Читать книгу Wir Sklaven von Suriname - Anton de Kom - Страница 18
IN SKLAVEREI
Оглавление»Ich (Pinson Bonham) habe 21 Jahre in Westindien verbracht, und in jeder Kolonie habe ich immer wieder gehört, was für eine sehr schwere Strafe es für einen Neger sei, an einen Plantagenbesitzer in Suriname verkauft zu werden. Und nun erachte ich, dass dies die Wahrheit ist.«11
»Ich bin noch in keiner Kolonie gewesen, wo die Sklaven so schlecht behandelt wurden, so schlechte Nahrung und so ärmliche Kleidung erhielten, und wo sie doch zu so schwerer Arbeit gezwungen wurden, die ihre Kräfte übersteigt.«12
Briefe von Bonham an Earl Bathurst
Jahrhundertelang haben sich weiße Religionsgelehrte daran abgearbeitet, zu beweisen, dass die Sklaverei Gottes Wille sei – »es ist zweifellos die Absicht der Vorsehung, dass das afrikanische Volk Diener sein soll und in Unterwerfung gehalten wird.« Denn so stehe es doch in der Heiligen Schrift: »Verflucht sei Kanaan, der niedrigste Knecht sei er seinen Brüdern.«13
Zudem bezeugte der hochwürdige Herr Johan Picardt, im Leben Pfarrer zu Coevorden: »Diese Menschen« (die Afrikaner, die er als Nachfahren von Ham und zur Sklaverei bestimmt sieht) »sind von solcher Natur / wenn man ihnen die Freiheit zurückgäbe / oder Barmherzigkeit hegte / würden sie doch nichts taugen / und könnten nicht über sich gebieten: doch schlägt man ihnen andauernd mit Rohrstöcken auf die Lenden / und verabreicht ihnen allen eine Tracht Prügel ohne Gnade / so kann man gute Dienste von ihnen erwarten: also besteht ihr Wohlstand in der Sklaverei.«14
Tatsächlich zeigten sich die Früchte der »Tracht Prügel« in den satten Gewinnen, die Suriname in jener Zeit den Weißen einbrachte.
1730 gab es rund 400 Plantagen, auf denen Zucker, Kaffee, Kakao, Tabak und andere Kulturen angebaut wurden. 1749 wurden über 30 000 Pfund Tabak nach Holland geschickt und im Jahr darauf konnte eine einzige Plantage etwa 20 000 Pfund Baumwolle und 50 000 Pfund Kaffee verschiffen.
Die Zahlen sprechen für sich.
Und dennoch erkühnten sich fromme Pfarrer zu behaupten, dass »es der Vorsehung doch behagt hat, dieses Geschlecht (die Neger) vor Jahrhunderten zur Sklaverei zu verurteilen«. Hat es die Vorsehung wirklich gewünscht, dass die Sklaverei in Suriname solche Zeichen von barbarischer Grausamkeit aufwies?
Alle Arbeit in Suriname wurde unter dem Antrieb von Schlägen verrichtet. Welche anderen Anreize hätten die Sklaven gebraucht, um ihre Aufgaben anständig auszuführen? Lohn gab es nirgendwo in Suriname, es sei denn, die elenden, von Ungeziefer verseuchten Bruchbuden oder die dürftige Nahrung würde man als solchen betrachten. Auch kannte der Sklave nicht das wohltuende Gefühl, seine Familie mit seiner Arbeit zusammenhalten zu können, denn schon morgen könnte sein Herr sie trotz aller Schufterei aus einer Laune heraus auseinanderreißen. Es könnte ihm in den Sinn kommen, die Frau, die Kinder oder ihn selbst an einen Kollegen zu verkaufen, oder, was auch vorkam, beim Würfeln zu verspielen.
Die Sklaven, unsere Väter, mühten sich auf den Feldern ab, um den Reichtum der Weißen zu vermehren. Auf den Zuckerplantagen, wo sich die Sklaven abplagten und ums Leben kamen, standen die Europäer mit der Peitsche hinter ihnen, bereit, bei der kleinsten Verzögerung ihre nackten Körper zu strafen. Oft kam es in der Erntezeit vor, dass ihnen nicht einmal die Nachtruhe vergönnt war.
Auf den Holzplantagen schufteten Männer und Frauen gemeinsam, sie fällten Bäume und sägten sie zu Brettern. In der Regel hatten sich die armen Frauen um den Transport zu kümmern. Auf dem Kopf trugen sie die Bretter und Balken vom Wald bis zur Anlegestelle.
Vielleicht hast du, weißer Leser, in der Schule gelernt, dass das Mauritshuis in Den Haag mit den edelsten brasilianischen Hölzern verkleidet ist. Wenn du dann voller Bewunderung vor dieser Holzvertäfelung stehst, bitten wir dich zu bedenken, dass es unsere Mütter waren, die diese schwere Last tagein tagaus (denn den Sonntag hatten die christlichen Kulturbringer versäumt, in Suriname einzuführen) durch die hügelige Landschaft schleppten, durch Tümpel und Sümpfe trugen, immerzu mit der Peitsche bedroht, die deine Vorfahren schwangen.
Überflüssig zu erzählen, dass Blutspucken und andere Krankheiten an der Tagesordnung waren. Die Sklaven und Sklavinnen auf diesen Holzplantagen waren schnell untauglich und der Betriebsleiter rechnete mit ihrem verfrühten Verschleiß. Wie Öl wirkte in diesem knirschenden Räderwerk der schlechte Alkohol, den der Herr manchmal unter seinen Sklaven verteilte, damit sie in einem kurzen Rausch ihr Elend vergessen konnten.
Wir wollen unsere Behauptungen mit einigen Fakten erhärten, mit einigen losen Seiten aus dem Schwarzbuch der surinamischen Grausamkeit.
Unter dem Regime von Gouverneur Mauricius lesen wir, dass auf Anzeige des Fiskalrats eine Hausdurchsuchung bei einer gewissen Frau Pieterson durchgeführt wurde, die für ihre Grausamkeit bekannt war. Die Untersuchung brachte ans Licht, dass sie »einige ihrer Sklaven auf tyrannische und barbarische Weise ums Leben gebracht hat«. Sie machte auch keine Anstalten, diese Taten zu bestreiten, sondern sprach vor der Untersuchungskommission die stolzen Worte: »Dass sie ihren eigenen Besitz, von ihrem Geld gekauft, vernichten darf«.15
Die Kolonialjustiz hat sie nicht bestraft: So fand sie Zeit zu fliehen.
Die Witwe Mauricius, eine Dame aus den höchsten Surinamer Kreisen, hatte eine alte Sklavin an einen Baum binden und totschlagen lassen. Sie selbst erklärte, dass sie das aus einer Laune heraus gestattet habe, weil sie gerne sehen wolle, wie ihre alten Dienerin Schmerzen leide. Verschiedene ihrer Sklaven hatten dasselbe Los erfahren, ja sogar die kleinen Kinder auf ihrer Plantage wurden oft mit dem Spanischen Bock bestraft (eine sehr raffinierte Folter, worüber wir noch schreiben werden).
Frau Mauricius’ Sklaven teilten nun dem kolonialen Gerichtshof mit, dass sie weglaufen würden, sollte die Gouverneurswitwe nicht aus der Geschäftsführung der Plantagen abgesetzt werden.
Tatsächlich versuchte der Hof sie zu überreden, die Plantage fortan in die Hände eines Verwalters zu legen, »weil man sonst den gesamten Verlust des Besitzes ihrer Schützlinge befürchte«, doch Frau Mauricius gab zu verstehen, dass die Herrschaft über ihr Eigentum von niemandem besser geführt werden könne, als von ihr selbst.
Ein anderes Mal erklärte sie: »Ich will nicht, dass einer meiner Neger auf meiner Plantage mit so glatter Haut herumläuft.« Und tatsächlich hatte sie sich eine effektive Kur ausgedacht, die ihre Wirkung selten verfehlte. So ließ sie manchmal all ihre Sklaven vierundzwanzig Stunden ununterbrochen geißeln und »halb abschälen oder häuten«. Ein Neger und zwei Negerinnen brachen unter dieser Tortur zusammen. Die später ausgesandte Kommission, die über den Zustand auf der Plantage zu befinden hatte, erklärte dann auch, »dass die Sklaven sehr elend und misshandelt aussahen«.16
Kein Wunder, dass einige Sklaven vor Frau Mauricius flohen und Zuflucht in den Wäldern bei den aufständischen Marrons suchten. Dasselbe taten auch etliche Sklaven von Frau La Parra, eine Herrin, die an Grausamkeit Frau Mauricius in nichts nachstand.
Diese Sklaven liefen auf ihrer Flucht in die Wälder allerdings oft direkt in die Arme der Kolonialjustiz. Zwei Sklaven und zwei Sklavinnen wurden aufgeknüpft, drei Neger und vier Negerinnen empfingen für die widerrechtliche Flucht unter dem Galgen einen Spanischen Bock. Was Frau La Parra angeht, sie wurde von der Kolonialjustiz ermahnt, »ihre Sklaven fortan angemessen und anständig zu behandeln«.17
Derartige Ermahnungen sind jedoch selten, und noch seltener werden die Fakten durch eine solche Untersuchung festgestellt. Die Brutalitäten Sklaven gegenüber gehörten so sehr zu den Gepflogenheiten jener Zeit18, dass sie schon sehr besondere Formen annehmen mussten, ehe sie in den Kolonialchroniken verzeichnet wurden. Besser als in den Geschichtsbüchern der Weißen ist die Misshandlung unserer Väter in unseren Herzen festgehalten. Nie hat das Leid der Sklaverei stärker zu mir gesprochen als aus den Augen meiner Großmutter, wenn sie uns Kindern vor der Hütte in Paramaribo Geschichten aus alten Zeiten erzählte. Selbst nachdem die Sklaverei in Französisch-Cayenne bereits abgeschafft worden war, gaben sich viele Holländer weiterhin den schändlichsten Misshandlungen hin. Direktor C. Varenhorst ließ seine Sklaven halbtot schuften und versagte ihnen sogar die nötige Nahrung. Auf bloßen Verdacht hin ließ er einen Sklaven schwer züchtigen, seine Füße fesseln und ihn mit einer Kette um den Hals an einen Pfahl binden. Varenhorst verbot es (bei Strafe!) seinen anderen Sklaven, ihrem angeketteten Gefährten zu Hilfe zu kommen. Der Sklave starb völlig geschwächt und unter entsetzlichen Schmerzen, »in Gestank und Fäulnis«. Man brachte diesen Fall vor den holländischen Kolonialgerichtshof. Doch die Richter, deren Aufgabe es war, ein Urteil nach Recht und Gesetz zu fällen, gaben Varenhorst Recht und bestraften die Ankläger mit einem Spanischen Bock.19
Und noch 1801 wurden durch richterlichen Beschluss fast monatlich Sklaven gehängt oder gerädert. Nahezu täglich kam es zu Spanischen Böcken unter dem Galgen oder im Fort Zeelandia. Der Zustand war so erschütternd, dass die Militärs sich beklagten, weil dieses »beinahe täglich vorkommende Spektakel unangenehm und abstoßend war«.20