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Erste Gartenfreuden

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Ich beobachte jede ihrer Bewegungen und mir ist dabei ein bisschen langweilig. Denn ihre ganze Aufmerksamkeit ist auf die Gartenerde im Beet gerichtet. Sie hockt dort und gräbt mit einer kleinen grünen Schaufel runde Löcher. Die Sonnenstrahlen erwärmen den Boden und entlocken ihm den Geruch von feuchter Erde, saurem Torf und getrocknetem Rinderdung. Von den beiseite geschoben Holzhäckseln flirren Holzstaubfusseln im Sonnenlicht. Mit jeder ihrer Handbewegungen in der Erde wirbeln neue Kombinationen von Erdduftaromen um Holzstaubteilchen herum.

Mit der linken Hand drückt sie jetzt mehrfach kurzzeitig einen Plastikpflanzentopf zusammen, an dem sich noch hartnäckig ein Wurzelgewirr festklammert. Mit ihrer rechten Hand zieht sie die endlich befreite Pflanze aus dem Behältnis um sie dann umgehend in die Erde zu stecken. Nach dem ein Spalier an Pflanzen den Weg in die Erde gefunden hat, schiebt sie mit hohlen Handflächen Erde in den Rändern der Pflanzenkrater und gießt Wasser nach.

Ich fange an in meiner Umgebung zu schnuppern, aber Nichts was ich nicht schon x-mal gerochen habe. Mit meiner rechten Pfote schrappe ich gelangweilt etwas Holzhäcksel von der schwarzen Erde. Und was ist: Ich befreie tausende neue Duftmoleküle aus dem Untergrund. Jetzt kratze ich vorsichtig etwas tiefer, und wieder: Neue erdige Düfte umwabern meine feuchte Nase, kribbeln mir in den Nasenhöhlen, steigen mir in meine Gedankenwelt. Süßliche Gerüche in warmen Farben gemalt, umkreisen bittere Gerüche in dunklen kalten Tönen. Schwarze Erdkrümel bleiben an meinem weißen Pfotenfell und unter meinen Krallen kleben. Ich lege jetzt einen Gang zu. Ich kann nicht genug bekommen. Meine beiden Vorderläufe rotieren, meine Pfoten holen abwechselnd wie kleine Baggerschaufeln die Erde aus dem Untergrund hoch, um sie in hohen Bogen nach hinten zu befördern. Ich bin hochkonzentriert, schaufele, presse meine Nase ins Erdloch, grunze kurz, schaufele weiter. Der Rhythmus meiner eigenen Bewegung, die Düfte, die wild durcheinanderwirbeln, meine losgelassene Energie berauschen mich. Nichts nehme ich mehr wahr als das Farbspektakel das mir die Gerüche malen.

N-E-I-N. Hör auf, schallt es mir ins Ohr.

Sie stupst mich an. Eben noch selber Löcher gegraben, hält sie mich jetzt von meinem ab. Ich versuche sie zu ignorieren. Was ich hier mache ist mir wichtig, damit kann ich nicht einfach aufhören.

N-E-I-N. Jetzt reicht es aber, sagt sie laut, in meine Richtung.

Ich grabe weiter. Zu dem Buddelspaß bekomme ich jetzt endlich die vorher vermisste Aufmerksamkeit.

N-E-I-N. Nein. Nein, sagt sie und greift mir von oben beidhändig unter meinen kleinen stämmigen Brustkorb. Ich drücke mich flach auf den Boden, so schnell gebe ich nicht auf. Sie bekommt mich trotzdem zu fassen, schiebt ihre Finger weiter unter meinen Rumpf und hebt mich ruckartig hoch. Blöd, ich sehe von oben mein schönes Werk, an dem ich nicht mehr arbeiten darf. Schwarze Erdkrümel lösen sich aus meinem glatten Fell und trudeln über meine selbstgegrabene Kraterlandschaft in der von Duftmolekülen getränkten Luft nach unten. Sie setzt mich ein Stück weiter unsanft auf den Boden ab. Mit schief geneigtem Kopf sehe ich zu, wie sie mein Werk zerstört. Sie versucht die aufgeworfene Erde vom Mulch zu trennen und in den Krater zurück zu schieben. Während sie mit ihren Händen die Erde glättet, knabbere ich abwechselnd an meinen beiden Vorderpfoten. Mit Zähnen und Zunge sollten die schwarzen Erdklumpen zwischen meinen Zehen rauszubekommen sein. Mein Blick fällt dabei auf mattbraunweiße Kugeln unterschiedlichster Größe. Ich tapse ihnen entgegen, schnuppere ihren zwiebeligen Geruch, sehe die strukturierte Schalenoberfläche die oben in einem Zipfel endet, gegenüber sitzen die Wurzeln wie eine dunkle fette Spinne. Ich packe mit meinen Greifzähnen nach diesem ballartigen Wesen.

N-E-I-N. Nein, höre ich, und PLONK, PLONK, PLONK vom leeren Plastiktopf der neben mir auf der Erde aufschlägt und noch ein Stückchen weiterhüpft. Erschrocken lasse ich die Blumenzwiebel fallen. Sie kullert noch ein Stückchen, bis Frauchen sie aufhebt und mit gerunzelter Stirn die Löcher in der neu geschaffenen Bowlingkugel betrachtet. Sie kuckt mich sauer an, es wäre wohl ein teures Zwiebelgewächs geworden, hätte ich nicht eingegriffen. Ganz aus Holland hatte es den Weg bis hierher geschafft. Aber kurz vorm Erdloch war die Reise für die Zwiebel ungewollt schon zu Ende.

Ignorieren Teil 1:

Sie versucht die letzten seltenen Zwiebeln sicher im Blumenbeet unterzubringen. Sie sieht mich nicht mal mehr an. Ignorieren ist hart. Die gemeinste Strafe. Sie ist nicht mehr so ruhig. Gartenarbeit entspannt, lässt einen abschalten, aber das wird heute nichts mehr. Während sie konzentriert damit beschäftigt ist, mich nicht zu beachten, sehe ich konzentriert auf die Windungen des dünnen Blauregenstammes. Wie eine Bohnenranke hat sich der fingerdicke Stamm um einen Holzpfosten geschraubt, um ihn vielleicht irgendwann mal zu erwürgen. Eigentlich ist es noch kein richtiger Stamm und die Rinde ist noch eher eine braungrüne Haut. Der Zwiebelgeschmack kribbelt mir noch auf meiner rosa Zunge und meine kleinen nadelspitzen Milchzähnchen wollen gefordert werden. Ich fange an vorsichtig an die Haut der Glyzinie zu knabbern, neige meinen Kopf, halte die Augen geschlossen. Ich spüre die kühle glatte Rindenoberfläche auf meiner Zunge, wie sie sich vom Stamm löst, die raueren Bastfasern der Rindenunterseite, die Feuchtigkeit der verwundeten Holzfasern darunter.

A-U-S, hallt es in meinen Ohren. Ich werde von der Seite angeknufft. Erschrocken, wie aus einem Traum erwacht, zucke ich zusammen. Das darf ich also auch nicht. Doof. Sie nimmt mich hoch, öffnet die Kellertür und setzt mich auf den kalten Fliesen ab. Die Tür schlägt laut zu, ich bin alleine drinnen. Ignorieren Teil 2 beginnt:

Sie ist jetzt alleine im Garten. Ich sehe mich hier drinnen mal um, leider sehe ich aber nicht was sie draußen macht. Das ist auch eine Strafe. Ich kann ihr Tun nicht mehr kontrollieren. Sie ignoriert mich einfach. Mist. Ich drehe der Tür den Rücken zu. Oh, das ist die steile Treppe. Ich hüpfe die Stufen hoch, oben ist die Tür auf. Super! Ich trabe ins Wohnzimmer und springe beschwingt auf den Sofahocker vor dem bodentiefen Fenster. Warme Sonnenstrahlen scheinen mir ins Gesicht, während ich von oben entspannt auf ihren gekrümmten Rücken schaue. Ich lasse meine rosa Zunge raushängen und genieße das Leben. Mit Baumharz und Bast wickelt sie die halblosgerissene Haut am Stamm der Glyzine wieder fest, konzentriert versucht sie die Fummelarbeit so hinzukriegen das die Pflanze meine Zuwendung überlebt.

Minuten vergehen. Ich habe mein Reich, mein Rudel, mein Frauchen im Blick. Irgendwann sieht sie auf, spürt meinen Blick, sieht in meine Richtung. Ich grinse sie an. Ich glaube sie mag mich.

Gismo, Frauchen und der Rest der Welt

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