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EL DORADO

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El Dorado.

Goldland.

Noch immer hat das Wort nichts von seinem wundersamen Reiz verloren.

Noch tritt auf dem großen Passagierschiff ein junger Arzt in die Nacht hinaus, die Augen geblendet von den Lichtern des Ballsaals, seine Gedanken swingen im trunkenen Takt der Jazzband, ihm ist, als wäre er als einzig Lebender einem rauschenden Fest von Schaufensterpuppen entkommen.

Er beugt sich über die Reling und kühlt seine Schläfen im Nachtwind. Ein immer wieder aufleuchtendes Licht aus einem der Bullaugen wirft bizarre Blitze auf die dunklen Wellen.

Goldadern in Granit.

El Dorado.

Im Brausen der Wellen vernimmt der junge Arzt den fernen Gesang der Bukaniere, den der Nachtwind aus vergangenen Jahrhunderten mit sich führt.

Tagsüber sitzt er in seiner Kabine und stellt auf geschmackvollem Schiffspapier Rezepturen zusammen, für amerikanische Damen, die an der Seekrankheit leiden, oder für ältere Herren mit Leberbeschwerden.

Nachts, wenn die Jazzband verstummt und der Seewind wieder zu hören ist, wenn aus dem Rauchsalon nur noch das heisere Gezeter einiger betrunkener Plantagenbesitzer zu ihm dringt, erwacht in seinem Herzen der Wahnsinn von El Dorado.

Nachts vergisst er sein adrettes Hemd, seinen Smoking, seinen Stand.

Dann fühlt er sich seinen Vorfahren nahe, den wilden Räubern, die in den Schiffsräumen Gold stapelten, den Abenteurern, den Pfundskerlen, den Sklavenjägern.

Unter der grauen Asche des alltäglichen Trotts glüht im Herzen eines jeden jungen Weißen der Wahnsinn, das fiebrige Verlangen nach El Dorado.

1499 erreichten Alonzo de Hojeda und Juan de la Coasa die Küste von Guyana. Etwa zur selben Zeit entdeckte Pinzon die Mündung des Amazonas und den östlichen Teil Guyanas. Das Gerücht verbreitete sich, dass es tief im Inneren ein Land mit unermesslichen Reichtümern an Gold und Edelsteinen geben soll, und dass der Ufersand eines unendlich großen Sees, Parima genannt, gänzlich aus Goldstaub bestehe.

Angelockt von diesen Gerüchten unternahm Domingo de Vera 1593 eine Fahrt nach Guyana, das er am 23. April 1594 mit einem feierlichen Festakt für Spanien in Besitz nahm. Anführer und Soldaten knieten vor einem Kreuz nieder und sandten ein Dankgebet zum Himmel. »Dann nahm Domingo de Vera eine Tasse Wasser und trank sie aus, er nahm eine zweite und goss sie über den Boden aus, so weit er nur konnte, zog sein Schwert und schnitt das Gras um sich herum sowie einige Baumzweige, während er sprach: Im Namen Gottes nehme ich dieses Land in Besitz für Seine Majestät Don Philipp, unseren legitimen Herrscher!«4

Dies nur als ein erstes Beispiel für den Missbrauch des Namen Gottes im kolonialen Trauerspiel. Später wurde in christlichen Büchern oft behauptet, der Neger sei kein Mensch, weil der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen wurde, und Gott diesen Schriftgelehrten zufolge nicht schwarz sei …

Lasst uns an dieser Stelle, als Neger, versichern, dass auch wir nicht glauben, nach dem Abbild eines Gottes geschaffen zu sein, dessen Segen von den Weißen jener Tage immer dann erbeten wurde, wenn sie sich Land, Leib und Gut von den farbigen Völkern aneigneten.

Die hohen Erwartungen der spanischen Goldsucher haben sich nicht erfüllt. In der Annahme, dass in den Küstengebieten kein Gold zu finden sei, weil es die Eingeborenen im Landesinnern versteckt hätten, zogen die Weißen mit gezückten Waffen durch das Binnenland und ließen dort, wo sie auf Widerstand trafen, Bluthunde los, deren Namen in die Geschichte eingegangen sind.

Doch El Dorado haben sie nicht entdeckt.

Dafür rächten sich die Abenteurer bitterlich an den Eingeborenen, beraubten sie ihrer Freiheit und legten sie in Ketten, zwangen sie zur Arbeit, geißelten und misshandelten sie.

Und als sich die eingeborene Rasse als zu schwach erwies, die Schätze heranzuschaffen, von denen die Weißen in ihrem Wahn gemeint hatten, sie seien zum Greifen nahe, als sie zu Tausenden unter den Schlägen und Misshandlungen starben, da erinnerte man sich auch in Suriname an den Rat von Las Casas5, lieber aus Afrika eine stärkere Rasse als die indianische zu holen.

In dieser Zeit entstand der Sklavenhandel.

In diesen Tagen wurden die ersten unserer Vorfahren nach Suriname verschifft.

In diesen Tagen nahm die Sklaverei in Suriname ihren Anfang. Der eine Herrscher verjagte den anderen – doch jeder neue Herrscher, der den Besitz der Niederlassungen anderer Europäer mit Gewalt an sich nahm, begann mit der feierlichen Erklärung, dass auch unter der neuen Herrschaft das Recht auf Eigentum, also das Recht auf den Gebrauch und Missbrauch des lebendigen Besitzes, auf den Kauf und Verkauf unserer Väter und Mütter, von Gottes Gnaden sei und beibehalten werde.

Wir Sklaven von Suriname

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