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Kirche: Ja zu Ethikunterricht, aber nur als Ersatz

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Kirche und Politik konnten sich dieser Entwicklung auf Dauer nicht verschließen. Denkwürdig wurde das Treffen der katholischen Schulamtsleiter und einiger Bischöfe im Stift Aigen-Schlägl vom 14. bis 16. Juni 1993, an dem eine oft zitierte Erklärung beschlossen wurde. Es sei zwar nicht die primäre Aufgabe der Schulamtsleiter, „einen solchen Ersatzunterricht einzufordern“, der aber „im Interesse einer humanen Gesellschaft gelegen sein muss“, sodass „kirchlicherseits … die Bereitschaft zu einem konstruktiven Dialog in dieser Frage jederzeit gegeben (ist).“

Ausdrücklich beharrten Kirchenvertreter darauf, Ethikunterricht nur als „Ersatzfach“ gelten zu lassen. Als der Wiener Stadtschulpräsident Kurt Scholz im Jahre 1996 diesen Unterricht als „Alternative“ andachte, handelte er sich Unmut ein, speziell vonseiten des Erzbischöflichen Amtes für Erziehung und Unterricht: „Uns ist wichtig, dass es Ersatzfach genannt wird. Dann sind wir dafür, dass jene Schüler, die sich vom katholischen Religionsunterricht abmelden, dieses andere Pflichtfach besuchen müssen.“33 Die Bezeichnung „Ersatzfach“ ist symptomatisch für den Hegemonialanspruch der Kirche in ethischer Bildung. Wer spielt schon gern Ersatz? Dieser Anspruch ist umso problematischer, als viele ethische Standards der Moderne – etwa Gewissensfreiheit – der Kirche abgetrotzt werden mussten. Und „Ersatzfach“ – worauf die der Kirche nahestehende ÖVP bis heute drängt – ist insofern problematisch, als Ethik Religion weder ersetzen kann noch will. Und: Ethikunterricht kann für jene Schüler unmöglich ein Ersatz sein, die bekenntnisfrei sind.

In der Folge forderten Kirchenvertreter vom Staat ausdrücklich, sich um die ethische Bildung jener SchülerInnen zu bemühen, die nicht in Religion unterrichtet werden. Allen voran der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl, der sich in einem Streitgespräch mit Heide Schmidt darüber „wunderte“, warum der Staat, obschon durch den Zielparagraphen dazu verpflichtet, sich nicht um die ethisch-religiöse Bildung dieser Jugendlichen kümmere.34

Wie reagierte der Staat, speziell das von der ÖVP geführte Unterrichtsministerium? Zurückhaltend. Beim Symposium „Religionsunterricht mit Zukunft“, das vom 13. bis 14. März 1995 in St. Virgil bei Salzburg stattfand – kurz bevor die Affäre Groër alles überschattete –, verlautbarte Ministerialrat Jonak, Ethikunterricht sei für das BMUK „derzeit kein Thema. Solange die Bischofskonferenz nicht einstimmig entsprechende Forderungen erhebt, wird das BMUK nicht von sich aus tätig werden.“35

Die verfahrene Pattsituation demonstriert, wie sehr die ÖVP diesbezüglich auf die Kirche hörte, ja ihr geradezu hörig war. Freimütig bekannte Erhard Busek, der zwischen 1994 und 1995 Unterrichtsminister war, damals sei die Partei kurz davor gestanden, den Ethikunterricht in ihr Grundsatzprogramm aufzunehmen. Doch dann brach die Affäre Groër über die Kirche herein, nachdem der frühere Hollabrunner Internatszögling Josef Hartmann glaubwürdig berichtet hatte, wie sehr er von seinem früheren Religionslehrer sexuell missbraucht worden war, der ihn angeblich in Intimhygiene instruieren wollte. Auf dem Höhepunkt der Diskussion – an der sich einer nicht beteiligte: Kardinal Groër – „wurden diese Fragen – so Busek – gestrichen, um nicht eine weitere innerkirchliche Diskussion zu eröffnen“.36

Der Ethikunterricht in Österreich

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