Читать книгу Gismo, Frauchen und der Rest der Welt - Antje Denker - Страница 8
Staubsauger
ОглавлениеIch habe meine interessant riechende Beute im Vorgarten gefunden. Die Waldohreulen in der Buche über mir habe ich gar nicht wahrgenommen. Sie sitzen weit oben und machen immer einen halbverhungerten Eindruck, wenn der Wind durch ihr Gefieder pfeift.
Mit Stolz erhobenen Haupt, das gefundene Gewölle in meiner Schnauze trabe ich ins Wohnzimmer. Super, mich hat keiner gesehen. Vorsichtig beschnuppere ich das graue Fellknäuel, lege es mir auf dem glänzenden Parkettboden mit meinen Schneidezähnchen zurecht, und pule es mit den Zehen meiner Pfoten auseinander. Alle Teile müssen genau untersucht werden, bleiche Mauseknöchelchen, klitzekleine Zähnchen und zerknautschte Fellreste verteile ich beim Hin- und Herschieben sauber um meinen Liegeplatz, um ausgiebig an jede Kleinigkeit zu schnuppern. Welch ein Duftgenuss.
Dann kommt sie um die Ecke, dreht wieder um und kommt mit einem Plastikhandfeger und einer Handschaufel zurück. Sie fegt mein schönes mühsam zurecht gelegtes Werk mit den schwarzen Borsten dieses Minifegers in die Schaufel. Die Borsten streifen das Fell meiner Vordertatzen, während ich zusehen muss, wie die bleichen Knochen und die grauen Fellstücke auf die blaue Schaufel gefegt werden und aus meinem Blickfeld verschwinden. Ich weiche nach hinten aus. Definitiv, ich mag keine Besen.
Dann höre ich ein rhythmisches Brummen, das sich nähert. Ein breites eckiges Maul mit tausend schwarzen Borsten, ein elendig langer Hals an einem plumpen runden Körper, angebunden an einem schwarzen Kabel, rollt um die Ecke und dringt in meine ‚Chill-out-Area’ ein. Das gelb-schwarze Ungetüm saugt alles in sich rein. Meine Karotten Raspeln, von mir übersehene Chipsreste, einfach alles wird mit röhrendem Brummen gefressen, zurück bleibt ein übler verbrauchter Plastikluftgeruch. Das Ding wird noch von meinem Herrchen zurückgehalten. Er scheint es gerade so unter Kontrolle zu haben. Er hat es am Hals gepackt, aber das Maul streift über meinen Liegeplatz auf dem Boden, ignoriert mich, saugt gierig die schönen Duftmoleküle des Eulengewölles ein und kommt meinem Sofahocker immer näher. Zuckt zurück und wieder vor. Ich beobachte, lass meinen Kopf vom Hocker runter hängen, bloß das Ding nicht aus den Augen verlieren. Ich habe meine Stirn gerunzelt, abwechselnd heben sich meine hellen Fellmarkierungen über meine dunkle Augenmaske. Es rollt zügig auf mich zu, obwohl Ich in der erhöhten Position bin. Quietschende Schleifgeräusche. Ich ziehe die Lefzen zuckend über meine beeindruckenden Fangzähne hoch. Mit einem tiefen Geräusch aus meinem Körperinneren drohe ich dem aggressiven Ding. Es weicht zurück. Es kommt wieder. Mir sträuben sich meine Nackenhaare. Jetzt steckt es sein großes Maul in meine kleine Höhle unter dem vom Sofa eingerahmten niedrigen Stubentisch. Markiert alles mit seinem warmen Plastikgeruch, lässt keine Ecke aus. Mir reicht es. Das ist mein Revier. Mit einem wütenden Grrrr springe ich vom Hocker, will meine Fangzähne in den Hals schlagen. N-E-I-N. A-U-S. Ich zucke erschrocken zusammen, als der Befehl in meinen Ohren hallt. Weiche zurück. Ich bin beleidigt, das ist mein Revier. Ich habe die älteren Rechte. Vor mir hat noch nie Jemand unterm Stubentisch gewohnt. Warum darf DER das. Zieht meine Haare aus den Polsterfasern. Darf überall rauf. Ich darf das doch auch nicht. Beleidigt lasse ich meine Rute und meine Ohren hängen. Noch über meine Schulter zurückblickend, schleiche ich wie ein Verlierer vom Staubsauger weg in die Küche.
Ich schlabbere geräuschvoll Wasser aus meinem Napf. Das Brumm-Quitsch-Geräusch verstummt. Ich trotte zurück, schaue um die Wandecke. Das Ding ist weg. Endlich. Ein leichter Plastikgeruch markiert noch, wo das Wesen war, sogar auf meinem Sesselhocker. Ich springe zurück auf meine letzte Position, bevor das Ungetüm alles übernahm. Wenn Der noch mal kommt, blüht Dem aber was. Freunde werden wir in diesem Leben bestimmt nicht mehr. Ich wühle mich in eine neu hingelegte und frisch gewaschene Wolldecke, wälze mich mit meinem Widerrist und meiner Kruppe meines Rückens, das meine flusigen Haare nur so fliegen, hinterlasse meine Duftstoffe von meiner Haut in dem Polster und der Decke. Überschreibe mit meinem Hundegeruch die penetranten Waschmittelduftstoffe und den fiesen Staubsaugergeruch. Glatte Haarborsten bohren sich tief in das Polstergewebe. Das ist mein Revier, alles klar, denke ich, umhüllt von meiner eigenen Haar-Duft-Wolke.
Sie kommt um die Ecke, schaut mich an, versucht die Wolldecke unter mir wieder gerade zu ziehen. Gibt dann aber auf. Hartnäckig bleiben die Deckenfalten unter meinem Körper, fixiert durch meinem Gewicht, liegen. Sie krabbelt auf allen vieren an mir vorbei, um auf ihren Platz auf dem Sofa zu gelangen. Gemeinsam schauen wir eine Tierdoku auf dem Flachbildschirm an. Ich robbe mich auf den Rücken liegend zufrieden auf Ihren Schoß und ‚chill’ ne Runde.