Rest der Welt

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