Читать книгу Gismo, Frauchen und der Rest der Welt - Antje Denker - Страница 9
Socke
ОглавлениеMir ist langweilig. Ich sitze unter dem riesigen Schreibtisch und warte. Meinen Bürostuhl musste ich leider hergeben. Darauf hat jetzt ein Architekt Platz genommen. Sie reden schon eine ganze Weile, sehen sich konzentriert bunte Pläne auf den PC-Bildschirm an. Keiner nimmt Notiz von mir. Normalerweise döse ich auf meinen Stuhl, begleitet vom dumpfen Klackern der Tastatur. Oder beobachte wie sie die Maus hin- und herschiebt, während das Flimmern des Bildschirms Muster auf ihrem Gesicht malt und ihre Brille das Licht widerspiegelt. Sie nennt das dann Arbeiten.
Komm, sagt sie, wir müssen jetzt arbeiten. Dann trabe ich vor, hoppele die Treppe runter zum Büro und setze mich auf meinen Chefsessel. Selbst wenn die Putzfrau da ist, mit dem Staubsauger alles bearbeitet, bleibe ich dort sitzen. Ich lege meine Schnauze auf die Holzlehne und beobachte gewissenhaft das staubfressende Ungetüm, wie es mit quietschenden Lauten über den Boden schleift. Ich nehme meinen Job ernst.
Mein Zeitgefühl sagt mir, das bald Mittagspause ist. Ich schaue von meinem Posten unterm Tisch hoch, beobachte die beiden. Kurzes Fiepen von mir. Null Reaktion von den Beiden. Ok, dann nicht. Ich sehe mich gelangweilt um, die Tür zum Flur steht einen breiten Spalt weit offen. Dann gehe ich mal alleine los. Ich wackele durch die Tür, bin im Flur, wo auch mein Schlafplatz ist. Hmm, ein aromatischer Geruch zieht mir in meine empfindliche Nase. Ich schaue noch mal zurück. Die quatschen immer noch. Mit dem Lautgesumme ihrer Stimmen im Hintergrund, tapse ich in Richtung des angenehmen Geruchs. Gegenüber der Treppe steht eine Tür auf und mir wabbern Duftmoleküle entgegen. Dann bin ich im Hauswirtschaftsraum, nicht gerade mein Lieblingsplatz. Hier wohnen der Staubsauger und noch andere Maschinen, die fiese polternde oder jaulende Geräusche von sich geben. Aber jetzt schlafen sie. Oh, da kommt der Duft her. Eine Plastikklappbox. Genau meine Höhe. Ich stecke meinen Kopf rein, tauche meine Nase in den Haufen dunkler Arbeitssocken. Inhaliere. Göttlich, welch ein Geruch. Ich schnappe mir eine. Halte sie am Zehenende mit meinen kleinen Schneidezähnen fest. Vorsichtig ziehe ich das verschwitzte Stoffding über die Plastikkante. Es bleibt etwas widerspenstig hängen. Mit einem Ruck habe ich es aus der Box befreit. Toll, die Beute muss ich Frauchen präsentieren. Stolz erhobenen Kopfes trage ich die Beute, versuche mit meinen Vordertatzen nicht auf das am Boden schleifende Sockenende zu treten. Da liegt das schlaffe Ding jetzt auf meiner runden Teppichinsel im Büro. Ich warte. Keiner von ihnen kuckt unter den Schreibtisch. Ich trabe noch mal los, zielgerichtet steuere ich die Wäschebox an. Es sind noch reichlich Herrenarbeitssocken da. Ich arbeite den Haufen ab. Jede einzelne ziehe ich raus, schleife sie durch den Flur, lege sie zu der ersten. Ein dunkler göttlicher Haufen schlaffer gut durchgezogener Socken. Ich setze mich stolz zum Sockenberg, halte eine der Baumwollsocke mit meinen Vorderpfötchen fest und sabbere genüsslich drauf rum.
Der Mann steht endlich auf, sie rollt mit ihrem Stuhl nach hinten und erblickt meine stolz dargebotene Ausbeute an köstlich duftender Socken. Ihhhh, nee, muss das sein, Gismo, das ist ja widerlich, sagt sie und schaut mich an. Ich glaube sie freut sich. Ich grinse sie an.
Meinen schönen Sockenberg, den ich so gewissenhaft zusammen getragen habe, nimmt sie mit beiden Händen auf und trägt ihn zurück zur Wäschebox. Selbst meine liebevoll nass gesabberte Socke lässt sie mir nicht da. Ich schaue zu wie sie die dunklen Baumwollsocken in die Box stopft und anschließend die Tür hinter sich zu zieht. Sie will die aromatische Sammlung also für sich behalten. Socken die 12 Stunden in Sicherheitsschuhen durchgeschwitzt wurden sind eben was Besonderes. Ok, sie ist der Chef. Sie bestimmt, ob und wann ich was abbekomme. Die waren ja auch echt lecker vom Geruch.
Dann sind wir endlich draußen, laufen unsere Mittagsrunde.
Frauchen:
Nachdem sich eine Kundin fast auf dich raufgesetzt hat, habe ich Bürostühle dazu gekauft. Jetzt darfst du immer auf deinem Chefsessel sitzen bleiben.