Читать книгу Gismo, Frauchen und der Rest der Welt - Antje Denker - Страница 7
Regelkatalog
Оглавление- Menschenregeln
Regel 1: Der Hund darf nicht ins Bett.
Regel 2: Der Hund darf nicht auf das Sofa.
Regel 3: Der Hund darf nicht am Tisch betteln.
- Hunderegel 1,2 und 3: Ich kriege alles was ich will, irgendwann.
Sie liegt im Bett. In der Menschenschlafhöhle im Dämmerlicht. Für Hunde ist der Zutritt nicht gestattet. Sie schnieft schon eine ganze Weile vor sich hin. Herrchen ist ratlos. Draußen ist es mittlerweile helllichter Tag. Sie hat mir mein Frühstück gegeben und ist dann wieder in die Schlafhöhle verschwunden. Ich bin auch ratlos. Wer geht jetzt mit mir meine Schnüffel-Pipi-Kack-und-Hundekumpels-Treffen-Runde und wenn das mit ihr schlimmer wird, wer gibt mir dann was zum Fressen.
Ok, manchmal ist sie gemein, sie zieht mir schmerzhaft die Zecken aus der Haut, oder duscht mich im Bad ab, wenn ich mich draußen so schön einparfümiert habe. Einmal hat sie mir sogar ein Fieberthermometer in den Hintern gesteckt.
Herrchen hebt mich an und setzt mich am Fußende auf dem Menschenbett ab. Da bleibst Du jetzt, sagt er und verlässt den Raum. Was ist das denn, hier durfte ich nie rauf. Die Decke ist kuschelig weich. Unter meinem Körper bildet sich sofort eine warme Mulde. Es riecht nach abgestandenem kalten Tee mit Honig, nach ihrem Menschenschweiß, nach Grippe. Sie niest und ich erschrecke mich. Das muss ich mir genauer ansehen. Vorsichtig wate ich über ihre Bettdecke in Richtung des Niesgeräusches. Unter jedem meiner Pfoten sinkt das flauschige Ding eine Beinlänge nach unten und wölbt sich an allen Seiten nach oben hoch, sodass ich ihr rotes Gesicht nicht mehr sehen kann. Endlich beim Kopfkissen angekommen, finde ich eine wilde Anzahl schnotterverklebter Stofftaschentücher und ihr verquollenes Gesicht vor. Ihre Augenwinkel sind gelb verklebt, die Nasenränder rotwund und die blonden Haare liegen fettig in allen Richtungen auf dem Kissen, ein paar kleben in ihrem Gesicht. Ich stupse sie mit meiner feuchten kalten Nase an. Ein heiseres - Lass Das – kommt aus ihrem Mund. Mit ihrer verschwitzten Hand schiebt sie mich auf die Deckenmitte zurück. Sie liegt auf der Seite, aus ihrer Nase kommen leise Blasen-Plopp-Geräusche, bis sie geräuschvoll in eines der Stofftaschentücher schnäuzt.
Ich kuschele mich an ihrem Bauch, liege dort mit meinem Rücken längsseit wie ein Mensch. Ich spüre mein Herz unter ihrer rechten Hand schlagen, die auf meinem Brustkorb ruht. Ich höre ihr Herz, das langsamer als meines schlägt. Sie ist eingeschlafen. Langsam robbe ich zum Kopfende, ohne mich ganz aufzurichten. Jetzt liegt mein Kopf inmitten der Taschentuchsammlung. Ihr angestrengter Fieberatem pustet mir leicht über mein rechtes Ohr. Ich bleibe so liegen. Ich genieße das federweiche Kopfkissen, es ist noch weicher als die große Bettdecke. Ihre Atemgeräusche, ihre Körperwärme, das weiche Nest, mir fallen die Augen zu.
Ich wache auf. Wo bin ich? Ich hebe meinen Kopf aus der weißen weichen Wolke. Ich höre hinter mir ein Atmen. Ich winde mich aus dem Kissenungetüm. Versuche die Balance auf dem weichen Grund zu halten, während ich mich zu ihr umdrehe. Ihre Augen sehen zugeklebt aus. Die Nase ist komplett verstopft und die Lippen sind weißrissig, warmer feuchter Atem kommt aus ihrem halbgeöffneten Mund, an ihrer Wange klebt das sabbergetränkte Kopfkissen, zusammen mit einzelnen Haarsträhnen. Ich schaue mir das mal genauer an. Wie kriege ich die jetzt wach, ich muss mal raus. Ich beuge mich mit meinem Kopf über ihr Gesicht. Meine Hundenase knapp über ihrer Menschennase. Meine Hundeaugen über ihre geschlossenen Menschenaugen. Ich starre sie an. Stehe reglos auf dem Kopfkissen und versuche ihr mit meinem Willen eine Nachricht zu schicken. Mensch, ich muss mal. Himmelblaue Augen starren mich plötzlich an. Super, die verklebten Augenlieder haben es nach oben geschafft. Sie gibt ein kurzes quiekendes Geräusch von sich. Hund, hast Du mich erschreckt, kommt es heiser aus ihrem trockenen Mund.
Die Tür wird von Herrchen geöffnet. Ich soll mit ihm spazieren gehen. Das habe ich noch nie gemacht, das kann nicht richtig sein. Wir stehen jetzt gemeinsam in der Schlafzimmertür und versuchen Ihr zu erklären warum das nicht geht. Eine Leine verbindet meine fast schon 20cm Höhe mit seiner 1,80m Größe. Beide fixieren wir mit unseren Augen das Häufchen Elend im Bett. Der will nicht, sagt er. Richtig erkannt, ich will nicht. Sie verdreht ihre blauen Augen, zieht die Decke über ihr vom Kissen zerknautschtem Gesicht und schließt die Vorstellung mit einem krampfartigen Hustenanfall ab.
Ich verankere meine Pfoten mit schierer Willenskraft fest auf den Boden, stelle mich breitbeinig hin und lasse mein Gewicht nach hinten fallen, als er an der Hundeleine zerrt. Ich halte den Kopf schräg, versuche ihn aus meinem Halsband zu winden und verdrehe dabei meine Augen vor Anstrengung Herrchen dabei noch im Auge zu behalten.
Er kramt in seiner Jackentasche und holt ein kleines Stück Wurst mit Schinkenaroma hervor. Langsam kommt das Stückchen immer näher, bis es knapp vor meiner Nase ist und ich doch nicht widerstehen kann. Der Speichel läuft mir in meiner Schnauze zusammen. Um das Stück zu fassen, muss ich meine Antihaltung aufgeben. Lecker. Ich habe das Stück Wurst aus seiner großen Hand geschnappt und kaue genüsslich darauf rum. Ich rieche, er hat noch mehr in seiner großen Jackentasche. Mal sehen, was ich machen muss, um da ran zu kommen. Er geht los, halbherzig wackele ich hinterher, Schinkenaroma kitzelt meine sensible Nase.
Unterwegs mit meinem Wackelgang und seinem skeptischen Blick auf mich, treffen wir meine Hundekumpels mit ihren Leinenhaltern. Das ist doch Gismo, oder? Läuft der nicht sonst immer mit einer Frau mit. Herrchen antwortet brummelnd auf die Frage der Leinenhalter.
Frauchen:
Dass aus euch beiden später mal die dicksten Kumpels werden, hätte ich zu dem Zeitpunkt nicht gedacht.